Manfred Lafrentz

Der Weg des Vagabunden


Скачать книгу

wolltest doch mitkommen, oder?“, fragte ich.

      „Ja“, sagte sie unglücklich.

      „Oder willst du wieder zurück?“

      „Nein“, sagte sie unglücklich.

      „Na also“, sagte ich zufrieden. „In dieser Art von Geschäften ist es nicht angebracht, den Verdienst durch überflüssige Skrupel aufs Spiel zu setzen.“

      Sie sagte nichts mehr, und erleichtert schritt ich herzhaft aus.

      Die Landschaft änderte sich endlich. Wir kamen an bestellten Feldern vorbei, Heuhaufen lagen knisternd in der Sonne und alles deutete darauf hin, dass wir in den Tälern zwischen den Hügeln bald auf Ansiedlungen stoßen würden.

      Es war um die Mittagszeit, Schwalben flogen hoch am Himmel und das Wetter war schön, als wir auf eine staubige Straße stießen, die von Süden kam und tatsächlich zu einem Dorf führte.

      „Ja!“, rief ich aus vollem Herzen. „Nach vielen Tagen und Nächten in der Einsamkeit der Wildnis dürfen wir nun die Segnungen des Fortschritts zu den Bewohnern dieser Einöde bringen, auf dass dankbare Gesichter zu uns aufschauen mögen!“ Ich wandte mich Eluîna zu, um zu überprüfen, ob sie meine Rührung teilte. Sie sah mich zweifelnd an.

      „Also, du weißt, was zu tun ist“, sagte ich forsch zu ihr.

      Sie nickte bekümmert.

      Es war ein hübsches Dorf, um eine kleine Burg herum gebaut, die, so dachte ich, wohl vom Herrn dieser Ländereien bewohnt wurde. Sehr vielversprechend, dachte ich weiterhin.

      Wir hatten kaum den Rand des Dorfes und ein, zwei Häuschen passiert, als zwei Gestalten schnellen Schrittes auf uns zu kamen. Sonderbarerweise waren keine anderen Leute zu sehen, nur gelegentlich meinte ich, das eine oder andere Gesicht vorsichtig aus Fenstern herausspähen zu sehen. Aber sie verschwanden sofort wieder, sodass ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt etwas gesehen hatte.

      Eine der Gestalten war eine hochgewachsene Frau mit dunklen Haaren. Sie war sehr hübsch, was man von dem vierschrötigen Kerl neben ihr nicht behaupten konnte. Er trug eine bedrohlich aussehende Axt über der Schulter und sah ziemlich kriegerisch aus.

      Trotzdem hob ich leutselig einen Arm zum Gruß und rief freundlich: „Seid gegrüßt, schöne Dame und edler Herr! Ich bin sicher, unser Aufenthalt in Eurem bezaubernden Dorf wird für Euch und für uns eine erfreuliche und lohnende …“

      „Du verlässt sofort unser Dorf!“, unterbrach mich die Dame barsch. „Solche Vagabunden wie dich lassen wir hier schon lange nicht mehr rein. Deshalb hat hier auch niemand Haarausfall oder Pusteln.“

      Empört wollte ich gegen diese Ungerechtigkeit aufbegehren, aber als der Mann anfing zu grinsen und mit den Fingern zärtlich über die Schneide seiner Axt strich, setzte ich eine gekränkte Miene auf und entschied mich für einen taktischen Rückzug.

      „Die Elfe kann mit uns kommen“, sagte die Dame.

      Eluîna zuckte die Achseln. „Vielleicht kann ich sie freundlicher stimmen“, sagte sie und folgte der unhöflichen Frau, während ich mich unter den finsteren Blicken des Mannes zum Ausgang des Dorfes zurückzog. Dort setzte ich mich etwas abseits von der Straße unter eine Buche und überlegte, ob ich meine Gefährtin aus den Klauen der ruchlosen Bestien, die dieses hässliche Dorf bevölkerten, befreien oder ob ich mich einfach aus dem Staub machen und sie ihrem – nicht unverdienten, denn wie konnte sie nur so vertrauensselig sein? – Schicksal überlassen sollte.

      So brütete ich lange Zeit verdrossen im Schatten der Buche, bis Eluîna schließlich wieder auftauchte und mir einen Napf mit Essen brachte.

