Carsten Dohme

Forsetas


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Haus am Meer gemietet, wo ich für euch kochen kann.«

      »Die Einladung zum Essen nehmen wir natürlich gern an. Wer würde da schon widerstehen können.«

      Kimberley stand ein wenig abseits an die Navigationskonsole gelehnt und beobachtete, wie ihre Mutter mit zweiundvierzig Jahren die Männer immer noch um den Finger wickelte und dafür sorgte, dass man ihr jeden Wunsch von den Lippen ablas.

      »Nicht, dass ich eifersüchtig wäre, aber ein klein wenig Aufmerksamkeit und ein ›Guten Tag‹ hätte ich schon verdient«, maulte sie.

      Cunningham zog den Nacken ein und machte eine Drehung ganz im Stile von Cab Calloway. Er begann so laut zu singen, dass der erste Offizier und Zahlmeister, neu an Bord, vor Schreck fast sein Funkgerät hätte fallen lassen.

      »Hey folks here’s the story ’bout Minnie the Moocher. She was a red-hot hoocie coocher. She was the roughest toughest frail. But Minnie had a heart as big as a whale. Hidehidehidehi.«

      »Wenn sie weiß, was hoocie coocher heißt, wird sie ihm jetzt gleich eine scheuern«, brummelte Freddy.

      Cunningham packte Kimberleys rechte Hand und zog sie mit sanftem Druck an sich. Ihr Kopf fiel nach hinten, und mit schnellen Drehungen wirbelten sie tanzend einmal quer über die Brücke.

      »Willkommen an Bord, Madam!«, brummte er, während er sich tief vor ihr verneigte.

      »Jetzt weiß ich, warum der Stiefdaddy sich hier an Bord so wohlfühlt. Der Kahn ist voller Irrer.«

      Jackson pfiff auf den Fingern und Freddy johlte: »Genauso wie das Walross in dem Zeichentrickfilm.«

      Cunningham zog die Augenbrauen hoch und stürmte wie ein Boxer in der Offensive auf Jackson zu. »Willst du damit sagen, ich tanze wie ein Walross?«

      »Papa!« Jackson flüchtete auf die Brückennock.

      »Nein, du bist kein Walross«, verteidigte Angela Cunningham. Sie zog die beiden Männer wieder zu sich heran. Du bist mein Brummbär, Paul mein Seebär, und da draußen balanciert der Tanzbär auf einem Mustang. Wie im Zoo, alles wie immer.«

      Jackson und Kimberley waren Freddy inzwischen nach draußen gefolgt und sahen Richard dabei zu, wie er mit den Hinterrädern des Mustangs schwarze Streifen auf den Pier malte.

      Kimberley entlockte die Show nur ein Gähnen. »Mit dem, was die Reifen kosten, hätte ich meinen Führerschein bezahlen können.«

      Zehn Minuten später war der Spuk vorbei, und Richard lief zufrieden und beschwingt die Gangway hinauf. Auf der Brücke angekommen, nahm ihn Hansen gleich ins Gebet.

      »Melde mich zurück an Bord, Kapitän Hansen«, versuchte er von dem abzulenken, was nun kommen würde.

      »Mit dem Grinsen kannst du vielleicht deine beiden Frauen rumkriegen, du Spinner. Was sollte der Quatsch da draußen? Du weißt, wie sich die Hafenbehörden anstellen. Außerdem laufen wir in acht Stunden aus, und die Crew hat Besseres zu tun, als deinen Kunststückchen zuzuschauen.«

      Richard setzte seine Unschuldsmiene auf. »Tschuldigung. Und der Wagen war die ganze Zeit im Container an Bord?«

      »Nein, erst ab Liverpool.«

      »Und das sagt mir keiner?«

      »Die werden schon wissen warum. Machst ja immer alles kaputt.«

      »Äh ja, hier, das ist vom Schaltknüppel abgefallen. Kannst du das Giuseppe geben, damit der das wieder ranbaut?«

      »Das gibt eine hübsche Rechnung.«

      »Ja, ja. Die kann er Paul schicken.«

      »Apropos Paul. Du sollst dich umgehend bei ihm melden.«

      »Aye, aye Käpt,n, da spute ich mich besser mal. Wo sind die anderen hin?«

      »Mit Cunningham in die Kantine. Angela braucht einen Beruhigungstee, und die Zwerge hatten Hunger.«

      LØKKEN

      4.

