Günther Dümler

Mords-Krach


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glaubwürdige Ausreden Peter in kürzester Zeit verfallen kann, wenn ihm die Sache wichtig genug erscheint. Davon konnten schon seine Lehrer ein Lied singen. Das Kind ist sehr fantasiebegabt war oftmals in den unteren Klassen, als es die so genannte charakterliche Beurteilung noch gab, als zweideutige Bemerkung, das Betragen betreffend, in den Zeugnissen des ansonsten recht ordentlichen Schülers Peter Kleinlein gestanden.

      „Etz wo ses sagn“, nickte die gefragte Frau, „dou is vielleichd fünf bis zehn Minuddn bevor sie rauskommer sind a junger Mann herglaufn und hodd woss in Briefkasdn gworfn. Dass der a Audo derbei ghabd hodd, dess hobbi gar ned gseeng. Werbung hobbi mer hald denkd oder vielleichd eher nu irgend a brivade Middeilung, weil a Werbung hädd er ja bei mir aa neigworfn. Auf jedn Fall isser glei widder weider in Richtung dou nüber.“

      Dabei zeigte sie mit der ausgestreckten Hand in Richtung von Peters altem VW.

      „Ä junger Mann sagns? Homms nern genauer gseeng, kennersn aweng beschreim? Wissns, es wär scho wichdich für mich, dassi wass wäi er ausgschaud hodd, wenni mein Schaadn ersetzt habn will.“

      „Ja ja, versteh scho. Also genau hobb ich mir den nedd angschaud. Dasser nu jung war, hodd mer hald an seiner Gleidung gseeng und aa an sein floddn Gang. A Jeanshosn hodder anghabd und a abgschdebbde Jackn und mordsdrumm Stiefl. Die junger Leut homm ja heid alle so drummer Haxn. Und … und an Dings, na“, sie machte eine kreisende Bewegung um ihren Kopf, als wollte sie andeuten, dass sie vorhätte sich gleich zu erhängen, „an rot-weißn Schal hodder rumghabd, genau.“

      „Danke“, murmelte Peter, „des hilfd vielleichd scho. Vieln Dank noch amal.“

      Und damit wandte er sich endgültig zum Gehen um, während die sichtlich verdutzte Nachbarin leise vor sich hin murmelte: „Fährd der Kerl einfach in a fremds Audo nei und haud ab. Wenner ä anständicher Kerl gwesen wär, dann hädder ja aa mir sei Adress gebn könner, dass ich wenigsdns Bescheid wass, falls anner danach fraachd, wenners scho so eilich hodd, dass er nedd wardn konn wäi sichs ghärrd. Die Weld werd wergli immer schlechder!“

      Kling, Glöckchen, klingelingeling,

      kling, Glöckchen kling!

      (deutsches Weihnachtslied aus dem 19. Jahrhundert)

      Peter kehrte nun endgültig zu seinem Wagen zurück, um sich sofort auf den Rückweg nach Röthenbach zu machen. Für einen kurzen Moment hatte er erwogen den Unfallflüchtigen zu verfolgen. Den Gedanken ließ er aber schnell wieder fallen, denn die Strecke war sehr kurvenreich und in Folge des Neuschnees tückisch glatt. Es gab also keine realistische Chance, den Flüchtigen einzuholen. Einige Minuten waren bereits vergangen bis er den Schaden bemerkt hatte, seitdem war er zum Haus des Zahnarztes zurückgekehrt, hatte noch einmal mit der Nachbarin gesprochen und war dann erst wieder zu seinem eigenen Auto gelaufen. Insgesamt dürfte der Kerl einen Vorsprung von fast zwanzig Minuten haben. Eine Verfolgung war sogar rein rechnerisch unmöglich. Er musste einstweilen aufgeben. Wie hätte er ihn auch erkennen sollen. Der auffällige Schal als einziger Anhaltspunkt, zudem in einem fahrenden Auto. Keine Chance.

      Trotzdem hatte Peter bereits einige Anhaltspunkte gesammelt. Da waren die Fußabdrücke und die Reifenspuren. Wenn er Glück hatte, dann gehörten sie zu einem Fahrzeugtyp, den es nicht allzu oft gibt. Er würde gleich morgen früh zur Werkstatt gehen, um einerseits das defekte Blinklicht tauschen zu lassen und sich andererseits über die Aussichten, den Übeltäter anhand der Spuren ausfindig machen zu können, zu informieren. Es gab nur eine Werkstatt im Umkreis von zwanzig Kilometern. Vielleicht hatte er ja Glück und auch der Unfallfahrer kam dorthin, um seine Delle ausbessern zu lassen.

      Schade, dass die einzige Zeugin den Verdächtigen nicht ausreichend gut gesehen hatte, um hier für Aufklärung zu sorgen. Immerhin vermutete sie einen jungen Mann, alleine schon aufgrund seiner Art sich zu bewegen.

