Rainer Kilian

Regen am Nil


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Und er ist krank“, bemerkte Hatschepsut mit sorgenvollem Blick.

      „Ich habe davon gehört“, gab Senenmut zu. „Ist er der einzige männliche Thronfolger?“, wollte er wissen.

      „Meine Brüder sind alle ins Reich des Osiris gegangen. So ist er außer mir der einzige lebende Nachkomme der Götter. Es wird seine Aufgabe sein, die Maat zu hüten.“

      Senenmut spürte ihre Sorge.

      „Ägypten braucht eine starke Hand. Unsere Feinde werden jede Schwäche ausnutzen. Wir müssen zu den Göttern beten, dass sie Thutmosis beistehen, wenn er Pharao geworden ist.“

      „Du kennst meine Gedanken, Liebster. Ich hoffe auch, dass mein Vater noch lange Zeit Herrscher bleiben wird. Er hat bereits seit langer Zeit sein Per-Djed, sein Haus der Ewigkeit, bestellt und vorbereitet. Es ist alles bereit, nachdem er seinen Sohn zu seinem Thronfolger bestellt hat. Es war ein Zeichen an die Götter.“

      Senenmut strich ihr tröstend eine Träne aus dem Gesicht.

      „Du liebst deinen Vater sehr. Und du hast Angst, dass er dich zu früh verlässt.“

      Sie drückte ihr Gesicht an ihn. Sie umschlang seine Brust mit ihren Armen und ließ einen tiefen Seufzer los.

      „Ja, ich liebe ihn sehr. Er ist ein starker Pharao, aber er ist auch ein liebevoller Vater für mich. Er hat mich alles gelehrt, was ich weiß.“

      „Was wird einmal aus dir werden, wenn dein Halbbruder Pharao ist?“

      „Das wissen nur die Götter selbst. Es wird Sache des Pharaos sein zu entscheiden, was wird.“ Sie löste sich etwas von ihm und blickte ihm in die Augen. „Aber bevor es soweit ist, werden hoffentlich noch viele Schemu vergehen, und mein Vater wird noch oft die Sonnenscheibe des Ra schauen. Ich habe uns etwas zu essen bereiten lassen. Komm, folge mir.“

      Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinaus auf die breite Terrasse des Palastes. Im Schein der Fackeln war ein breiter Tisch zu sehen, der mit Speisen und Wein beladen war.

      „Setz dich!“, forderte sie ihn auf. Er setzte sich in den Stuhl und genoss die Aussicht. Der Nil war als dunkles Band zu sehen, in dem sich der Mond spiegelte. Einige Barken waren im fahlen Licht zu sehen. Einzelne Feuer der Bewohner von Theben hoben sich aus dem Dunkel der Nacht hervor. Auch am gegenüberliegenden Ufer waren Feuer zu sehen. Dort waren die Dörfer der Arbeiter zu finden, die an den Totentempeln arbeiteten. Hatschepsut nahm einen Kelch mit Wein und reichte ihn Senenmut. „Auf dein Wohl, Liebster. Mögen die Götter dir ein langes Leben schenken.“ Sie goss ein wenig des Weines auf den Boden, um den Göttern zu opfern. Senenmut tat ihr nach. „Und auf unsere Liebe!“, ergänzte er. „Möge sie ewig dauern. Ich werde immer für dich da sein.“ Sie beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn zärtlich. Dann nahm sie ebenfalls Platz und fütterte ihn mit einzelnen Weintrauben. Kichernd ließ sie es geschehen, dass er nach ihren Fingern schnappte. Sie füllte seinen Teller mit gebratenem Fleisch und frischem Gemüse. Begierig aß er auf, was sie ihm reichte. So vergaßen sie die Zeit und alle ihre Sorgen. Ein kühler Wind aus der Wüste vertrieb die Hitze des Tages. Irgendwann zogen sie sich in die Mauern des Palastes zurück, der die Wärme speicherte. Senenmut wollte gehen, aber sie hielt seine Hand fest. „Bleibe bei mir heute Nacht!“, bat sie ihn. Er zögerte, aber ihre Gegenwart beseitigte seine Zweifel. Er folgte ihr in das Innere ihrer Räume. Sie verschloss die großen Türen ihrer Gemächer mit einem Riegel. Dann fiel sie in seine Arme und gab sich seiner innigen Liebe hin. Sie löschten alle Lampen. Nur das Licht des Mondes drang noch durch die großen Fenster und beleuchtete die beiden Körper, die sich gegenseitig aus ihren Gewändern lösten und auf das freistehende Bett sanken. Chons, der Mondgott, sah ihre Liebe zueinander und lies sein Licht auf sie fallen. Sie hielten sich umklammert und bewegten sich im Klang einer Musik, die nur aus ihrer Liebe bestand. Tief in der Nacht sanken sie in den Schlaf. Sie bettete ihren Kopf in seine Armbeuge und sie hielten einander fest, als könne nichts außer den Göttern selbst sie trennen.