      Nach dem Mittagessen nahm die Keldysh Kurs auf den Hafen von Thorsminde. Es hatte einige Diskussion darüber gegeben, wo man mit den Arbeiten beginnen sollte. Während seine Kollegen mit den Untersuchungen des Meeresbodens an den Positionen der Windkraftanlagen starten wollten, sah Richards Planung vor, mit U-20 zu beginnen. Er setzte sich durch, denn die Standorte der Windräder nötigenfalls um ein paar Meter nach links oder rechts zu verschieben, wenn man auf »schlechten« Untergrund traf, war nicht das Problem. Doch die Lage des Umspannwerks, wo die Kabeltrasse an Land kommen sollte, war fix. Je schneller sie damit fertig waren, desto mehr Zeit hatte er für seine Familie.

      Richard hatte beschlossen, mit seiner Familie mit dem Auto zum Ferienhaus zu fahren. Er hatte genug Zeit auf dem Schiff verbracht und würde die Crew auf einer Fahrzeugpräsentation, zu der Fisher am nächsten Tag in Aalborg eingeladen hatte, wiedersehen.

      Nach dreieinhalb Stunden bog er in Richtung Küste ab und hatte eine Idee, von der er annahm, dass sie zumindest den Jungs Freude und den Frauen Vorfreude auf einen entspannten Badeurlaub machen würde.

      »Was haltet ihr davon, wenn wir das letzte Stück am Strand entlangfahren?«

      Niemand antwortete ihm. Kimberley und Angela waren eingeschlafen, Freddy in seine Autozeitschrift vertieft. Damit hatten sie ihr Stimmrecht eingebüßt.

      »Mir tut der Hintern weh, wie weit ist das denn noch?«, nörgelte Jackson.

      »Sind gleich da. Wir könnten den Dodge mal durch ein paar Pfützen und Furten treiben. Was hältst du davon?«

      »Was sind Furten?«

      »So nennt man Wege, die mitten durch einen Bach oder Fluss führen, ohne dass es eine Brücke zur Überquerung gibt«, mischte sich Freddy in das Gespräch ein. Darf man das denn, am Strand langfahren?«

      »Au ja!«

      Stadtkinder, dachte Richard. »Hast du jemals gesehen, dass dein Vater etwas Verbotenes getan hat?«

      »Yep«, kam Freddys Antwort wie aus der Pistole geschossen.

      »Jaha, man darf das. Der Weg am Strand ist sogar als Landstraße ausgewiesen. Keiner kommt in den Knast. Okay?«

      Richard manövrierte den Wagen möglichst ruckelfrei auf den Strand, damit die Frauen nicht aufwachten und irgendwelche Einwände erhoben. Auf das ruhige Blubbern des V8 war Verlass. Die zwei schliefen tief und fest.

      »Wow Papa, schau dir die Wellen an«, rief Jackson.

      Die Abendsonne spiegelte sich funkelnd in der Brandung, es waren neunundzwanzig Grad Celsius bei einer sanften Brise aus West-Südwest und einer Wellenhöhe von ein Meter fünfzig – bestes Badewetter. Kurz vor der kleinen Brücke in Løkken drehte Richard den Wagen in den Wind, sprang hinaus und schälte sich die Kleidung vom Leib.

      Als er dastand, wie Gott ihn schuf, und zum Spurt in das kühle Nass ansetzte, rief Freddy ihm gegen das Brausen der Brandung zu: »Was machst du da?«

      »Ich will baden.«

      Richard suchte den Strand mit den Augen ab. Im Osten nichts, im Westen nichts. Niemand war nackt. Auch nicht im Norden in den Dünen oder im Süden im Meer. Außer Kimberley, die sich peinlich berührt umgedreht hatte, und Angela, die den durchtrainierten Körper ihres Verlobten betrachtete, schauten ihn alle in Sichtweite befindlichen Menschen verständnislos an. Nicht, dass er je ein Freund der organisierten Freikörperkultur gewesen wäre, doch in Dänemark hatte sich nie jemand darum geschert, ob man nun im Adamskostüm oder in Badehose in die Nordsee sprang.

      »Und was ist dabei?«

      »Ich würde mich morgen nicht nackt auf Facebook wiederfinden wollen«, antworte Freddy.

      Kimberley hatte inzwischen Badehose und Strandlaken aus dem Berg von