Solveig Kern

Brautwerbung


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Doch tief im Inneren fühlte er sich abgeschoben. Pado hatte begriffen, dass der König ihn weder als Leibwächter noch als Kommandanten seiner neu geschaffenen königlichen Garde haben wollte. So nährte er seinen stillen Groll und nahm die Auflösung seiner Eliteeinheit widerspruchslos hin. Der König würde schon merken, wie dumm es war, die beste Truppe des Landes zu zerschlagen.

      Einige Zeit später präsentierte Hanok vor den versammelten Fürsten und Togweds sein Konzept für die Reichstruppe, die die Handelswege sichern sollte: „Wir richten fünf Garnisonen à 3.000 Mann als Ausgangspunkte für unsere Arbeit ein. Mandrilar, Passar und Gralta.“ Er zeigte auf einer Karte, wo er wie viel Mann stationieren wollte. „Die Festung Gralta wird von der Reichstruppe und nicht von der mandrilanischen Stadtwache bemannt. Wir konnten den König überzeugen. Südlich von Torgart errichten wir einen neuen vierten Standort“, erklärte er. „Nach zähem Ringen haben wir uns auf die Stationierung einer fünften Einheit im Nadhras verständigt.“

      Tuagh knirschte mit den Zähnen. Er hatte diese Truppe nicht verhindern können.

      Hanok fuhr fort, zu beschreiben, wie die Reichstruppe funktionieren sollte und wie sie sich aus Zolleinnahmen und Wegegeld finanzieren würde. Er erklärte, welchen Nutzen die Fürsten davon hätten, Nachrichtenübermittlung und Sicherung der Transportwege in die Hände einer dem König direkt unterstehenden Einheit zu legen. Er verstand es, sich binnen kürzester Zeit in eine neue Aufgabe einzuarbeiten und Lösungen hervorzubringen. Darin war er allen anderen Heerführern überlegen. Die Fürsten honorierten es mit anerkennenden Worten.

      Zum Schluss sagte er: „Ihre Zustimmung zu Truppenstärke und Finanzierung vorausgesetzt bleiben etwa 5.000 Krieger übrig, die wir heimschicken müssen. Das ist keine kritische Größenordnung mehr.“

      Mauro studierte eingehend Hanoks Karten. „5.000 Krieger. Das ist nicht viel.“ Dann traf er eine, wie es auf den ersten Blick schien, spontane Entscheidung: „Wir behalten sie. Fangt noch einmal an, zu rechnen.“

      Hanok war überrascht: „An welche Aufgaben denkt Ihr?“

      „Sicherung der Nordgrenze, an der Schweinefurth.“

      Ein Raunen erfüllt den Saal. Hatte Mauro nicht eben erst zugestimmt, dass die Fürsten die Sicherung ihrer Grenzen in die eigenen Hände nehmen sollten? Jetzt gab es eine zusätzliche Grenzschutzeinheit an der Schweinefurth?

      Mauro fühlte sich zu einer Erklärung bemüßigt: „Der Rigländer hat meine Brautwerbung abgelehnt. Die Dame ist bereits einem anderen versprochen.“ Er machte eine kleine Pause. „Das ist Pech, ich habe zu lange gewartet. Es gibt noch andere Frauen“, spielte er seine Enttäuschung herunter. „Doch die Art und Weise, wie die Geschichte abgelaufen ist, zwingt mich zu einer Neubewertung der Situation. Die Rig-Almanen können nicht mehr als unsere Freunde gelten.“

      Hanok hatte Mühe, seine Freude zu verbergen: „Ich werde die Truppenverteilung neu berechnen. Auf jeden Fall kann ich meine Krieger beruhigen. Sie werden alle gebraucht.“

      Wenig später verkündete Hanok seinen Leuten die Entscheidung des Königs. Er war kein Narr, der seine Männer im Ungewissen ließ. Deshalb hatte er sie an der Entwicklung des Konzeptes beteiligt: „Der Plan ist durchgegangen wie vorgeschlagen. Macht Euch mit Euren Einheiten zum Aufbruch bereit. Eine kleine Änderung gibt es allerdings…“

      Die Männer sahen ihn erwartungsvoll an. Wo hatte der König Streichungen vorgenommen?

      Hanok kostete den Moment des Schweigens aus, ehe er sagte: „Wir bekommen einen zusätzlichen Standort an der Schweinefurth!“

      Die Männer äußerten lautstark ihre Zustimmung. „Der neue Standort an der Schweinefurth gehört mir“, rief begeistert ein stämmiger Almane, der schon viele Jahre mit Hanok ritt. „Ich möchte wieder einmal Lachse fischen!“

      Hanok nickte ihm gönnerhaft zu: „Wer anders sollte sich mit Hartmut von Bärenheim um die fettesten Lachse prügeln?“

      Die vergessenen Krieger

      Die Tage schritten voran. Die Togweds arbeiteten fieberhaft daran, ihre Truppenverbände gemäß der ihnen zugeordneten Aufgabe aufzustellen. Überall wurde gemustert.

