Solveig Kern

Brautwerbung


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sind es zu wenige. Außerdem müsst Ihr ein Spionagenetz aufbauen, das Euch frühzeitig über feindliche Truppenbewegungen im Feindesland informiert. Eure Leute wissen nicht, worauf sie achten sollen. Dafür braucht Ihr Krieger mit Grenzerfahrung. Habe ich Recht?“

      „Ich habe schon einige von Pados Leuten herübergeholt. Mir fehlen bloß die Hauptleute.“

      „Ist es nicht eher so, dass Ihr mehr Leute braucht, der König sie aber nicht bezahlen will?“

      Hanok zögerte mit der Antwort. Torren hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Hanok und Alagos befürworteten mehr Krieger, doch Mauro gewährte ihnen nicht mehr Mittel.

      Torren nahm das Zögern als Bestätigung und fuhr fort: „Ich habe verstanden. Wie wäre das, wenn ich Euch mehr Krieger zur Verfügung stelle, die ich aus meiner Schatulle bezahle?“

      Hanok schluckte. Natürlich war das ein attraktives Angebot, aber durfte er es annehmen?

      „Was spricht dagegen, dass ich das tue?“ nahm Torren seine Frage vorweg.

      „Grundsätzlich nichts...“ erwiderte Hanok zögerlich.

      „Gut, dann sind wir uns handelseinig. Ihr bekommt von mir nicht nur die Hauptleute, sondern auch mehr Krieger. Dafür geht das Kommando in Moringart an einen Togwed aus meinem Clan.“

      „Ich hatte schon einen meiner Leute für diesen Posten vorgesehen….“

      „Kein Problem, Euer Mann macht den Stellvertreter. Ein kleines Opfer für eine Verstärkung, die Euch sonst nichts kostet.“

      Ähnlich verfuhr Torren mit der geplanten Garnison südlich von Torgart, die innerhalb der Provinz Tolego lag. Dort wollte er unbedingt seine Finger drinnen haben. Torren war mit dem gewählten Standort nicht einverstanden. „Sehen wir uns gemeinsam an, wo diese Garnison sitzen muss, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Ich brauche eine bessere Karte, die hier taugt nichts.“ Torren blickte um sich und sah unter einem Stapel eine weitere Landkarte liegen.

      Torren schien zu ahnen, dass er genau diese Karte nicht sehen sollte. Mauro hatte hastig andere Dinge darüber geschlichtet, um sie zu verbergen. Nun griff Torren zielstrebig zu: „Ah, da ist ja eine, die auch Provinzgrenzen zeigt.“

      Der Fürst warf einen interessierten Blick auf die Karte. Sofort erkannte er, welchen Schatz er in Händen hielt: den Entwurf für die Vergabe der Lehen. „Das erinnert mich daran, dass die Lehensfrage ja noch offen ist“, meinte er mit einem verschmitzten Lächeln. Dann wurde er ernst und zog seine Schlussfolgerungen aus dem Gesehenen: „Bis die Entscheidung gefallen ist, bewirtschaften die Tolegos die Burg Sevas.“ Als er das sagte, sah er Hanok durchdringend an. „Im Übrigen sollten die Familien unserer Krieger die Freiheit haben, auf jeder Burg ihrer Wahl in Frieden und Sicherheit zu wohnen. So, wie es in Furukiya immer schon Brauch war.“

      Das klang wie eine Warnung. Mauro verstand nicht, was Torren damit sagen wollte. Hanok hingegen wusste wohl, was ihm der greise Fürst übel nahm: dass er in Mauros erstem Herrschaftsjahr die Tolego-Burg Amrun widerrechtlich besetzt und ihre Bewohner in Geiselhaft genommen hatte.

      Schließlich einigte man sich über den Standort der zweiten Garnison, für die die Tolegos den stellvertretenden Togwed und ein paar zusätzliche Leute stellen würden. Hanok wollte wissen, ab wann er mit den Leuten rechnen konnte.

      „Die Leute aus Pados Truppe kommen erst einmal nach Hause. Sie müssen ihren Wehrsold erhalten und ihre Ausstattung instandsetzen. Danach bemannen wir den Standort Moringart. Ihr könnt Eure überzähligen Leute sofort an die Schweinefurth schicken. Die Nordgrenze ist lang, Ihr braucht da oben jeden Mann!“

      Hanok überlegte verzweifelt, wie er sich am klügsten verhalten sollte. Der greise Fürst hatte Recht, aber was würde Mauro dazu sagen, wenn er ihm beipflichtete? Hanok wusste schließlich, dass die beiden nicht gerade ein Herz und eine Seele waren.

      „Seid Ihr einverstanden?“ drängte Fürst Torren.

