Emma Richi

Vermächtnis der Toten


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eine Schnittwunde an meinem Bauch. Sie rannte mit Miles nach draußen. Schüsse waren zu hören und dann kamen Männer und Frauen raingerannt. "Gesichert!", sie schrieen es immer und immer wieder. Auch sie hatten Waffen in der Hand, doch sie ließen sie sinken, als ich sie ansah. Alles ging so schnell. Ich wurde weggezogen und Menschen wuselten um Dad rum. Niemand beachtete mich. Erst als er in einen Krankenwagen gehievt wurde, kam ein Mann mit meiner blauen Decke auf mich zu. Er hatte blonde Haare und lächelte, doch das ließ ihn viel ehr wie einen Psychopathen aussehen. Er kniete sich hin und fragte: "Ist das deine Decke?" Statt einer Antwort, nickte ich und schnappte meine Decke.

      Man führte meine Mutter und Miles in Handschellen zu den Krankenwagen. Beide waren unverletzt.

      "Möchtest du mitfahren bei deinem Papa?", fragte der Psycho-Polizist. Wieder ein Nicken. Er führte mich zum Auto und setzte mich auf den Beifahrersitz. Dann fuhren wir los. Es war eine berauschende Geschwindigkeit und eine ziemlich harte Bremsung am Krankenhaus. Man holte ihn aus dem Krankenwagen und brachte ihn rein. Wie ein treuer Hund lief ich hinterher. In der Tür des Behandlungsraumes blieb ich stehen. Niemand schenkte mir Beachtung.

      Wieder wuselten viele Menschen umher. Ich beobachtete sie alle, was sie machten. Ich hörte was sie sagten, auch wenn ich nicht alles verstand. Bis er weg gebracht wurde, behielt ich sie alle im Auge. Allein bleib ich zurück in dem Raum. Mein Bauch tat weh und ich legte vorsichtig die Decke zur Seite. Der Schnitt war nicht so lang. Von dem silbernen Tablett nahm ich mir Nadel und Fade. Dann setzte ich mich auf einen Stuhl und begann den Schnitt zuzunähen, so wie Papa es mir an meinem Teddy gezeigt hatte. Plötzlich kam jemand herein, er schien etwas zu suchen, doch als er mich bemerkt schlug er Alarm. Mehrere Schwestern und Ärzte kamen angerannt. Alles schienen sie erwartet zu haben, nur keine Fünf jährige, die sich selber zusammen flickt. Ein Arzt entriss mir die Nadel, nahm mich auf den Arm und schleppte mich zu einer Liege. "Dann sehen wir uns das doch mal an", sagte er mit einem Lächeln im Gesicht. Bewundernd musterte er die Wunde. Ein anderer Arzt kommentierte grinsend: "Sauber." Sein Kollege schickte ihn weg, er solle die Chefs holen. Er fragte plötzlich: "Darf ich weiter machen?" Mit Kopfschütteln machte ich ihm klar, dass ich es allein machen wollte. Er streckte mir die Nadel hin und mit einer schnellen Bewegung schnappte ich sie mir. Als der Faden wieder eingefädelt war, machte ich weiter.

      "Wie kommt es das Ihre Patientin sich selber behandelt?!", der Arzt schien belustigt und aufgebracht, doch in erster Linie belustigt. Doch niemand antwortete ihm. Ein Knoten und dann war ich fertig. Nun klatschten einige, doch der Chef vertrieb sie schnell. Wütend wandte er sich an den Arzt der mich auf die Liege gesetzt hatte: "Parello! Erklärung!!" Dr. Parello schien sich plötzlich unsicher, doch es war mir egal. "Wo ist Papa?", ich musste klingen wie ein verängstigtes Kind, doch der ältere Mann kam zu mir und setzte sich auf den Rand der Liege. "Wie heißt du denn?", fragte er behutsam. Ich fragte mich, ob ich ihm den sagen sollte, oder nicht. Doch er war so nett, also antwortete ich ihm: "Remy." "Und weiter?", fragte er sanft. Es war ein Gefühl der Sicherheit weswegen ich weiter sprach: "Davidson." Eine Krankenschwester rief ihm zu: "Davidson ist in OP 4!“ „Wird er wieder?“, fragte ich gefühllos. Die Menschen um mich herum sahen mich seltsam an, als wäre irgendetwas. „Es sieht ganz gut aus kleine Dame“, sagte die Krankenschwester, doch der tadelnde Blick des Chefs verriet mir so viel mehr. „Also haben Sie keine Ahnung“, stellte ich fest. Es war doch bescheuert, ich wollte doch eigentlich nur die Wahrheit. Nicht mehr und nicht weniger. E rief plötzlich durch die Notaufnahme: „Der Typ aus der Messerstecherei kommt durch! Seine Alte hat Ihn echt übel zu gerichtet!“ Er bekam Blicke, die tödlich waren. „Ich weis“, seufzte ich und konnte mir gerade so ein grinsen verkneifen. Dieser verzweifelte Blick von dem Cheftypen war echt super witzig. Doch er blieb ernst: „Ich muss dich jetzt untersuchen. Dazu musst du dein Shirt ausziehen.“ „Nein“, ich gab ihm klar zu verstehen, dass ich es nicht tun würde. Trotzdem zog er mein blutverschmiertes Shirt hoch. Ich schlug um mich, wehrte mich, doch nach einem Pieckser war alles schwarz.

