Thomas Spyra

Es war nicht meine Schuld


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offiziell? Ihr werdet getauft, der Bürgermeister wird eine neue Geburtsurkunde ausstellen. Er ist ein Freund von mir und für ihn zählt nur der Mensch. Jeder darf seinen Glauben leben, wie er will.» Fragend schaute er beide an.

      «Ich denke, wir besprechen das erst mit unseren Frauen», antwortete Joseph zögerlich.

      Einstimmig gaben sie am nächsten Tag Bruder Ignatius ihre Entscheidung bekannt und dieser unterrichtete alle vier in katholischer Lehre. Vierzehn Tage später, der Pferdewagen war fertig repariert, schlug der Mönch ihnen vor, sie in der darauffolgenden Woche zu taufen.

      Joseph änderte dabei seinen Familiennamen in den schlesischen Namen Scholty, sein Freund Elias wurde Franz getauft. Die Vornamen der Frauen blieben, diese waren ebenso unter Christen geläufig.

      «Bleibt hier bei uns, wir suchen immer wieder anständige Leute, die fest zulangen. Ihr seid doch Stoffhändler, dann wäre der Umschlag des Warenhandels am Inn vermutlich was für euch», meinte der Pater zu Joseph.

      «Auch unsere Nagelschmiede und Glasbläser suchen Arbeiter. Ich vermittle euch eine Stelle sowie Wohnung», erklärte sich der freundliche Bürgermeister bereit.

      «Unser Wirt, der Sandbichler Franz», ergänzte Ignatius, «hat im Hinterhaus günstige Zimmer, da könnt ihr wohnen. Sein Sohn, der Alois Sandbichler, ist ein bekannter Religionsprofessor in Salzburg und gehört zu unserem Augustinerorden.»

      Alle Überredungskünste von Joseph halfen nichts, die beiden Frauen wollten nicht in Rattenberg bleiben. Franz war es egal.

      «Schau, die Leute sind hier freundlich, es spielt überhaupt keine Rolle, dass wir Juden sind, hier könnten wir ohne Angst anständig leben.» Tagelang saßen sie zusammen und beratschlagten.

      «Die Stadt ist mir unheimlich, es ist bereits Mai und immer noch scheint fast keine Sonne hier ins Tal, der Schlossberg wirft zu lange Schatten. Mich wundert es, dass die Leute trotzdem so unbeschwert sind. Ohne Sonnenschein ist es hier bedrückend. Lass uns weiterfahren», versuchte Elsa, ihren Mann eindringlich zu überzeugen.

      «Also gut, rüsten wir für die Weiterreise.» Resigniert gab Joseph nach.

      Der Abt und der Bürgermeister bedauerten dies und stellten die neuen Papiere aus. Sie luden zum Abschied zu einem zünftigen Umtrunk ein.

      In Kufstein angekommen, meldeten sie sich in der Präfektur. Leider wurde ihr Ansinnen auf Landzuteilung mit der Begründung abgewiesen, es gebe schon genug arme Leute in Schlesien, zusätzlich bedurfte es erst recht nicht konvertierter Juden.

      «Jetzt schaut mich nicht so entsetzt an, denkt ihr, ich habe nicht bemerkt, dass ihr einst Israeliten ward. Sucht euer Glück im Salzburger Land oder zieht weiter nach Oberschlesien, das ist dünn besiedelt. Vielleicht klappt´s dort.» Der freundliche Mann gab ihnen ein Papier mit zahlreichen Stempeln. «Ihr braucht Zuzugsgenehmigungen, steht alles hier drin. Hebt das gut auf. Leider kann ich nicht mehr für euch tun. Viel Erfolg!»

      Draußen vorm Gasthaus warteten die Frauen, sie setzten sich an einen Tisch und überlegten.

      «Wohin jetzt, Joseph?»

      «Nach Oberschlesien, wenn wir uns beeilen, schaffen wir das noch vor dem Wintereinbruch.»

      Sein Freund nickte.

      Die Jahre vergingen, nirgends fassten sie Fuß. Joseph zog mit seiner Frau von Dorf zu Dorf. Den Wagen randvoll beladen mit einfachen Stoffen, geeignet für die Bauernkleidung. Mehr schlecht als recht lebten sie von dem Handel.

      Lange erfüllte sich ihr Kinderwunsch nicht, sie gaben aber die Hoffnungen nicht auf. Beteten reichlich in der Synagoge und der Kirche. Gott hatte Abraham in späten Jahren ein Kind geschenkt, warum sollte das bei ihnen nicht auch so sein.

      Elsa hatte schon die Vierzig überschritten, endlich gebar sie einen Knaben. Gott hatte ihr Flehen erhört, doch welcher, der der Juden oder der Christen? Sie ließen den Jungen auf den Namen Fedor, das heißt Gottesgeschenk, taufen, aber nicht beschneiden. Heimlich konnte man glauben, was man wollte.