      Mauro, der Hanoks inneren Kampf amüsiert beobachtete, sagte ganz gelassen: „Ihr wolltet doch mehr Leute haben, Togwed Hanok. Willigt ein, wenn der Vorschlag des Fürsten Sinn macht!“ Letztendlich war es einerlei, ob Hanoks oder Torrens Leute in Moringart vor seiner Haustüre saßen. Er ärgerte sich bereits, dass er überhaupt fremde Truppen dort genehmigt hatte.

      „Eure Vorschläge machen Sinn“, sagte Hanok laut zu Fürst Torren. „Ich bin einverstanden und danke Euch für Eure Unterstützung.“

      Ein verschmitztes Lächeln blitzte in Fürst Torrens Augen auf. Er hatte Mauros telepathische Anweisung mitbekommen. „Togwed Hanok, Ihr seid ein verständiger Mann. Ich freue mich, dass wir so rasch handelseinig wurden. Das Arrangement ist, denke ich, zur beiderseitigen Zufriedenheit. Wir werden bestimmt gut zusammenarbeiten.“

      Zu Mauro sagte Torren: „Ich danke Euch für Eure Geduld, mein Herr und König. Solch unmaßgebliche Details wie die Rekrutierung von Kriegern für die Reichstruppe könnt Ihr Euren Untergebenen überlassen. Wir regeln das für Euch. Über das da“, Torren zeigte mit dem Finger auf Burg Amrun, „sprechen wir beide unter vier Augen.“

      Torren verneigte sich höflich und verschwand.

      Mauro sah ihm mit einem Kopfschütteln nach: „Was wollte er damit sagen, dass die Tolegos Sevas bewirtschaften? Will er jetzt nicht mehr Burg Amrun haben?“

      Hanok bekam einen roten Kopf. „Das war eine Warnung: wenn Fürst Leor Amrun ausplündert, hält Torren sich in Sevas schadlos.“ Zu Torrens Anspielung auf die Gefangennahme der Tolego-Frauen auf Burg Amrun schwieg er wohlweislich.

      „Aha. Er weiß also, was ich vorhabe.“

      „Davon könnt Ihr ausgehen.“ Nun wusste auch Hanok, was Mauro mit Fürst Leor ausgehandelt hatte. Bitter vermerkte er, dass Sevas ihm zugedacht gewesen wäre, denn das Lehen war der Lohn für den Feldherrn. Wäre er nicht in diesen dummen Hinterhalt auf den Distelfeldern geraten...

      „Warum wollte er uns freiwillig seine Krieger geben?“

      „Das Fürstentum hat eine lange militärische Tradition, es hat immer schon Krieger exportiert. Durch die Auflösung von Pados Truppe kehren zu viele mit einem Schlag heim und fragen nach Arbeit. Fürst Torren muss seine Leute versorgen. Gold besitzt er genug, doch keine lohnenden Aufgaben. Seine Provinz hat keine Außengrenzen, an die er seine Truppen stellen könnte, wie die anderen betroffenen Fürsten. Darum dient er sie uns an.“

      „Ich verstehe. Er fängt zwei Fliegen mit einer Hand. Seine Krieger sind versorgt und er gewinnt an Einfluss. Respekt“, sagte Mauro bewundernd. „Er ist verdammt schlau vorgegangen. Beinahe könnte man sagen, er hat mich überrumpelt. Über weite Strecken wusste ich überhaupt nicht, was er will.“

      Während er so über den alten Zauberer sprach, fiel ihm auf, dass ihn dessen Gegenwart diesmal überhaupt nicht in Panik versetzt hatte. War das bereits die Folge der Entscheidung über seinen eigenen Clan? In jedem Fall war es ein großer Schritt zur Unabhängigkeit. Mauro fühlte sich erleichtert. Fürst Torren war ihm zwar haushoch überlegen, doch er war auf dem besten Wege, von einer Bedrohung zu einer Herausforderung zu werden.

      Etliche Tagreisen weiter südwestlich saßen Feren und Segur auf der Festungsmauer von Gralta. Tief unter ihnen schäumte das Meer tosend gegen die Klippen. Über ihnen strahlte ein wolkenlos blauer Himmel, und die Sonne strahlte mit ganzer Kraft. Doch die beiden Tolegos interessierte weder der Blütenduft, der sie umgab, noch die unbeschreibliche Aussicht auf die Meerenge vor ihnen. Sie trugen akribisch Informationsfetzen zusammen, die sie in den letzten Tagen auf telepathischem Wege erhalten hatten.

      „Die Entsatztruppen müssen bald da sein“, sagte Segur. „Morgen oder spätestens übermorgen sind wir fort von hier. Ich habe diese Klippen satt. Der Seewind macht mich krank. Es wird höchste Zeit, hier zu verschwinden.“

      „Ich fand es gut hier.“

      „Ich weiß, Du hast die Zeit zum Trainieren genutzt. Bist wieder ein Stück besser geworden.“