Günther Dümler

Mords-Krach


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Maddäih am Ledzdn, nou konnsd mi am Friedhof bsuchn!“

      Peter schwieg zunächst, denn er brauchte eine gewisse Zeit bis er sich eine passende Antwort zu Recht gelegt hatte, die einerseits die Marga beruhigte, andererseits aber ihm unter Vermeidung einer direkten Lüge nicht nur ein winziges Schlupfloch, sondern gleich ein riesiges Scheunentor für seine eigenen Pläne offen ließ.

      „Ka Sorg nedd, Marga, ich hald mi scho zrügg, su goud wäi ich konn“. Vor allem der einschränkende Zusatz „Su goud wäi ich konn“ erschien ihm schließlich die geeignete Formulierung zu sein für den Fall, dass er sich dann doch nicht zurückhalten konnte. Oder wollte.

      „Und so gfährlich wäi du dousd, wars bisher ja schließlich aa nedd, dou lass ner amal die Kirch im Dorf! Dessmal gäihds ja schließlich nedd amal um an Mord. Die aanziche Leich bis etz iss mei Blinker links vorn und a leichd verletzder Kotflügl.“

      Damit schien die heikle Angelegenheit fürs Erste erledigt zu sein, denn die Marga verzichtete auf weitere Einwände und wechselte freiwillig das Thema.

      „Abbrobo Kirch, morgn nachmiddach um vierer fängd der diesjähriche Adventsbasar vor der Kirch an. Die Maria und ich homm heier fleißich mitgholfn beim Bassdln und Schdriggn. Morng wird des dann alles verkaufd, woss mer über die Monade zammbrachd homm. Was zum Essn und Drinkn gibbds nadürlich aa und es iss ja alles für an goudn Zwegg. Heier gäihd der ganze Erlös an die syrischn Flüchdling, die der Pfarrer aufgnommer und derweil im Pfarrheim underbrachd hodd, bis die armer Leit woss eigns finden.“

      Peter war ziemlich froh für die Verlagerung des Gesprächs auf weniger gefährliches Terrain. Er kannte seine Marga nur zu gut. Es musste immer erst ein bisschen Gras über eine neue, von ihr als unerwünscht oder gar gefährlich eingestufte Angelegenheit gewachsen sein, bevor Peter letztendlich doch immer wieder, unter strengsten Auflagen bezüglich Vorsicht natürlich, ihren Segen bekam. So hatte er auch keinerlei Einwände als seine bessere Hälfte, einmal in Schwung, ihn für den kommenden Vormittag zum Arbeitsdienst einteilte.

      „Morng früh werrn die Budn aufbaud, dou derfür däd der Pfarrer Stiegler noch a boar Freiwilliche suchn, Rentner wäi dich im Besondern. Die andern müssn ja morgen noch größtndeils arbeidn. Der Simon hodd genuch zu dou, dasser die ganzn Brodwörschd und Schaschligg herrichd und beim Lodaah iss Samsdoochs sowieso immer Großkampfdooch. Also richd di drauf ei! Und etz gäihsd am bestn derwall ins Bedd, dassd morgn aa gscheid ausgschlafn hosd. Ich machen noch gar ferdich und dann kummi aa.“

      Es ist für uns eine Zeit angekommen,

      die bringt uns eine große Freud!

      (altes deutsches Volkslied)

      Die Höhle hatte er schon als Kind gekannt. Abgelegen, von Touristen und Ausflüglern unbeachtet. Dafür ist sie auch zu klein und unspektakulär. Ideal als erster Anlaufpunkt nach der Flucht. Er lachte leise in sich hinein, heiser, kurz und trocken. Er hatte es geschafft, war ihnen trotz all ihrer Vorsichtsmaßnahmen entwischt. Niemand kann einen Gerhard Popp für immer aufhalten. Das Gespräch mit dem Direktor, ein Glücksfall? Nicht nur! Seine Zukunftsperspektiven wollten sie mit ihm besprechen, das Gutachten des psychologischen Dienstes durchgehen, das ihm gute Aussichten für eine völlige Rehabilitation und Wiedereingliederung in den Schoß der Gesellschaft attestierte. Seine Führung war tadellos, die Mitarbeit in den vielen therapeutischen Sitzungen mustergültig. Was sonst? Was hatten diese Trottel eigentlich erwartet? Er ist doch nicht blöd. Wenn er eine Chance bekommen wollte, dann musste er zum Schein kooperieren. Mein Gott, wie er dieses scheinheilige Gesülze hasste.

      Aber als er dann mit dem Anstaltsleiter und der spröden Psycho-Tussi allein in dem geräumigen Besprechungszimmer saß, da konnte er sein Glück kaum fassen. Ein Griff in die Tasche, einmal kurz mit dem Nagel die Schläfe der Alten geritzt. Das Blut floss reichlich und eindrucksvoll. Noch bevor der Direktor Alarm geben konnte hatte er ihm klar gemacht, dass er sofort zudrücken und die spitze Waffe tödlich in die Schläfe seiner Geisel pressen würde. Ein Kinderspiel den Zimmermannsnagel in der Anstaltsschreinerei verschwinden zu lassen, dann die wochenlange eintönige Schleifarbeit bis er endlich mehr Ähnlichkeit mit einen rasiermesserscharfen Skalpell hatte als mit einem simplen Eisenstift. Gerhard Popp war schon immer schlauer gewesen als andere. Sie hätten ihn nicht unterschätzen dürfen.

