Wieland Barthelmess

ECHNATON


Скачать книгу

davon in Kenntnis setzen.“ Amenhotep strahlte über das ganze Gesicht. „Doch nun will ich dich nicht weiter vom Musikgenuss abhalten. Du wirst bald von mir hören.“ Dann wandte er sich zum Gehen.

      Huy verneigte sich. „Es war mir eine Ehre, Prinz Amenhotep.“

      „Selket und Kebech-senuef steht mir bei!“, staunte Ani. „Wo hast du das denn gelernt? Du redest ja wie einer der Oberpriester und eine Kebse zugleich!“

      Amenhotep lachte. „Na, von wem werde ich das wohl gelernt haben? Seit mehr als sechzehn Jahren sehe ich meine Mutter Teje ihre unsichtbaren Fäden spinnen, die vom elenden Kusch bis zu den Zedern des Libanon reichen. Und ich höre sie, wie sie Lob versprüht und Tadel spritzt. Aber“, Amenhotep hob den Finger, „sie ist immer aufrichtig. Vielleicht würde sie vermeiden, die ganze Wahrheit zu sagen, aber lügen würde sie nie. Das wäre unter ihrer Würde.“ Als wären sie unter sich, legte er Ani plötzlich die Hand auf die Schulter. „Schau nur! Schon hat sie ein Opfer gefunden.“

      Teje hatte sich vor der bescheidenen Frau aus Hut-nesu aufgebaut, deren Mann Ani vorhin an einen seiner Lehrer erinnert hatte. „Re-ne-nutet! Meine Liebe! Wie lange schon haben wir uns nicht mehr gesehen?“ Mit bewusst zur Schau gestellter Grandezza sank Teje auf den bereitgestellten Schemel hin, so dass einige Münder offen stehen blieben; insbesondere auf der gegenüberliegenden Seite des Saales, wo die sich träg gegessenen Männer ihre Augen wandern ließen. „Es macht ihr wahrlich Freude, sich so zu präsentieren“, flüsterte Amenhotep Ani zu. „Sie genießt jeden einzelnen der Blicke, die auf ihr liegen. Aber dafür schenkt sie den Gaffern auch, was sie sehen wollen: Das, was die Große königliche Gemahlin so anders macht als andere Frauen, so dass sogar Pharao höchstselbst ihrem Liebreiz erlegen war.“ Ausnehmend schön war Teje ja eigentlich nicht, überlegte Ani. Dennoch bewegte und verhielt sie sich so, als sei sie die schönste Frau der Welt. Ihre Schönheit war eine Behauptung, die sie mit ihrem Benehmen erfüllte. Und sie hatte diese Art, die Männer wie Frauen zugleich betören konnte.

      „Es muss Jahre her sein, seit du zum letzten Mal hier warst, Re-ne-nutet“, griff Teje die Unterhaltung wieder auf. „Denkst du nicht auch? In Anbetracht dessen siehst du aber ganz ausgezeichnet aus. Nur der neumodische Landmann-Stil macht dich ein wenig blass, wie ich meine.“

      „Man hat mich schon mehrfach darauf angesprochen. Ich weiß überhaupt nicht, wovon die Rede ist.“ Re-ne-nutet war rot geworden vor Aufregung, von ihrer Herrscherin angesprochen zu werden.

      Nachdem sie lange schweigend auf ihr Gegenüber geguckt hatte, seufzte Teje schließlich: „Ach, Re-ne-nutet, wie bist du doch gesegnet.“

      „Ja“, pflichtete Re-ne-nutet ihr bei. „Meine Familie…“

      „Genau darüber wollte ich mir dir reden, meine liebe Re-ne-nutet“, unterbrach sie Teje mitten im Satz. „Deine Familie ist uns teuer. Dein Gemahl leistet uns treue Dienste. Du bist ein Beispiel an Selbstlosigkeit und Opferwillen. Und dein Sohn…“

      „Mein Sohn ist alles, was ich habe!“ Ani meinte deutlich ein Flehen in ihrer Stimme gehört zu haben. Offensichtlich ahnte sie bereits, was kommen würde.

      „Dein Sohn hat eine große Zukunft vor sich, glaub es mir.“ Und als ob sie ihr ein Geheimnis anvertrauen wollte, beugte sie sich zu ihr hinüber. „Aber nicht in Hut-nesu, Re-ne-nutet.“

      „Nehmt ihn mir nicht! Bitte! Es bräche mir das Herz.“

      „Niemand will dir Haremhab nehmen. Er ist dein Sohn und wird es auch immer bleiben. Aber dem Guten Gott ist zu Ohren gekommen, dass er ein junger und begabter Offizier ist.

