P.K. Stanfay

Die STERNENKÖNIG - Saga


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der südliche Weg durch das Gebiet der Lupoden, die von den Menschen Große Graue Wölfe genannt wurden. Angron hatte mit ihnen noch nie etwas zu tun gehabt und ihm war klar, das es dort auch nicht ganz ungefährlich werden konnte. Doch er erinnerte sich auch an die zahlreichen Gerüchte und Legenden die kursierten und davon berichteten, das gute Menschen nichts von ihnen zu befürchten hätten. Warum und wieso wusste niemand, aber die Lupoden sollten einen untrüglichen Instinkt dafür besitzen, sofort Gut und Böse zu erkennen.

      Von dort aus waren es noch gut vier oder fünf Tage bis nach Berror, der Hauptstadt der Berserker, mit denen König Capron schon immer in gutem Einvernehmen gestanden hatte. Nicht weit von Berror erhob sich dann der Gipfel des Egerid, dem Sitz von Magilos - seinem Ziel.

      Versunken in seine Gedanken nahm er die Bewegung erst gar nicht richtig war.

      Der dunkle Punkt kam schnell über die weite Ebene auf ihn zu.

      Aufmerksam geworden kniff er die Augen zusammen und spähte angestrengt in die Richtung. Aus dem großen Punkt wurden bald sieben kleinere.

      „Born! Keron! Kommt her! Schnell!” rief er. Die beiden Soldaten eilten herbei und folgten mit ihren Blicken dem ausgestreckten Arm ihres Anführers.

      „Sind das Wölfe?“ fragte einer.

      „Auf alle Fälle irgendwelche Tiere“, entgegnete der andere.

      „Weder noch“, erkannte Angron jetzt, was da heranstürmte. „Es sind die Bestien Batoks“, rief er. „Los, zum Feuer!“ Sie hetzten zurück, rissen jeder einen brennenden Scheit heraus und zogen ihre Schwerter.

      „Zuniga, versteck die Kinder!“ rief Angron.

      Aber es war schon zu spät! Wie schwarze Blitze schossen die sieben Bluthunde auf sie zu. Ihre Augen glühten wie rote Feuer und vor Mordlust troff ihnen der Geifer aus den aufgerissenen Schnauzen mit den sichelscharfen Zähnen. Einer stürzte sich sofort auf die Amme, während die anderen sechs paarweise auf die drei Männer zusprangen.

      Den einen schlitzte Angrons Schwert noch im Flug auf. Dann stieß er dem anderen die brennende Fackel in das aufgerissene Maul und schlug ihm den Kopf ab. Keuchend richtete er sich auf und sah zu seinen Gefährten. Sie hatten auch jeder einen der Hunde getötet, doch jetzt lag Born tot mit aufgerissener Kehle am Boden und über Keron, der sich mit letzter Kraft wehrte, waren die anderen beiden hergefallen.

      Angron stürmte auf sie zu, stieß dem ersten sein Schwert tief in die Flanke und schleuderte ihn zur Seite, wo er nach einigen Zuckungen verendete. Der zweite machte einen Satz zurück und verharrte mit gesträubtem Fell und tiefem Knurren.

      Ein kurzer Blick genügte Angron, um zu sehen, das für Keron jede Hilfe zu spät kam. Ohnmächtige Wut gegen diese Scheusale stieg in ihm hoch.

      Er griff an - oder wollte es zumindest. Denn in diesem Augenblick bekam er einen Stoß von hinten und ein irrsinniger Schmerz durchfuhr seine rechte Schulter. Er hatte das siebente der Monster vergessen, das die Amme angefallen und getötet hatte und dann abwartend den Kampf beobachtete.

      Jetzt war es Angron von hinten angesprungen und hatte sich in seine Schulter verbissen. Durch die enorme Wucht dieser Attacke wurde er nach vorn gestoßen und sein gezücktes Schwert stieß genau in den Rachen der vor ihm stehenden Bestie, die wie vom Blitz getroffen zusammenbrach. Dann fielen beide zu Boden und wälzten sich hin und her. Immer wieder biss der Bluthund zu, in dem Bestreben, Angrons Kehle zu erreichen und aufzureißen. Eine Schmerzwelle nach der anderen durchraste den Körper des Mannes. Krampfhaft versuchte er mit der rechten Hand seinen Dolch aus dem Gürtel zu ziehen, während er sich mit der linken gegen die Angriffe der Bestie wehrte. Wieder stieß der stinkende Rachen auf ihn zu. Instinktiv riss Angron den linken Arm hoch und das Untier vergrub seine Zähne darin. Genau in diesem Moment bekam er seinen Dolch frei und stieß zu.

