Alexa Keller

Jikaila, Die Splitter der Erinnerung I


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abprallte.

      Zunächst, für wenige Augenblicke, achteten die Echsen der Stacheln nicht, stürmten weiter heran. Dann jedoch schrieen Beide wild auf, als grausiger, nie gekannter Schmerz ihre riesigen Leiber schüttelte. Es hieß, dass Saurex bringe das Blut der Echsen buchstäblich zum Kochen. Der Schrei des Weibchens wurde schrill, sie drehte sich im Kreise, suchte mit dem Maul die bösen Stacheln zu erreichen. Doch die Entfernung der Pfeile hätte das Tier nicht mehr gerettet.

      Das Männchen indes, ebenso rasend vor Schmerz, stürmte dennoch weiter, überbrückte die verbliebene Strecke zu den leckeren, kleinen Happen mit Riesensätzen.

      Nicht gezögert hatten die terkonnischen Krieger, und vier weitere Pfeile surrten dem Monster entgegen. Alle trafen, schickten mehr tödliches, schmerzendes Gift in der Echse Venen.

      Doch nicht rasch genug. Die Echse war heran. Die Speerträger, ihre panikerfüllten Kakumons mit roher Gewalt zwingend, stellten sich dem Koloß aus Fleisch und Zähnen und rammten die Stoßspeere in den gewaltigen Leib. Belgons Stoß, geschickt geführt, mit aller Kraft des Recken, drang durch den ledernen Panzer in der Leibesmitte, bohrte sich in lebenswichtige Organe und wäre allein tödlich gewesen. Das Gift, nun auch noch der Speere Ladung, war schneller.

      Ein letztes Mal bäumte sich die Echse auf, der Schwanz fegte heran, traf Dainoras Khakumon und schleuderte es zurück. Der alte Reiter löste sich geschickt aus dem Sattel und rollte sich im Gras ab.

      Der Todesschrei des Männchens, sich vermischend mit dem letzten Röcheln der Gattin 30 Meter (?) zurück, schrillte Mensch und Reittier in den Ohren. Die Khakumons scheuten, ihre Augen rollten wild. Des jüngsten Recken Griff um die Lederleinen lockerte sich.

      Kharkon einen dritten Pfeil bereits auf der Sehne, sah nach Dainoras, unverletzt schien der alte Kämpe, sein Khakumon jedoch, von der vollen Wucht des Monsterschwanzes getroffen, lag in den letzten Zuckungen, die Glieder zerschmettert, abseits. Wohl hörte Kharkon den überraschten Ausruf des jüngsten seiner Männer, doch ein letztes Aufbäumen des Echsenmännchns beanspruchte seine Aufmerksamkeit. Auch den dritten Pfeil sandte er gedankenschnell in den zitternden Rumpf. Jetzt lagen beide Echsen lang ausgestreckt, Glieder und Schwanz in schwachen Zuckungen, die Zungen aufgequollen und dunkel verfärbt aus den zahnstarrenden Schnauzen hängend, schwach nur röchelnd noch.

      Jetzt erst wandte der Terkonnier den Kopf nach hinten, gewahrte den jungen Bewacher der Weiber am Boden, sich den Leib haltend, die Gefangenen auf den unruhigen, erschreckten Reittieren durchgeschüttelt, eine jedoch, die Legilalita, wer sonst, davon preschend, schon mit erstaunlichem Vorsprung.

      Immer noch mit Seil verschnürt, festgebunden an Sattel und Steigbügeln ihres Khakumons, war sie tief über des Tieres Hals gebeugt, ihre braunen Locken flatterten im Wind.

      Kharkon fluchte. Sirobas rief:

      „Soll ich sie zurückholen?“

      Der Anführer zögerte, schüttelte dann den Kopf. Sirobas war ein Pechvogel, dieses Weib war gewitzt und erfahren, gefesselt oder nicht.

      „Nein, Belgon und ich holen sie zurück. Dainoras, besteige ein Ersatztier. Führe die Truppe weiter nach Westen. Wenn wir die Furie wieder eingefangen haben, werden wir Euch auf Eurer Fährte folgen.“

      „Ai, Ceppton.“

      Kharkon nickte Belgon zu, Sirobas gekränkten Blick ignorierend, und spornte sein Khakumon an. Belgon riß den Thruston aus der verendenden Riesenechse und schickte sich an, seinem Anführer zu folgen.

      Der Vorsprung der Fenlora war weiter gewachsen. Sie hielt auf einen grünen Streifen im Nordwesten zu. Einer der Wälder, die hier und da die Ebene sprenkelten.

      Na großartig, dachte Kharkon.

      Er musste sie einholen, bevor sie des Waldes Saum erreichte.