      Peter ließ sich Zeit, über die glatten Straßen zurück nach Hause zu fahren. Zum Glück hatte er noch kaum etwas getrunken, als das Malheur mit seinem Zahn passierte, gerade mal ein halbes Bier und einen Schnaps. Zwischen dem Eintreffen der Gäste und dem Unglück waren ja kaum mehr als vierzig Minuten vergangen. Trotzdem war Vorsicht geboten, die Betäubungsspritze die er während der Behandlung erhalten hatte, mochte seine Reaktionsfähigkeit zusätzlich eingeschränkt haben. Eigentlich wäre er ohnehin wohl besser nicht selbst gefahren. Er wollte aber nicht die ganze Gesellschaft sprengen und hatte die Gäste gebeten doch zu bleiben, da er sicher gleich wieder zurück sein würde und man dann erst Recht, um eine interessante Geschichte reicher, die Feier fortsetzen könnte.

      Als er zuhause ankam, war die Stimmung dann auch tatsächlich bereits in eine neue, vom reichlichen Alkoholgenuss beflügelte Phase eingetreten.

      „Ja dou isser ja widder, unser Nussgnagger!“, rief ihm Simon, schon etwas angeheitert und mit hochrotem Kopf entgegen. Seine Diät hatte er schon lang wieder aufgegeben, was seiner Gesundheit sicher nicht gerade zuträglich war. Er hatte mittlerweile wieder sein altes Kampfgewicht plus ein paar zusätzliche Pfunde erreicht, wobei der Begriff Kampfgewicht eher irreführend ist. In Simons Fall leitet sich diese Bezeichnung hauptsächlich von den Mühen ab, die der Freund jedes mal auf sich nehmen muss, wenn er eine Treppe erklimmen will, wenn er sich also im wahrsten Sinn des Wortes Stufe für Stufe nach oben kämpfen muss.

      Und wie es oft so ist, wenn ein relativ nüchterner Mensch zu einer Gruppe angeheiterter Feiernder dazu stößt, fand er auch nicht mehr so richtig den Anschluss an das muntere Treiben. Er erzählte zwar von seinem beschädigten Fahrzeug, machte aber keine allzu große Sache daraus. Von den Freunden hätte er ohnehin in dieser fortgeschritten Phase der Feier keinen vernünftigen Vorschlag mehr erwarten können. Zudem war er geistig immer noch zu sehr mit dem kürzlich Erlebten beschäftigt. So war er auch nicht böse, als sich die Besucher gegen Mitternacht allmählich verabschiedeten. Den üblichen Absacker brachte er heute gar nicht mehr von sich aus ins Gespräch.

      Als die letzten gegangen waren und Peter mit Marga allein in der Küche stand, um den gröbsten Abwasch zu erledigen, bevor sie Gläser und Geschirr in die Spülmaschine räumten, wollte sie dann doch wissen, wie es ihm beim Zahnarzt ergangen war.

      „Naja, der Zahn iss erschd amal versorchd, wenn aa nedd ganz ferdich wordn.“

      Marga sagte nichts, zog aber fragend die Augenbrauen hoch. Peter erzählte ihr daraufhin die ganze Geschichte, von der plötzlichen Unterbrechung der Behandlung bis zu der Delle am Kotflügel, dem Gespräch mit der schneekehrenden Nachbarin bis hin zu seiner glücklichen Rückkehr, wobei er vor allem die Reaktion des Arztes in allen Details schilderte.

      „ …. und wäi der Zahnarzt dann widder zrückkommer iss und mit mein Zahn weidermachn hodd wolln, woss er dann ja gar nimmer gschaffd hodd, dou hodd der gladd ausgschaud wäi in Hufnagl sei Keeskoungschabloner, doodnbleich und keesweiß.“

      Dazu muss man wissen, dass der zitierte Herr Hufnagel Besitzer und Betreiber der örtlichen Bäckerei - Konditorei ist, der bei der Herstellung seiner Backwaren allerdings nicht auf die lediglich sprichwörtliche Käsekuchenschablone angewiesen ist. Seine Käsesahne gerät auch ohne Vorlage immer blütenweiß und duftig frisch.

      „Abber nu bläider muss ich ausgschaud hobn, wäi ich nauskumm und unser Audo hodd an Dreffer. Goddseidank hobbi damid noch fahrn könner. Abber den Bläidl schnabb er mer. Haud einfach ab, als ob äso a Rebberadur gar nix kosdn däd.“

      Dummerweise kam der Plan, die Nachforschungen selbst in die Hand zu nehmen, bei der Marga überhaupt nicht gut an und er löste bei ihr augenblicklich einen automatischen Reflex aus. Wahrscheinlich aus einem unvermeidlichen Beschützerinstinkt heraus und vor dem Hintergrund leidvoller Erfahrungen und infolge seiner früheren Verwicklungen in etliche Kriminalfälle, verbot sie ihm kurzerhand jegliche Einmischung in diese geradezu lebensgefährliche Affäre, wie sie es auf völlig übertriebene Weise darstellte.

      „Beder! Du wassd doch nedd woss dess für anner iss. Villeichd iss der gfährlich. Hald dich dou raus, dess iss eindeudich a Sach für die Bollizei. Woss iss denn scho bassierd, außer ann kabuddn Blinker? Ich konn