Carolin Frohmader

Die Zeitlinie


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dann stockte mir wirklich den Atem. Eh ich etwas weiteres sagen konnte, stürzte ich auf den überraschten Pit zu und riss seinen rechten Arm hoch. Seine Augen weiteten sich als er mich auf sich zu stürmen sah und sein Kiefer klappte auf, als er bemerkte, was ich gesehen hatte. Sein Handgelenk wurde von einer Aneinanderreihung winzig kleiner bläulicher leuchtender römischen Zahlen gesäumt. Wie ein enges Armband lag die Zahlenreihe auf Pits Haut und bestach durch die blaue Farbe und den leuchtenden Schimmer.

      Längst schon hatte ich es gewusst, noch eh ich meinen rechten Ärmel hoch krempelte und mir mein eigenes, mit blau leuchtenden Zahlen gesäumtes Handgelenk vor Augen führte. Immer wieder drehte und wendete ich meine Hand um alle Zahlen erkennen zu können, doch ich war mir nicht sicher was ich sah.

      MDCXIX VIII VII

      Es waren Zahlen. Wie die Zahlen auf den drei Ringen an dem Kästchen. Sogar die selbe Schrift bildete ich mir ein. Aber sie waren da. Ganz sicher waren sie da und sie leuchteten mich an.

      Pit hört auf auf sein Armband zu starren und begann zu versuchen es an der Hose abzuwischen. Wie zu erwarten färbte nichts auf seine Klamotten ab. Sein T-Shirt blieb weiss.

      «Es wird nicht abgehen», sagte ich trotz der Gewissheit, dass Pit dies bereits ahnen musste.

      «Woher kommt das?» Pits anfängliche Panik war zu gewöhnlicher Angst geschrumpft. Er betrachtete sein Armband und drehte seinen Arm hin und her.

      «Steht bei Dir das Selbe?», fragte er.

      «Gute Frage», sagte ich. Allerdings vermutete ich, dass die Zahlen identisch sein würden und ein direkter Vergleich bestätigte mich.

      «Ok, das ist nicht gut», sagte Pit und zeigte auf sein Armband. «Aber wo wir sind, wissen wir immer noch nicht. Mira wird mich um2bringen. Foltern. Das heißt drei Wochen keinen Sex. Mindestens.» Pit seufzte und ließ sich in Mitten der bunten Blumen nieder. Auffordernd sah er zu mir hoch, doch ich stand einfach nur da. Am liebsten hätte ich auch angefangen mir die Haare zu raufen oder wäre herum gerannt wie ein Tiger in seinem Gehege.

      «Du hättest es mir nicht nachmachen sollen», sagte ich und setzte mich neben Pit. Unwillkürlich begann ich Blumen und Gras zu rupfen.

      «Was sollte ich tun? Mein bester Freund löst sich quasi in Luft auf oder... oder wird von ihr aufgesaugt oder... verdammt! Ich weiß immer noch nicht genau was ich gesehen habe. Was hast Du gesehen?»

      «Im Prinzip das Selbe, nur dass Du aus dem Licht gekommen bist», bestätigte ich ihm.

      «Verrückt. Linus, das ist doch verrückt.»

      Sein Blick schien mich zu durchbohren.

      «Und wir haben nicht mal was geraucht.» Pit sprang auf und tigerte statt meiner selbst herum.

      «Das wollte ich zwar, ich hab das Gras noch. In der Dose, oben recht im Küchenschrank und da steht die immer noch. Wir haben die gestern nicht angefasst.»

      «Das weiss ich.»

      «Aber wenn das hier kein irrer Trip ist... was dann?»

      Anstatt zu antworten schüttelte ich nur den Kopf.

      «Vielleicht gehen wir mal ein Stück. Da rüber? Oder da? Mal sehen, was da noch kommt», sagte Pit und lief los. Ziemlich schnell und ohne Schuhe. Ich seufzte und setzte ich mich hin.

      «Ich denke wir sollten hier bleiben», rief ich ihm nach.

      Pit blieb stehen und hob fragend die Arme.

      «Also... ich kann nicht genau sagen warum, aber ich denke wirklich, wir sollten hier bleiben. Und zwar genau hier.»

      So genau wie möglich setzte ich mich auf die bereits platt gedrückten Blumen, auf jenen ich zuvor bereits gesessen hatte. Dann zeigte ich auf die Stelle, an der Pit aufgetaucht war. Er protestierte nicht, kam zurück und setzte sich auf seinen Platz, keine zwei Meter von mir entfernt.

      «Die hier,» sagte ich und hielt mein römisches Armband hoch, «Die kamen mit dem blauen Licht. Also das ganze hier kann nicht ewig andauern und wenn die hier wieder verschwinden, dann wäre es ja möglich, dass es uns wieder in Deine Küche zurück bringt.»