      Seine Soldaten lieben ihn - weil er sie liebt. Bislang waren zumeist Hass und Furcht ihr Antrieb. Doch seit Haremhab ihnen vorsteht, ist es Liebe.“

      Als spräche Teje von etwas, über das man besser Schweigen bewahrte, sah Re-ne-nutet ihr in die Augen. „Bitte, Teje, ich flehe dich an…“

      „Pharao braucht neue Menschen mit neuen Gedanken. Sie werden ihm und eines Tages auch Thutmosis helfen, ein neues Ägypten aufzubauen.“

      „Nehmt einen anderen, nicht ihn. Er braucht mich, und ich brauche ihn. Er ist fast ein erwachsener Mann, dennoch bedarf er noch immer der mütterlichen Zuwendung.“

      „Ach was?!“ Unbeeindruckt fuhr Teje fort. „Schau, Re-ne-nutet, mein Bruder Eje hat nur zwei Töchter und keinen Sohn. Wer soll eines Tages das Amt des Vorstehers der Pferde übernehmen?“

      „Das Amt des Vorstehers der Pferde?“, fragte Re-ne-nutet. „Das ist aber ein hohes Amt.“

      „Das allerhöchste im Militär, fast einem Wesir gleich“, triumphierte Teje. „Aber es ist natürlich ganz allein Haremhabs Entscheidung, ob er dem Ruf Pharaos folgen will oder nicht. Ich gehe jedoch davon aus, dass er begeistert annehmen wird, wenn man ihn fragt, ob er seine Karriere in Waset fortsetzen möchte.“ Re-ne-nutet schluckte. „Es wäre uns allerdings daran gelegen“, sagte Teje mit dem Tonfall einer guten Freundin, „wenn man ihm nicht hineinredete, um seine Entscheidung dahingehend zu beeinflussen, dass er möglicherweise noch ablehnt, um in Hut-nesu zu bleiben. Ein Offizier, der Pharaos Ruf ablehnt, ist meistens nicht mehr wohl gelitten bei seinen Soldaten.“ Teje schüttelte ihr Haupt. „Man redet viel, wie Du ja weißt. Aber er könnte dann immer noch Bauer werden. Ihr habt doch noch eure Landwirtschaft, Hor-wer und du?“ Re-ne-nutet nickte stumm. „Na siehst du. Dann hättest du ein Bäuerlein zum Sohn, das dann tagtäglich um dich ist. Ich frage mich nur“, Teje richtete sich auf und lächelte auf die andere Seite des Saales zu Haremhab hinüber, der sofort spürte, dass über ihn geredet wurde, „ob dein überaus begabter und kluger Sohn damit zufrieden sein wird. Du weißt ja, dass Entscheidungen, die man jemandem zuliebe gegen sein eigenes Herz getroffen hat, oft der Ursprung des Hasses sind. Nun, Thutmosis wird ihn gleich fragen und ihn bis morgen zu einer Antwort auffordern. Ich denke, du wirst dich so verhalten, wie es Haremhab gut tut.“ Teje erhob sich und richtete ihren Blick in die Ferne. „Es war nett mit dir zu plaudern, Re-ne-nutet.“ Als sie ging, winkte sie Amenhotep zu sich. „Sag deinem Bruder“, flüsterte sie ihm ins Ohr, „dass Haremhabs Mutter es nicht wagen wird, ihren Sohn in seiner Entscheidung zu beeinflussen.“

      Amenhotep nickte nur stumm. „Das hast du gut gemacht, Mutter. Vater wird es freuen. Was für eine starke Frau er doch hat.“ Teje sah ihren Sohn verwundert an. „Na, kein Schweißperlchen steht auf Deiner Stirn, Mutter. Wo doch die Krone aus purem Gold ist und schwer wie ein Ochse.“

      „Darf ich dir was verraten, mein Liebling?“ Teje klopfte an ihre Geierhaube. „Ich habe mir eine Kopie aus Holz und Leder machen lassen, die anschließend vergoldet wurde. Sieht täuschend echt aus, nicht? Die Echte, das uralte Ding, ist ja wirklich untragbar.“

      Ani war es peinlich, all diese Dinge mitzubekommen. Lieber hätte er sie nicht gehört, denn sie machten die Göttlichen so überaus menschlich. Schnell folgte er seinem Herrn auf die andere Seite des Saales. „Das waren heute also die Lektionen Eins und Zwei“, dozierte Amenhotep, dem dies alles tatsächlich Spaß zu machen schien. „Lektion Eins: Wie erlange ich einen Titel. Hohepriester des Ptah etwa. Lektion Zwei: Wie gewinne ich einen Menschen. Haremhab wird unser General.“

      Haremhab war tatsächlich überrascht, als Thutmosis ihn fragte, ob er bereit wäre, nach Waset zu kommen. „Und die Truppen, die du jetzt befehligst, lässt Pharao dann natürlich auch mit dir nach Waset gehen“. So überlegte Haremhab nicht lang ‑ nein, eigentlich überlegte er überhaupt nicht ‑ und sagte sofort zu. „Ich brauche keine Bedenkzeit, Sohn und Thronfolger des Guten Gottes. Ich stehe Pharao mit Leib und Seele zur Verfügung.“ Re-ne-nutet hatte die ganze Zeit angespannt herübergestarrt, wie Ani aus den Augenwinkeln sehen konnte und ahnte wohl, wie das Gespräch ausgegangen war.

      Auch mit Haremhab verstand sich Amenhotep prächtig. Vielleicht sogar noch besser als mit Huy, der als Mitglied einer der ältesten Adelsfamilien förmlich und distanziert geblieben war. Haremhab war ein nüchterner junger Mann, der mit dem Prinzen zwar respektvoll, aber dennoch wie mit Seinesgleichen sprach. Er betonte die Notwendigkeit der Stärke Ägyptens, das