      Einmal - zweimal - wieder und wieder, bis sich die Kiefer des Monstrums endlich lockerten und es mit einem letzten, schmerzvollen Jaulen zur Seite fiel. Völlig erschöpft ließ sich Angron zurückfallen - dann verlor er das Bewusstsein.

      Pochende Schmerzen ließen ihn langsam die Augen öffnen. Geblendet schloss er sie sogleich wieder. Die Sonne stand genau über ihm.

      ‚Es muss schon Mittag sein’, war sein erster Gedanke.

      Da überkam ihn die Erinnerung an die letzten Geschehnisse. „Die Kinder“, ächzte er. „Was ist mit den Kindern?“

      Mühsam versuchte er sich aufzurichten, aber sofort wurde ihm schwarz vor Augen und er fiel wieder zurück. Er hatte viel Blut verloren und sein Körper fühlte sich an wie eine einzige große Wunde. Er wartete, bis der Schwindel vorüber war und stemmte sich erneut hoch. Schwankend sah er sich um, sah seine beiden getöteten Gefährten und die Kadaver der sieben Bestien, um die schon die ersten Fliegen surrten.Taumelnd ging er zum Lagerfeuer, das jetzt heruntergebrannt und kalt war. Ein kurzes Stück dahinter lag die tote Amme und nicht weit von ihr standen die beiden Bastkörbe - auf den ersten Blick völlig unversehrt.

      Er schleppte sich zu ihnen und ließ sich, völlig erschöpft von den wenigen Schritten, vor ihnen auf die Knie fallen. Er sah in zwei friedlich schlafende und dabei lächelnde Kindergesichter.

      „Den Sternengöttern sei Dank“, flüsterte er tonlos. Dann wurde er wieder ohnmächtig.

      Als er erneut die Augen öffnete war es schon später Nachmittag. Brennender Durst quälte ihn. Er wandte den Kopf hin und her und erblickte unweit von sich die abgenommenen Sättel. Er robbte mühselig dorthin, nestelte eine der Wasserflaschen ab und trank in langen, hastigen Zügen. Diese Erfrischung brachte ihn wieder zu klaren Gedanken und ihm wurde bewusst, das er den Auftrag seines Königs nicht mehr würde ausführen können.

      Er spürte, wie das Leben langsam aus ihm wich und das es mit ihm hier zu Ende ging.

      Aber was sollte mit den Kindern geschehen?

      Verzweifelt schaute er zu den Körben. Auf Hilfe war in dieser Einöde nicht zu hoffen. Und wer wusste schon, wen oder was Batok noch alles auf ihre Spuren gehetzt hatte?

      Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Die ganze Zeit schon hatte er das Rauschen gehört, aber es nicht beachtet.

      Doch jetzt wusste er, was er zu tun hatte!

      Mit einer übermenschlichen Kraftanstrengung erhob er sich, griff die beiden Körbe und ging schleppenden Schrittes hinunter zum Flussufer. Dort, im Schatten einer mächtigen Kastanie, setzte er sie ab und verschnaufte kurz.

      Die Kinder waren aufgewacht, blieben aber ruhig. Als ob sie wüssten, um was es ging, sahen sie den Mann mit ernsten Augen an.

      Angron wandte sich dem Fluss zu.

      „Ihr Wassergeister des Großen Astron“, rief er, so laut er noch

      konnte. „Hiermit vertraue ich euch die beiden kostbarsten Leben auf dieser unserer Welt an. Im Namen der Sternengötter bitte und beschwöre ich euch - nehmt sie in eure Obhut, beschützt sie und tragt sie dorthin, wo sich gute Menschen ihrer annehmen.“

      Dann nahm er die zwei Körbe und setzte sie vorsichtig auf das Wasser. Sacht vor sich hinschaukelnd trieben sie langsam auf die Flussmitte zu und dann weiter flussabwärts.

      Unendlich müde ließ sich Angron am Fuß der Kastanie nieder und lehnte den Rücken gegen ihren Stamm. Er folgte den Körben mit seinen Blicken, bis sie außer Sichtweite waren.

      Als die Sonne unterging, streichelten ihre letzten Strahlen wie zum Abschied das leblose Gesicht eines tapferen und mutigen Kriegers.

      Die Wassergeister des Astron nahmen die ihnen übertragene Aufgabe eigentlich sehr ernst. Doch ihre spielerische Unbeschwertheit und Unbekümmertheit ließen sie manchmal etwas unaufmerksam werden. So kam es, das an der von Angron schon bedachten Flussgabelung die Körbe getrennt wurden. Der Korb mit dem Mädchen trieb in den westlichen Arm und der mit dem Jungen schwamm weiter Richtung Süden - einer ungewissen Zukunft entgegen.