      Bodir, der designierte Leiter der königlichen Garde, verhandelte unermüdlich. Er überzeugte die Fürsten, die 25 Gardisten für den König bevorzugt aus Pados Truppe zu rekrutieren. Damit sicherte er den ehemaligen Kameraden attraktive Posten und sich selber gute Arbeitsbedingungen.

      Als Bodir zu Eryndîr kam, fand er diesen untätig. „Ihr habt noch keinen einzigen Mann für die königliche Burg von Alicando rekrutiert?“ fragte er den Halbelfen erstaunt. „Soweit ich mich erinnere, braucht Ihr ziemlich viele…“

      „Etwa 400“, bestätigte Eryndîr. „Die Männer, die ich bis jetzt sah, entsprachen nicht meinen Vorstellungen.“

      „Was werdet Ihr tun?“ fragte Bodir. Der Zeitpunkt der Abreise nach Mandrilar rückte näher.

      „Nichts“, entgegnete Eryndîr. „Ich habe bei meiner Schutzgöttin 400 erstklassige Krieger bestellt. Ihr werdet sehen, ich erhalte sie rechtzeitig vor unserem Abmarsch.“

      „400 Krieger bestellen?“ fragte Bodir ungläubig. „Erwartet Ihr ernstlich, dass die Unsterblichen sich um solchen Kleinkram bemühen?“

      „Meine Schutzgöttin legt Wert darauf, dass ich meine Lebensmission erfülle. Doch sie verlangt nicht, dass ich es mir extra schwer mache. Ich habe mir für meinen Lebensplan sicher nicht vorgenommen, mich mit einem Haufen minder qualifizierter Kämpfer herumzuärgern. Das gehört nicht zu den zentralen Themen, die sich durch mein Leben ziehen. Darum darf ich hoffen, meine 400 erstklassigen Krieger rechtzeitig zu erhalten.“

      Bodir sah Eryndîr erstaunt an. Das tiefe Vertrauen, dass der Halbelfe in die göttliche Vorsehung setzte, beeindruckte ihn. Besser als Eryndîr wusste Bodir, dass dessen Hoffnung erfüllbar war.

      Pado arbeitete sich allmählich in die neue Aufgabe ein, führte eine Reihe von Gesprächen und machte sich mit Sprache und Sitten der Kojotim vertraut. Ihm erging es wie Sedh. Je länger er sich damit beschäftigte, je mehr begriff er, dass der Auftrag ihm auf den Leib geschrieben war.

      Endlich kam die Delegation der Kojotim. Sie segelten gegen die Strömung den Feuerfluss hinauf. Ihr König ließ sich nicht lumpen. Er brachte reichlich Geschenke. Mauro empfing die Kojotim mit gebührendem Pomp in der Stadt Alicando. Wieder trug er die Krone König Xirons, als er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Hauptplatz der Stadt den Kniefall des Herrschers der Kojotim entgegen nahm.

      Nachdem ihr König den Treueid geleistet hatte, übergab ihm Mauro die gefangen genommenen Kojotim, die nun heimkehren durften. Die Bürger Alicandos geleiteten den bunten Zug zum Hafen, wo stolze Schiffe mit bunten Segeln auf die Reisenden warteten.

      Pado machte sich bereit zur Einschiffung ins Land der Kojotim. Er sollte Mauros Statthalter werden. Damit waren neben dem hohen Status auch attraktive Handelsprivilegien verbunden. Als er an der Menschenmenge vorüber zog, sonnte er sich sichtlich in deren Begeisterung.

      Knapp vor Pados Abreise war der relativ große Truppenteil in Alicando eingetroffen, der mit ihm vor Ikenar gekämpft hatte. Während ihr Befehlshaber dem König erst nach Qatraz und später nach Knyssar folgte, versah der Rest der Truppe die unergiebige Aufgabe, entlang der Westgrenze zu patrouillieren, wo sie keine Feinde mehr zu Gesicht bekamen.

      Befehlsgemäß hatten die Krieger ihre Stützpunkte am rechten Ufer des Feuerflusses geräumt und standen nun mit ihren Familien am Kai. Natürlich hatte es in der letzten Zeit Gerüchte über eine Auflösung der Truppe gegeben, aber die meisten konnten sich nicht vorstellen, dass da etwas Wahres dran wäre. Die beste Einheit des Landes auflösen? Niemals!

      Pado hielt vom Schiff aus eine bewegende Ansprache, mit der er allen Kriegern dankte, die ihn über so viele erfolgreiche Jahre begleitet hatten. Er umriss mit wenigen Worten seine neue Aufgabe. Dann sprach er aus, was nur wenige glauben mochten: „Der König hat