      Kapitel 1.

      Es war ziemlich früh am Morgen und ich hatte nun wirklich keine Lust aufzustehen. Aber das kalte Nass auf meinem Gesicht verhinderte, dass ich wieder einschlief. Gequält stand ich dann doch auf. Kethe, meine Pflegeoma, kannte mich schon gut genug, um diesen Waschlappen immer parat zu haben. "Kethie! Ich bin sofort da!!", wie der Chaot der ich eben bin hüpfte ich mit einem Bein in der Hose durch meine Zimmer und sammelte alles ein. Die Tasche hatte ich fast gepackt, als ich auch mit dem zweiten Bein in der Hose landete.

      Ich schlidderte bis zum Barhocker und setzte mich. Stolz verkündete ich laut: "Fertig!!" Das Frühstück stand schon da und der Kakao kam direkt hinterher. "Wir werden weiter daran arbeiten junge Dame", lachte Kethie mich an. Ihr Lachen steckte mich wie immer mit an und es dauerte einen Moment, bis ich ihr eine Antwort lieferte: "Wie schon in den letzten Elf Jahren, nicht wahr?" Sie lächelte, denn wir wussten beide, ich würde niemals früh aufstehen.

      Es war mein letzter Schultag. Heute würde ich das erste Mal alleine verreisen, das erste Mal fliegen. Dieses Camp gibt mir die Möglichkeit Amerika zu sehen. New York City live zu erleben. Ein ganz anderes Leben. Mit ganz neuen Leuten. Zwar nur mit Mädchen, aber das war vielleicht nicht einmal schlecht. Normalerweise würde ich von anderen Mädchen Abstand nehmen. Eine Art Neuanfang ist das wohl, aber ich würde mich hoffentlich zu sehr verändern.

      "Dann ab jetzt, ich bring dich nicht mit dem Auto zu Schule", Kethie wusste wie man mir Feuer unterm Hintern zu machen hatte. In die Sportschuhe geschlüpft rannte ich wie von der Tarantel gestochen zum Bus. Natürlich bekam ich ihn noch, aber es war knapp. Alle starrten mich an. Das Mädchen, das immer Sportschuhe anhat. Das eine Mädchen was keine Angst hat vor einem Stoffball. Das Mädchen, das heute, schon vor allen anderen in die Ferien durfte. Aber das sollte mich eigentlich nicht kümmern, denn die eingebildeten Teenies von dem Städtischen Gymnasium hatten eben nicht mein Talent: Vertrauen zu bekommen. Also stieg ich an der Schule grinsend aus und lief zu meinem Klassenraum. Mathe und Bio waren genauso langweilig wie immer, nur Spanisch toppte alles in der Kategorie Langeweile.

      Nach der ganzen Langeweile brachte Kethie mich zum Flughafen. "Ich glaub ich hab irgendwas vergessen", zweifelte ich, aber Kethie meinte nur: " Das ist jetzt nicht wichtig, ich hab alles durchgesehen, das wichtigste ist alles dabei. Also hab Spaß meine Kleine und komm etwas brauner zurück." Ich schenkte ihr ein Lächeln: "Ich werd es versuchen. Ich hab dich lieb Oma Kethie." "Ich dich mehr meine kleine Remy. Und jetzt los, der Flieger wird nicht auf dich warten", damit schickte sie mich weg. Durch die Kontrolle und dann saß ich mit gefühlt Tausenden von Leuten in der Wartehalle.

      Der Flug war der maßen langweilig, daran konnten nicht einmal die ganzen Filme etwas ändern. Das Essen war auch die Offenbarung und noch weniger die Getränke. Die Zeit zog sich wie ein Kaugummi immer länger und länger. Als der blöde Vogel endlich landete, hatte meine Langweile einen neuen Tiefpunkt erreicht. Eine junge Frau brachte mich zügig durch die Passkontrolle, doch mein Gepäck brauchte Ewigkeiten. Als ich endlich draußen war, suchte ich mir ein Taxi und dann begann mein Abenteuer. Die Stadt sah schön aus, aber bis jetzt noch nicht wirklich aufregend. Plötzlich beschleunigte der Typ total irre und bog dann ab, dann bremste er ganz plötzlich und sagte: "Da sind wir. bezahlen sie mit Karte oder Bar?" Ich streckte ihm die Karte hin und bezahlte.

      Das Hostel sah schön aus, die Außenfassade zumindest. Ich ging hinein und fragte nach meiner Gruppe, doch der Manager sagte nur, ich solle doch draußen auf die anderen warten, sie würden jeden Moment zurückkommen. Also stiefelte ich wieder nach draußen. Es vergingen ein paar Minuten, bis mich plötzlich jemand ansprang. Das war nicht nur unheilig, sondern auch anstrengen. Als mich die Person endlich freigab, starrten mich 18 Mädchen mit großen Augen an. Nummer 19 hatte mich gerade fast erwürgt in ihrer Umarmung. Die Leiterin tadelte die Mädchen und schickte uns alle hinein.

      Während die Mädchen das Essen kochten, setzte sich die Leiterin einen Moment mit mir an die Seite. Endlich sprach sie mit mir: "Ich muss mich für Allie entschuldigen, sie ist nur sehr glücklich, dass wir jetzt komplett sind." Ich nickte.