      IX

      Telvenkeskua, 2.Juli, 2.325, in der Nacht

      Sie waren tot, und doch gingen sie. Tot, und doch hallten ihre Stimmen in ihr wider. Mörderin nannten sie Ashexee, gemeine Mörderin. Warum hast Du mich getötet, ich hatte Weib und Kinder zu Hause? So sprach ein Toter mit zerfetztem Leib. Ich war noch so jung, klagte eine kleine dunkelhäutige Frau, den Kopf von einem Schwertstreich halb abgerissen.

      Fliehen, den Stimmen, den toten Augen, der Mörderin in ihr entgehen, war ihr einziger Gedanke. Sie wanderte durch Türme, Hallen, Straßen, Wälder, Berge. Die Toten fanden sie stets, ihre Stimmen verließen sie nicht.

      Auf einem Berggipfel, am Himmel merkwürdige große Flugtiere, wie riesenhafte Fledermäuse, oder waren es Drachen, wich der Ring der Gemeuchelten zurück, machte Platz für einen großen Mann in lederner Rüstung, ein langes, gerades Schwert in der Hand.

      Auch sie trug Leder und ein Schwert, ihres jedoch mit gebogener Klinge.

      So war es immer gewesen. Woher kam dieser Gedanke?

      Der Mann sprach, tief und fest war seine Stimme. Kämpfe oder ergib Dich.

      Nie hatte sie sich ergeben, niemals. Vielleicht, wenn sie es diesmal tat?

      Der Mann verschwand. Ein tiefe Höhlung, Rascheln und Fiepen, hoch, fast unhörbar. Sie spürte Angst. Ein schwarzes, behaartes Bein. Eine große Spinne löste sich aus der Dunkelheit. Da waren noch mehr, wimmelten in der Schwärze.

      Wieder wollte sie fliehen. Ein totes Mädchen neben ihr klagte über ihre Grausamkeit, sie getötet zu haben.

      Ein Gasthaus, dampfende Speisen auf den Tischen, ein Feuer prasselte im Kamin. Die Toten, ihre Wunden klaffend wie rote Schlünde, hoben ihre Krüge und prosteten ihr zu.

      Komm, trink mit uns, sprachen sie, in ihren trüben Augen waberte verborgen etwas Dunkles, dass sie zu belauern schien.

      Sie zappelte in dem Netz milchiger, armdicker Stränge, hilflos, die Spinne kroch heran, ihre Fänge, haarig und glitschig, zuckten gierig.

      Sie schrie. Der große Mann stopfte ihr einen Knebel in den Mund, sie zerrte an den Lederriemen, die ihren Leib banden. Die Toten musterten sie, nie nachlassend in ihrer Klage.

      Gefesselt, wie sie war, wand sie sich von ihnen, der Spinne, dem grimmigen Mann, weg, nach hinten, in den Abgrund. Sie fiel. Splitter mit kleinen Bildern leuchteten in der Finsternis, stürzten mit ihr. Die Stimmen der Toten verstummten.

      Ashexee erwachte in der Dunkelheit, gebadet in Schweiß, eingewickelt in das weiche, nun feuchte Laken wie in die Bande einer Spinne, einen Schrei auf den Lippen. Nur ein Gurgeln entwich ihrer Kehle. Sie atmete mehrmals hastig durch, wickelte sich dann aus dem Laken. Vor dem Fenster flatterte eines der kleinen Flugtiere vorbei, die von den Menschen hier Ptackas genannt wurden.

      Im Bett nebenan wälzte sich ihre Zimmergenossin im Schlaf herum. Ashexee griff nach dem Holzbecher auf ihrem Nachttisch und trank den kalten, bitter schmeckenden Tee, den ihre Heilerinnen für eine Art Universalheilmittel zu halten schienen. Shilje, hieß das Zeug. Sie verstand die Sprache, fenlorisch, ihr Name, das Einzige, an das sie sich erinnerte, war fenlorisch, doch die Namen der Tiere und Pflanzen, der Orte und Flüsse, nichts davon sagte ihr auch nur das Geringste. Die Sitten hier waren ihr fremd, alles hier war irgendwie falsch. Der Gedanke bereitete ihr stechende Kopfschmerzen und eine widerliche Übelkeit im Hals.

      Normal bei Amnesie, hatten ihr die Heilerinnen versichert, selbstsicher und arrogant. Wenigstens dies schien angemessen für diese Zunft. Nicht alles war unvertraut an diesem fremden Ort.

      Zunächst hatte frau die junge Dunkelhaarige für eine Geisteskranke, eine von Sheila berührte, gehalten. Als sie jedoch, in der Nacht magisch in Schlaf versetzt, am folgenden Vormittag erwacht war, zeigte sie keine Symptome der gefürchteten Erkrankung mehr. Sie hatte jedoch offensichtlich jede Erinnerung an ihr voriges Leben, ja an Terklora selbst, verloren.

      Die Heilerinnen hielten sie zur Beobachtung im Haus, seit dem zweiten Tag in der offenen Abteilung der Seelenheilstätte.

      Die junge Frau, die sich Ashexee Krasnajal nannte , zeigte sich