      „Na, schönen Dank auch!“, knurrte ich. „Man lässt es sich wohl gutgehen bei den feinen Herrschaften, was? Während ich hier sitze und mir die fürchterlichsten Sorgen mache, was sie dir wohl antun mögen!“

      „Ach“, sagte sie, „sie sind eigentlich ganz nett.“

      „Soso, aha“, sagte ich bissig, war aber zu beschäftigt mit dem Kauen der mäßig delikaten Fleischspeise, um sie weiter auszufragen. Schließlich sprach sie von selbst.

      „Es könnte sein, dass sie einen Auftrag für uns haben.“

      „Was für einen Auftrag?“, fragte ich ungnädig.

      Es stellte sich heraus, dass die dunkelhaarige Dame die Herrin dieses Dorfes und einiger weiterer in dieser Gegend und den umliegenden Ländereien war.

      „Ihr sind beunruhigende Berichte zugetragen worden“, erzählte Eluîna. „Von einem grausamen Krieger, der hier in der Gegend sein Unwesen treiben soll. Einige Bauern haben ihn gesichtet und sind um ihr Leben gelaufen.“

      „Wie lautet der Auftrag?“

      Sie zögerte. „Nun, wir sollen ihn vertreiben, glaube ich.“

      „Ach so.“

      „Die Herrin sagte, es könne sich sehr für uns lohnen.“

      „Wie sehr?“

      „Sie hat sehr viele Kästchen und Schatullen in ihrer Burg.“

      „Warum vertreiben sie den Krieger nicht selbst?“ Ich dachte an den Kerl mit der Axt.

      „Er soll sehr gefährlich sein.“

      „Ich verstehe.“

      Gerade als ich meine Mahlzeit beendet hatte, tauchten die Dame und ihr Axtmann wieder auf. Diesmal folgte ihnen eine Menge Leute, die aber am Dorfrand stehen blieb, während ihre Herrin sich nebst Leibwächter zu uns begab.

      „Nun, Vagabund“, sagte sie von oben herab, „hat dir deine Gefährtin von unserem Auftrag erzählt?“

      Ich sprang auf. „Das hat sie, verehrte Herrin, und ich kann Euch versichern, dass ich gut verstehen kann, warum Ihr Euch mit Eurem Auftrag an mich wendet. Denn natürlich bin ich in der Lage, mit einem solchen Unhold fertig zu werden.“

      Aufgeregtes Gemurmel erhob sich in der Menge.

      „Tatsächlich“, fuhr ich fort, „bin ich im Süden bekannt dafür, schon etlichen solcher gesetzlosen Rabauken schmerzhafte Lehren erteilt zu haben.“

      Die Dame zog die Brauen hoch. „Du erstaunst mich. Bist du sicher, dass du dir nicht zu viel zumutest?“

      Ihre Leute lachten.

      Ich hob den Kopf und blickte zum Himmel. „Wenn Ihr auf meine Dienste verzichten wollt, so sagt es frei heraus. Ein Abenteuer kann ich auch woanders finden, und eins ist mir so recht wie das andere.“

      Die Dame schaute sich nervös um, was mich sehr befriedigte.

      „Wenn du dir das wirklich zutraust“, sagte sie, „so gehe hin und scheuche das Unheil aus meinem Land. Es soll dein Schaden nicht sein.“

      Die Menge murmelte beifällig.

      „Nun denn“, sagte ich und legte die Hände bescheiden aneinander, „so sagt mir bitte, wo genau sich dieser Schuft, der Euch so lästig fällt, befindet.“

      „Zuletzt wurde er südöstlich des Dorfes gesehen, in einem kleinen Wald, der jenseits unserer Weizenfelder liegt. Seitdem hat sich niemand mehr dorthin getraut. Gerade jetzt, wo die Ernte ansteht, ist das eine sehr unangenehme Situation, wie du dir denken kannst.“

      „Natürlich, natürlich“, sagte ich beflissen. „Seid versichert, dass wir sofort aufbrechen werden, um dieser misslichen Lage ein Ende zu bereiten.“ Ich schenkte ihr ein Lächeln. „Es wäre für uns allerdings ein schöner Beweis Eurer Zuversicht bezüglich unserer Fähigkeiten, wenn Ihr uns eine kleine Anzahlung auf Eure Dankbarkeit gewähren wolltet. Damit könntet Ihr auch die Ernsthaftigkeit Eures Auftrags untermauern.“

      Sie überlegte lange. Schließlich flüsterte sie ihrem Leibwächter etwas ins Ohr. Er schien das sehr unwillig aufzunehmen, zog aber dann doch einen kleinen Beutel aus einer Tasche seines Wamses und warf ihn mir zu, wobei das