      «Deine Theorie mein Freund. Aber haben wir eine Wahl?»

      Noch einmal sah ich mich um und konnte auch in der Ferne kein Anzeichen von Zivilisation entdecken.

      «Nein.»

      Die Sonne wanderte ein Stück gegen Mittag. Unser Mägen hatten verdächtig lange gewartet, eh sie uns mit Knurren und Gluckern daran erinnerten, dass es kein Frühstück gegeben hatte.

      Für gewöhnlich bekam Pit schlechte Laune wenn er Hunger hatte, oder wenn er hungrig werden könnte. Dass er jedoch regungslos dasaß und schwieg,

      machte mich nur umso nachdenklicher. Als hatte ich in Mitten von schönster Hocheifel Natur, ohne weitere Menschen weit und breit auch nur Ansatzweise etwas anderes zu tun, als nachzudenken, zu warten und zu hoffen, dass ich recht behielt. Das unser «Zustand» nicht ewig anhielt und dass wir mit ein wenig Glück bald wieder zu Hause waren.

      Meine Gedanken um die Ereignisse der letzten Stunden, hatte ich mehrfach neu formuliert und sortiert, sie in meinem Kopf wie Puzzleteile herum geschoben um einen Platz zu finden, wo sie hin passten. Ohne rechten Erfolg.

      «Diese dämliche Vase!», war das einzige was Pit hin und wieder brummend von sich hab.

      Und leider hatte er wohl recht. Irgendwie musste das Kästchen es verursacht haben, immerhin hatten wir beide unsere Hände bis zum Anschlag reingesteckt und diese Kugel angefasst. Und die Ringe an der Öffnung, die römischen Ziffern unserer eingravierten Armbänder.

      Irgendwas sagte mir, dass diese drei Teile, in genau dieser Reihenfolge, ganz hervorragend aneinander passten. Eine Aneinanderreihung noch nie dagewesener Ereignisse und schon saßen wir in Unterwäsche auf einer grünen Wiese. Pardon, auf einer Blumenwiese.

      Doch ein simpler Stromschlag war nicht genug gewesen um zwei Mal nacheinander exakt das Selbe passieren zu lassen. Bei einmal, aber Pit konnte es mir gleichtun und saß nun stumm neben mir. Rubbelte nur ab und zu an seinen blauen Zahlen.

      Nur einmal, hatte Zufall sein können, aber zweimal, wäre wohl ein zu großer Zufall um es noch Zufall nennen zu können. Eher war ich mir sicher, dass es wieder passieren könnte und ich hoffte inständig, dass nicht gleich auch noch Miranda hier auftauchen würde.

      Nach den gefühlten zehn Stunden die wir bis dahin im Gras gehockt hatten, musste sie schon eine Stinkwut auf uns haben, weil wir einfach verschwunden waren, oder zumindest auf Pit. Er hat mir jetzt schon leid. Vielleicht würde sie sich gegen Abend aber auch Sorgen machen und ihr Wut würde abebben.

      Allmählich schlichen sich auch Zweifel bei mir ein. Hatte ich wirklich Recht damit gehabt einfach sitzen zu bleiben, oder vielleicht wartete hinter der nächsten Baumreihe eine Straße, der wir hätten folgen können. Pit hatte nicht an mir gezweifelt also beschloss ich weiter zu warten und etwas weniger zu grübeln.

      Als ich das nächste Mal auf mein Armband sah, konnte ich es sehen, denn es war deutlich und ich musste überlegen ob es mir nicht schon vorher hatte auffallen können. Der blaue Schimmer, das Leuchten, die Intensität: Sie nahm ab.

      Unsere beider Armbänder schwanden allmählich. Es würde bald vorbei sein hoffte ich. Vorbei. So oder so.

      Pit atmete nur einmal erleichtert auf, starrte dann wieder nur geradeaus. Dieser Anblick machte mich fast wahnsinnig. Also beschloss ich eine andere Taktik zu versuchen, immerhin war es nur noch eine Frage der Zeit bis wir erlöst wurden.

      «Wo hast du sie eigentlich gefunden?», fragte ich ihn und hatte damit bereits seine volle Aufmerksamkeit.

      «Die Vase?», fragte er noch rhetorisch eh er zu einem weiteren langen Seufzer ansetzte. « Ich bin nur rüber weil ich dachte, dass da noch Lebensmittel sein könnten. Und wenn die schlecht werden, wärs eklig geworden. Die wollte ich vorher wegschmeißen. Zum aufräumen wäre ja eh kein anderer gekommen», führte er fort.

      «Wohin