Solveig Kern

Brautwerbung


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seinen wertvollen Arsch gerettet haben, vergisst er uns einfach hier auf den Klippen!“

      Feren zuckte die Schultern: „Es war höchste Zeit, ihm den Rücken zu kehren. Ich wollte schon länger weg. Hatte mich bei Condir Warden beworben.“

      „Ich habe nie verstanden, weshalb Warden von Tolego Dich zurückwies.“

      „Ich war wohl nicht gut genug für seine Truppe.“ Feren machte eine verächtliche Geste: „Sie haben nie etwas für mich getan. Nie wieder frage ich den Clan um Erlaubnis. Das war ein Fehler.“

      Segur lachte: „Letztendlich war es Dein Glück. Hätte Condir Warden Dich akzeptiert, wärest Du genauso tot wie er.“

      „Ich bin froh, dass die Zeit mit Pado vorüber ist. Ich konnte ihn nicht mehr ertragen. Früher oder später hätte ich ihn für die Demütigungen zur Rechenschaft gezogen!“

      „Wie Du mit Hanok abgerechnet hast?“

      „Wer behauptet, dass ich das getan habe?“ sagte Feren mit ungewöhnlicher Schärfe.

      Segur ruderte sofort zurück: „Niemand. Nach den Regeln des Netzwerkes wissen immer nur der Auftraggeber und der, der den Auftrag ausgeführt hat, Bescheid. Beide sind verpflichtet, auf alle Zeiten zu schweigen.“

      „So muss es sein.“

      Sie schwiegen eine Weile. Dann wechselte Segur das Thema: „Clanchef Torren hat allen Männern angeboten, nach Tolego zurückzukehren. Er gibt jedem, der endgültig abmustert, einen Batzen Gold für die Gründung einer zivilen Existenz. Ein Teil meiner Männer wird dieses Angebot annehmen. Sie sind lange genug im Felde gewesen, sie haben die Nase voll. Manche von ihnen freuen sich richtig auf daheim.“

      „Ein Teil“, wiederholte Feren. „Und der Rest?“

      „Für die, die nicht heimkehren wollen, hat Fürst Torren ein Engagement an der Nordgrenze ausgehandelt. Das hat allerdings einen Haken. Der Oberbefehlshaber könnte Hanok heißen.“

      „Hanok.“ Mehr sagte Feren dazu nicht. In dem einen Wort lag alles, was er über die Situation dachte.

      „Ich verstehe es auch nicht. Er war völlig erledigt. Schwer verwundet, degradiert, gedemütigt, vor ein Kriegstribunal gestellt. Jeder hätte gedacht, das ist sein Ende. Doch er hat sich wieder hochgekämpft. Bodir sagte, er hätte es nicht geglaubt, wenn es nicht direkt vor seinen Augen geschehen wäre. Hanok rang verbissen um jeden Fußbreit Boden. Jetzt reist er an der Seite des Königs und leitet für diesen kommissarisch die Reichstruppen. Zwar wurde ihm das Kommando nicht formell übertragen, aber Bodir hält es für möglich, dass es noch geschieht.“

      „Wenn Hanok etwas will, dann kriegt er es.“ Feren lachte bitter: „Wir wissen nicht wohin - er schwimmt wieder oben. Es gibt keine Gerechtigkeit.“

      „Nein, die gibt es nicht“, bestätigte Segur. „Während wir hier sitzen und auf die Ablösung warten, haben die anderen alle Posten verteilt. Man sagt, in Tolego hätte nach Wardens Tod nun Torrens Enkel Nôrden das Sagen. Jedenfalls gehören alle Kameraden, die gute Posten bei der Reichstruppe bekommen, zum Kreis seiner Getreuen.“

      „Kenne ihn kaum. War wohl zu selten daheim“, konstatierte Feren.

      „Es soll ein unangenehmer Bursche sein. War früher bei König Curons Garde. Mit ihm ist nicht gut Kirschen essen“, wusste Segur

      „Egal. Unter Hanok hätte ich ohnedies nicht gedient.“

      Segur lachte heiser: „Ich auch nicht. Und meine Leute genauso wenig. Aber was sollen wir tun? Ich fühle mich noch zu jung, um Olivenbäume zu züchten. Vielleicht sollten wir nach Sevas gehen und abwarten, wie sich die Sache entwickelt?“

      Feren überlegte. Lange sagte er überhaupt nichts. Segur wartete geduldig. Der Freund nahm sich Zeit, um eine Sache gründlich zu durchdenken. Dann war Feren zu einer Entscheidung gekommen: „Sevas bringt nichts.“

