Carsten Dohme

Forsetas


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der elegant geschwungenen Rotorblätter der Windkraftanlagen, die an Land lagerten, wirkte die Plattform wie ein Dinosaurier. Fisher musste sich seiner Sache ziemlich sicher sein, wenn er bereits jetzt die Anlagen fertigte, von denen man noch nicht einmal wusste, ob man einen sicheren Standort für sie gefunden hatte.

      Doch Richards Augen suchten etwas ganz anderes. Seine Familie. Und sie waren alle da. Seine Lebensgefährtin Angela, ihre Tochter Kimberley, ihr Sohn Ethan, seine Söhne Freddy und Jackson und ein riesiger Plüscheisbär, den Jackson bestimmt

      für ihn gekauft hatte.

      Nachdem sich alle um den Hals gefallen waren und Richard kaum mehr wusste, welcher Erzählung er folgen und welche

      Fragen er zuerst beantworten sollte, bekam erst einmal der Bär einen Namen: »Harry.«

      »Und Junior, was meinst du, wo fühlt sich Harry am wohlsten?«

      »Der soll ins Auto und immer auf dich aufpassen. Dann bist du nie allein.«

      Es kam, wie es kommen musste und Richard es bereits vorausgeahnt hatte.

      »Das ist die größte Stadt an der Westküste? Mein Gott ist die hässlich. Bleiben wir hier?« fragte Kimberley in abfälligem Ton.

      »Nein«, antwortete Richard. »Die Keldysh nimmt Ausrüstung an Bord und läuft die Küste hoch nach Thorsminde. Ich habe keine Lust mehr, auf dem Kahn zu hocken. Wir haben ein Ferienhaus gemietet, und da fahren wir mit dem Wagen hin.«

      »Guter Plan. Seit wann machst du Pläne?«

      Richard ging auf die kleine Stichelei von Kimberley erst gar nicht ein. Etwas anderes erregte seine Aufmerksamkeit. Und nicht nur seine.

      »Was ist das denn Feines?«, fragte Freddy.

      Richards Kollege Giuseppe hatte eine wahre Schönheit am Haken seines Ladekrans, etwas, dem keiner der anwesenden Herren hätte widerstehen können.

      »Oh shit!«, platzte es aus Kimberley heraus.

      »Du sagst es.« Richards Puls beschleunigte, und der Anblick dieses Objekts männlicher Begierde raubte ihm den Atem. Wie zum Sprung geduckt, schwebte sie auf einer Palette stehend hinab. Am Boden angekommen, sah der Lademeister Richard fragend an.

      »Nehmen Sie ihr die Fesseln ab.« Er beugte sich vor und strich sanft, ja fast liebevoll, den geschwungenen Kurven folgend, über Lack und Leder.

      »Hallo Süße.«

      »Bring sie zum Schreien«, rief Giuseppe aus dem Führerhaus des Krans. »Aber sei vorsichtig, die Dame gehört Fisher. Nichts kaputt machen!«

      Mit einer einfachen Drehung des Handgelenks entfachte Richard den Zündfunken und die scheinbar unbändige Leidenschaft von Eleanor. Sie brüllte, schüttelte das Wasser von ihrem makellosen Body und bäumte sich kurz auf. Ihm liefen kalte Schauer über den Rücken angesichts der Vibrationen, mit denen sie sich und ihre Umgebung einhüllte.

      »Was ist das?«, fragte einer der umherstehenden Männer.

      »Das, meine Herren, ist Eleanor. Die Konkurrenz«, sagte Kimberley. »Sie macht jeden Mann zu einem willenlosen Sklaven seiner Urtriebe und senkt die durchschnittliche Zeit bis zum Höhepunkt von vier Minuten auf dreißig Sekunden. Manche nennen es auch …«, sie sah ihren Stiefbruder an.

      »… einen Ford Mustang GT 500 Eleanor Super Snake mit einem V8 Shelby Vortech Supercharger, 725 PS«, vollendete Freddy den Satz. »Und sie schafft es in 4,2 Sekunden. Wenn Sie nach einem Fluggerät suchen und sich keinen eigenen Kampfjet leisten können, stellt dieser Wagen durchaus eine adäquate Alternative dar, schnell von A nach B zu kommen. Nicolas Cage hat’s bewiesen.«

      »Nicolas Cage?«

      »In Nur noch 60 Sekunden. Ich habe den Film mit Papa bestimmt zwanzigmal gesehen, und ich weiß bis heute nicht, wofür er sich letztendlich entscheiden würde. Für den Wagen oder für Angelina Jolie.«

      »Glaub mir, er würde den Wagen nehmen. Dafür sorgt Mom schon«, beantworte Kimberley die Frage für ihn. »Und du?«

      »Das Auto«, antwortete Freddy wie aus der Pistole geschossen.