      Er war sichtlich mit sich zufrieden. Wie er dann mit seiner Geisel den Weg aus der Anstalt geschafft hatte, das war ein Meisterwerk. Er wusste genau wo die Lieferwagen standen, die die fertigen Produkte der gefängnisinternen Betriebe zu den Auftraggebern brachten. Einer dieser Fahrer, ein junger Bursche Anfang Zwanzig musste ihn nur hinausbringen, hinaus aus den Mauern, die ihm die Luft zum Atmen nahmen, widrigenfalls drohte er erneut damit sein Opfer brutal zu töten. Kaum draußen zwang er den jungen Mann, ihm das Steuer zu überlassen. Der wolle doch nicht schuld sein, dass der offenbar gestörte Ausbrecher vor seinen Augen einen spitzen Metallstift in die Schläfe der zitternden Frau hämmern würde. Und der so Eingeschüchterte wollte nur weg, sein beschissenes Leben in Sicherheit bringen. Gerhard grinste breit. Der Kerl hatte mehr Angst als Vaterlandsliebe und rannte wie um sein Leben, hatte sich nicht einmal mehr umgesehen. Sogar seine warme Jacke hatte er glücklicherweise im Auto zurückgelassen.

      Die Gefängnispsychologin, eine reizlose verknöcherte Gestalt, der er nicht einmal er nach drei Jahren erzwungener Enthaltsamkeit etwas abgewinnen konnte, warf er schließlich brutal aus dem Wagen, als er die Stadtgrenze hinter sich gelassen hatte. Sie musste nicht wissen, wohin er wollte. Wie elend sie gejammert hatte, voller Angst, dass er über sie herfallen könnte, er, der verurteilte Vergewaltiger und Mörder. Keine Spur von Glauben an die zuversichtliche Prognose über die vermeintliche positive Neuorientierung ihres Patienten, die sie noch vor einer knappen Stunde dem Direktor so überzeugend vorgetragen hatte. Ihr Handy nahm er mit und entsorgte es wenige Kilometer danach mit einem schwungvollen Wurf aus dem Fahrerfenster, hinein in den trüben Bach, der unter einer Brücke träge dahinfloss. Zuvor hatte er vorsorglich den Akku herausgenommen und so eine Ortung unmöglich gemacht.

      Auf, zurück in die heimatlichen Gefilde, wo er noch eine Rechnung offen hatte. Rache ist süß! Doch zunächst in die Höhle, von wo aus er die Lage erkunden konnte. Wie er die Wälder um Röthenbach doch liebte.

      Mariam et Joseph et Infantem

      (aus Transeamus usque Bethlehem)

      Gleich nach dem Frühstück mussten die beiden los. Es gab noch so viel zu tun. Glücklicherweise stellte sich der Schaden an Peters Wagen als harmloser heraus als zunächst befürchtet. Das Blinkerglas war zwar gebrochen, doch der Blinker selbst funktionierte noch, also wurde der Gang in die Werkstatt einstweilen aufgeschoben. Das reichte auch noch am Montag.

      Der Adventsbasar fand alle Jahre auf dem kleinen Innenhof zwischen der Pfarrkirche Sankt Leonhard und dem Kindergarten statt. Es mussten Kabel verlegt und angeschlossen werden. Die beiden Buden des Kindergartens und der Frauengruppe waren noch komplett aufzubauen und mit Lichterketten und Tannenreisig zu schmücken. Genau die richtige Aufgabe für Peter. Im Umgang mit Lichterketten war er Experte, hatte jede Menge einschlägige Erfahrung. Danach wollten die Frauen mit ihren selbstgebastelten Waren einziehen und zudem ihre Kochstellen für den versprochenen Glühwein, die selbst gebackenen Waffeln und den heißen Kakao einrichten. Auch dafür war jede helfende Hand willkommen. Die großen Holzteile für die Budenwände waren jedoch für die anwesenden Frauen viel zu schwer und der zwar allgegenwärtige Pfarrer Stiegler war nicht nur aufgrund seines Alters und seiner angeschlagenen Konstitution ebenfalls keine große Hilfe. Geistiger Beistand und unerschütterlicher Glaube alleine kann vielleicht Berge versetzen, aber eben keine Wände aufrichten. Da kam es sehr gelegen, dass sich ein etwa 40 bis 50 Jahre alter Mann mit gekräuselten Haaren, schmalem Oberlippenbart und eher dunklem Teint im Schlepptau des Priesters befand, den dieser sogleich als Yusuf al-Rahmani vorstellte, Oberhaupt einer syrischen Flüchtlingsfamilie, die sich vor den Wirren des Bürgerkriegs und der von der übrigen Welt weitgehend unbeachteten Christenverfolgung im Nahen Osten vor zirka einer Woche nach Deutschland retten konnte. Der Mann war für einen Orientalen, zumindest in Peters Vorstellung von einem Araber, relativ