      Segur sah das anders: „Wieso? Die Tolegos werden entweder Sevas oder Burg Amrun als Lehen erhalten. Was spricht dagegen, dass Mehan vorläufig mit den Kindern in Sevas bleibt?“

      „Sie sind dort nicht sicher. Stell Dir vor, Hanok kümmert sich beim Umzug um den Geleitschutz. Ich werde ihm meinen Sohn kein zweites Mal ausliefern!“ Feren sah Segur direkt an: „Was willst Du auf einer Burg? Steine bewachen?“

      „Manches Mal denke ich, Steine bewachen ist nicht so schlecht. Jeden Abend in einem warmen Bett schlafen – wir werden nicht jünger, Feren. Mehan würde es schätzen...“

      Feren schüttelte unwillig den Kopf: „Unsinn. Hier im Süden gibt es nichts mehr zu tun! Wir werden eine neue Truppe finden. Eine, in der Hanok nicht die Finger drinnen hat!“

      „Und wo willst Du die finden?“ fragte Segur neugierig.

      „Wir gehen zum König. Wenn es noch gute Kommandos gibt, dann dort!“

      Segur lachte erleichtert auf: „Du hast völlig recht! Wir reiten mit unserer gesamten Truppe nach Mandrilar. Zur Krönung werden alle maßgeblichen Leute in der Hauptstadt sein. Es wäre gelacht, wenn uns keiner haben wollte!“

      In der letzten Nacht vor seiner Abreise fand Mauro keinen Schlaf. Zu viele Dinge gingen ihm im Kopf herum. Bereits getroffene Entscheidungen, über die er nachgrübelte und bevorstehende, für die er noch keine Lösung hatte. Es gab so viel zu bedenken, dass es ihm gar nicht so schwer fiel, Sigrun aus seinem Bewusstsein zu verbannen. Erleichtert stellte er fest, dass er in den letzten Tagen kaum noch an sie gedacht hatte.

      „Ihr seid müde und könnt nicht schlafen, mein Herr“, sagte Zeldis und strich ihm sanft über die Brust. „Soll ich Euch einen Schlaftrunk bereiten?“

      „Lasst nur. So vieles ist in der letzten Zeit geschehen. Ich muss das alles erst einmal verdauen.“

      „Ihr habt unendlich viel geleistet“, schmeichelte die Konkubine.

      „Das ist es nicht einmal so sehr. Das ganze letzte Jahr fühlte ich mich gehetzt, machtlos ausgeliefert dem Rad des Schicksals. Seit einiger Zeit jedoch besitze ich eine Ruhe und Klarheit, wie ich sie davor nicht kannte. Beinahe fühlt es sich an, als wäre ich von einem Getriebenen zu einem Handelnden geworden.“

      Zeldis wusste, was er meinte. Sie hatte die Veränderung miterlebt. Er war durch die Tiefen des Schmerzes hindurch getaucht und auf der anderen Seite gestärkt herausgekommen. Nun verfügte er über eine innere Kraft und eine Distanz zu den Dingen, die ihn in die Lage versetzte, viel klarer zu sehen und sicherer zu entscheiden. „Manchmal braucht es großen Schmerz, um eine notwendige Veränderung anzustoßen.“

      „Der Feuergott hat das größte Opfer von mir verlangt, dass ein Mensch bringen kann: meine Liebe. Es scheint, als musste ich sie opfern, um zu dem zu werden, was ich sein soll: ein unabhängiger König, nur dem Wohl des Landes verpflichtet.“

      "Was ist ein König, der nicht liebt?“

      „Vielleicht fordert das Land meine gesamte Liebesfähigkeit, so dass daneben für eine Geliebte kein Platz mehr ist?“

      „Mir mag es recht sein, solange Ihr die Dienste Eurer Konkubine schätzt. Ich begleite Euch gerne nach Mandrilar, wenn Ihr es mir gestattet."

      Mauro schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, Zeldis ständig an seiner Seite zu haben. Die Lücke, die Sigrun hinterlassen hatte, vermochte sie nicht zu füllen. Auch konnte er sie in Mandrilar nicht gebrauchen, denn dort erwartete ihn Yerion. So wies er ihr Ansinnen zurück: „Nein, das möchte ich nicht. Ihr gehört hierher, auf diese Burg. Wollt Ihr hier auf mich warten, bis ich wiederkehre?“

      Am nächsten Morgen rief Mauro alle anwesenden Fürsten und Heerführer ein letztes Mal zusammen und ernannte feierlich Uluk von Xalmeida zum Condir der Südtruppen. Das war allgemein erwartet worden, denn nach Hanoks Scheitern gab es keinen anderen Anwärter auf dieses Amt. Die Anwesenden spendeten wohlwollend Beifall. Uluk hatte sich die Beförderung redlich verdient.

      Mauro