      «Er soll es einmal besser haben wie wir», Elsa sah keine Zukunft hier in diesem Land für ihren jüdischen Sohn.

      Trotz Namensänderung wurden sie nirgends heimisch, blieben die Fremden. So zogen beide Familien als Fahrende, die Scholtys probierten das Tuchhändlergeschäft und die Holderlinds tingelten mit einer Musikantentruppe durch die Lande. Alle schlugen sich hundsmiserabel durchs Leben.

      Wenn sich ihre Wege kreuzten, feierten sie freitags heimlich Passah. Sie waren Juden, da hatte ein wenig Weihwasser zur Taufe nichts geändert. Stellten sich dadurch außerhalb jeder Gesellschaftsklasse, gehörten weder zu den Israeliten noch zu den Katholiken.

      Joseph und Elsa erhielten beim Stoffhändler Rosenbaum in Oppeln neue Waren. Hübsch anzusehende frische bunte Sommerstoffe.

      «Diese lassen sich gewiss leicht verkaufen, ich überlasse sie euch für einen günstigen Preis. Unterzeichnet mir den Schuldschein hier, wenn ihr alles verkauft habt, bekomme ich mein Geld», Anna Rosenbaum, die Seniorchefin bediente sie heute. Der Tuchhändler hatte keine Zeit für die armen Wanderjuden und schickte seine Frau in den Laden, nicht ohne den Hinweis, sie solle sich nicht erweichen lassen. Anna hatte Mitleid mit den fahrenden Leuten und dem herzallerliebsten Kleinen. «Ich habe euch einen erstklassigen Preis gegeben und der Zins ist niedrig. Jetzt müsst ihr nur schnell alles unter die Dörfler bringen. Zur Abrechnung kommt ihr zu mir persönlich, verstanden!»

      «Ja, vielen Dank Frau Rosenbaum, Gott segne Euch, Schalom!»

      Die Scholtys zogen froh gelaunt in den herrlichen Sommertag.

      «Wir versuchen es diesmal in der Gegend um Oppeln bis hinauf ins Riesengebirge. Die Bauern kaufen lieber bei uns, anstatt in die Stadt zu fahren.» Joseph stemmte sich mächtig in das Zuggeschirr des zweirädrigen Handkarrens. Bergauf schob Elsa von hinten.

      Heiß brannte die hochstehende Sonne, er wischte sich den Schweiß ab. «Bis zum nächsten Dorf, Rodanje, ist es nicht mehr weit, lass uns dort oben in dem Wäldchen rasten.»

      Der kleine Fedor fing das Schreien an, Elsa nahm ihn vom Wagen. «Der Junge hat Hunger und Durst, es ist gut, wenn wir zu mittagessen.» Sie streichelte den Knaben über den Kopf: «Ist ja schon gut! Gleich legen wir eine Pause ein und du bekommst etwas.»

      «Wir haben Zeit, bis zum Abend schaffen wir es leicht bis Rodanje. Mit Franz habe ich mich erst nach Einbruch der Dunkelheit verabredet.»

      Sie suchten sich einen Schattenplatz und setzten sich gemütlich zwischen den Bäumen ins Gras. Nach dem Essen tollte der Zweieinhalbjährige herum, bis er müde wurde.

      «Ich lege Fedor dort hinten ins Gebüsch, da ist es kühler.» Elsa bettete den Jungen auf eine Decke zum Mittagsschlaf unter einen wilden Holunderbusch.

      Gemeinsam lehnten sie an einem Baum und blickten in die vor Hitze flimmernde Landschaft.

      «Wären wir doch in Rattenberg geblieben, die Menschen hätten uns so freundlich aufgenommen. Hier wird das nichts mehr, tagelang auf den Dörfern betteln, dass sie uns was abkaufen» sinnierte Elsa mutlos.

      «Das war nicht meine Schuld, ich wollte bleiben. Aber Madam fehlte die Sonne», brummte er sarkastisch.

      «Da vorne kommen zwei geritten!» Elsa stand auf. «Sollen wir uns verstecken?» Besorgt schaute sie sich um.

      «Nein, das sind totsicher Pilger, die dort hinter uns zum Annabergkloster reiten.»

      Vorsichtshalber packten sie aber alles auf ihren Wagen.

      «Wir haben Durst, gebt uns was zu trinken!», forderte forsch ein stämmiger Mann ungehobelt, sprang, ohne den Gruß der beiden Scholtys zu erwidern, vom Pferd.

      «Hier Herr, wohl bekomms!» Eilig reichte Elsa ihm den Krug.

      «Pfui Teufel, das ist ja lauwarmes Wasser!», schnauzte er sie an und schmiss ihr das Gefäß vor die Füße, es zerschellte in unzählige Scherben.

      «Herr,