       Die Surfstation

      Die Sonne schien genau auf mein Gesicht und kitzelte mich wach. Ich lag ausgestreckt auf meinem Bett, meine Kleider hatte ich tatsächlich noch an. So tief hatte ich geschlafen, bzw. geträumt, dass ich es in der Nacht nicht bemerkt hatte. Normalerweise hätte ich die Klappläden geschlossen, aber der Schlaf hatte mich übermannt. Und so schien die volle Kraft der Sonne in den Raum. Es war viel zu warm zum Weiterschlafen hier drinnen, aber am Strand konnte ich mich weiter ausruhen. Hustend erhob ich mich, das inhalierte Nikotin der vergangenen Nacht würde meinen Jahresbedarf decken. Wahrscheinlich würde ich nie verstehen, warum sich das jemand freiwillig antut. Eine kurze Dusche, und die vergangene Nacht war abgeschüttelt. Die Terrasse des Hotels war noch menschenleer, außer dem Wirt war noch niemand zu sehen.

      „Iste poli noris! Sie sind sehr früh!“, begrüßte er mich und servierte mir frischen Kaffee. Jetzt erst blickte ich auf meine Uhr und glaubte meinen Augen nicht. Acht Uhr! Da hat man nun Urlaub und könnte ausschlafen, aber was ist statt dessen? Meine innere Uhr war wohl etwas durcheinandergeraten. Was soll's, ich wollte ja sowieso am Strand noch etwas schlafen. Nachdem ich mein Frühstücksangebot überblickte, wusste ich sicher, dass der Begriff „spartanisch“ griechischen Ursprung hatte. Es reicht halt zum Überleben.

      Ich trollte mich danach zum Strand. Freie Auswahl! Ich war wirklich der Erste am Strand, wenn man die abgelegten Schnapsleichen vor Nodas Bar abzog. Direkt vor der Surfstation pflanzte ich mich in den Sand. Ein leichter Wind kräuselte das Wasser, genau richtig für meine „Surfkünste“. Aber gewiss würde dort erst gegen Mittag jemand aufkreuzen. Vorerst begnügte ich mich damit, auf die Ellenbogen gestützt auf die kleine Bucht hinaus zu schauen. Erst schmal und verschwommen durch die flirrende Luft über dem Wasser, doch dann immer größer werdend, schob sich ein riesiger, großer Schatten durch die Einfahrt.

      Eine Fata Morgana, dachte ich zuerst, aber schnell stellte sie sich als ein Schiff der Kriegsmarine heraus. Zeitgleich erhob sich hektische Betriebsamkeit bei den Segelyachten im Hafen. Der Hafenmeister hatte alle Hände voll damit zu tun, Platz an der Mole zu schaffen, um die Fregatte festmachen zu können. Er riss manche Skipper aus dem letzten Schlaf, was sie fluchend kommentierten. Die meisten zogen es vor, gleich aus dem Hafen zu verschwinden, da sie sowieso weitergesegelt wären. So wurden hektisch Schiffsmotoren angeworfen, damit man rechtzeitig dem sich abzeichnenden Chaos entkam. Ein Skipper ließ die Schraube das Wasser peitschen, obwohl seine Frau noch am Ufer beschäftigt war, die Festmacher zu lösen. Mit einem beherzten Sprung gelang es ihr gerade noch, trockenen Fußes an Deck zu kommen. Schmunzelnd stellte ich mir vor, dass der enge Raum eines Seglers hervorragend dazu geeignet war, partnerschaftliche Diskussionen zu führen. Sie würden sich nach einem derart missglückten Hafenmanöver von selbst ergeben. Ich hoffte nur, dass sich die beiden bis zum nächsten Hafen wieder einig werden würden. Ach ja, die herrliche Segelromantik …

      Ein Rumoren hinter mir riss mich aus meinen Gedanken. Die Surfstation wurde geöffnet. Ich wartete noch einen Moment, um dem Betreiber die Gelegenheit zu geben, die Geräte bereit zu machen. Der Wind war noch etwas aufgefrischt. Bis die letzten Segler den Hafen verlassen hatten, blieb mein Blick am Horizont, danach erhob ich mich und ging auf den Betreiber zu.

      „Parakalo, thelo na ..., Bitte, ich möchte ...“

      „Du kannst deutsch mit mir sprechen!“, unterbrach er mich. „Noda hat mir von dir erzählt. Ich heiße Ralf.“

      „Und ich heiße Felix. Ich hoffe, Noda hat nur Gutes erzählt. Ich würde gerne ein Surfboard mieten.“

      Er musterte mich von oben bis unten. „Na ja, bei dem Wind wirst du es nicht bis Santorin schaffen. Ich gebe dir mal ein größeres Brett.“ Offensichtlich hatte er meine Surfkenntnisse treffsicher geschätzt. Nachdem wir uns über den Preis einig waren, gab er mir noch ein paar Instruktionen.

      „Bleib weg vom Hafen und den Fähren. Die spielen gerne Schiffe versenken mit dir.“ Dann gab er mir noch einen ermutigenden Klaps auf die Schulter und half mir dabei, das Brett und das Rigg ins Wasser zu bekommen. Schneller als ich es erwartet hatte, stand ich aufrecht und der Wind trug mich aufs Wasser. Ein herrliches Gefühl, so über die Wellen