      »Du bist vierzehn. Ich denke, du bist in der Pubertät.«

      »Das Auto«, beharrte Freddy. »Und du? Sollte man mit zwanzig nicht langsam mal einen Führerschein haben?«

      »Und unser Frauenschwarm?«, wandte sich Kimberley an Jackson.

      »Weiß nicht. Ich bin erst sechs, mache aber bald den Fahrradführerschein.«

      Angela war die Einzige, die keinen Kommentar abgab. Sie handelte, schritt mit laszivem Hüftschwung auf den Wagen zu und beugte sich zum Fenster hinab.

      »Na Cowboy, sind wir denn auch alt genug, diesen Mustang zu reiten?«

      »Oh mein Gott! Darf ich vorstellen, diese peinlichen Menschen sind meine Mutter und mein Stiefvater«, wandte sich Kimberley an den Lademeister.

      »Ich bin nur zu Besuch«, ergänzte Freddy.

      »Ja, gib’s ihr, Vater!«, schrie Jackson.

      Angela stieß sich vom Wagen ab und tänzelte wie ein Model auf dem Catwalk die Gangway hinauf.

      Als er die wundervolle und in absolutem Gleichklang stehende Bewegung des Einkuppelns und des massiven Drucks auf das Gaspedal kombinierte, preschte Eleanor los.

      »Giuseppe, einsamer Seemann, suchst du noch eine Braut für kalte Nächte auf See? Ich hätte da gerade etwas Zeit«, rief Angela dem gebürtigen Italiener zu.

      »Komm an Bord, süße Maus, der ist beschäftigt«.

      »Jungs, kommt mit. Wir holen ein Lasso, um den Daddy wieder einzufangen.«

      »Wer ist die junge Dame in eurer Mitte?«

      Angela sah das Aufblitzen in Giuseppes Augen. »Wie geht es deiner Frau?«

      »Was macht der Spinner da draußen wieder?«, rief Kapitän Hansen von der Brücke herunter. »Angela, ich denke, du hast dieses Spielkalb langsam mal zu einem erwachsenen Mann erzogen.« Hansen, ein kleiner, gedrungener Mann Mitte fünfzig mit Hinterkopfglatze und rotem Vollbart, nahm Angelas Hand und deutete einen Handkuss an.

      »Na wenigstens einer an Bord dieses Seelenverkäufers, der noch Manieren hat. Schön dich zu sehen, Michael.«

      »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite. Beim Klabautermann. Sind das die Jungs? Ihr habt aber einen Schuss gemacht.«

      Jackson verschwand sogleich hinter dem Steuerpult, magisch angezogen von den Hebeln, Monitoren und blinkenden Lichtern. Seine Finger zuckten bereits. Hansen packte ihn ohne Vorwarnung und schwang ihn auf den Sitz des Steuermanns.

      »Wollen wir wetten, dass wir das lauter können als der Papa. Drück da mal drauf.«

      Das Schiffshorn übertönte spielend den heulenden Motor des Mustangs und erinnerte die Mannschaft an der Reling daran, wieder auf ihre Positionen zurückzukehren.

      Jackson zauberte dieses Geräusch ein Lächeln ins Gesicht, und ehe Hansen eingreifen konnte, versteifte sich sein rechter Zeigefinger nochmals auf dem Knopf. Jetzt sieht er genauso aus wie sein Vater, dachte Angela.

      »Danke übrigens, dass du mir deinen Mann zwischendurch mal ausleihst«, wandte sich Hansen ihr wieder zu.

      »Keine Ursache. Aber bitte pass ein wenig auf ihn auf. Ich hätte ihn diesmal gern in einem Stück zurück. Okay?«

      »Wir werden ihn nicht aus den Augen lassen«, ertönte ein sonorer Bass hinter ihr. Angela drehte sich um und sah Cunningham, der den gesamten Türrahmen ausfüllte.

      »Hast du den Kerl etwa von der Leine gelassen? Du solltest doch die Gebrauchsanweisung vorher lesen! Haben sie dir die denn in der Tierhandlung nicht mitgegeben?«

      »Paul, ich grüße dich. Es ist so schön, euch alle einmal wiederzusehen.

      « Angela