Alexa Keller

Jikaila, Die Splitter der Erinnerung I


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      Zugegeben, auch der Freikauf von Männer und Frauen aus der Sklaverei im jeweils anderen System lief vor allem über Lavendra.

      Was nun den Genderkrieg anging, hatten die EgalistInnen einerseits ein Interesse daran, dass er fortbestand. Nicht auszudenken die Folgen für das wohlhabende kleine Reich, sollten Fenlora und Terkonnia direkt miteinander zu handeln beginnen. Zum anderen jedoch konnte ein totaler Krieg ebenso wenig die LavenderInnen erfreuen. In dem Augenblick, da beide Seiten aufs Ganze gingen, wurde aus dem unbehelligten, bequemen Handelsplatz eine strategische und ökonomische Position, deren Eroberung für Recken wie Amazonen von immensem Vorteil sein musste. Die Aussicht, fenlorische Legionen und terkonnische Regimenter um die Trümmer ihrer Städte kämpfen zu sehen, musste schwerer noch wiegen als das Schreckgespenst eines wirklichen Friedens.

      „Ihr wollt wissen, was Lavendra zu tun gedenkt.“

      „Ja.“

      Ein vernehmliches Rappeln ließ Nulbo kurz nach rechts blicken. Klappel, der anstrengenden Kunst der Malerei vorerst überdrüssig, wandte sich mit ähnlichem Eifer der Architektur zu. Er hatte unter dem Tisch seines Herrchens einen Kasten mit quietschbunten – dies hier war Pogran - Bauklötzen hervorgeholt und schickte sich an, in neue architektonische Bereiche vorzudringen, in denen noch nie ein Fuwupp-Mupp gewesen war. Nulbo lächelte warm.

      „Der gute Ruf des lavendrischen Dienstes bezieht sich bekanntlich auf die Beschaffung von Informationen, nicht auf Aktionen, die den Lauf der Welt ändern. Sie sind nicht der TKM.“

      Der TKM, Tadoka Kespenaiumon, war der Geheimdienst des Zarijats Fenlora, dessen weltweite Intrigen geradezu sprichwörtlich waren. Angeblich, zumindest wenn man der terkonnischen Propaganda glaubte, bestieg keine neue Herrscherin den Thron irgendeines Matriarchats außerhalb Fenloras gegen den Willen des TKM.

      „Sie werden also nichts unternehmen.“

      „Allein ein Diodarchor aus dem Clan Halikarnassia, zeitgleich mit einer Revolution des Kauffrauenordens Shakeshumon im Zarijat, vermöchte das Kommende zu verhindern. Und Lavendra wird das nicht zuwege bringen.“

      „Ich weiß.“

      „Wohlan, was erwartet ihr dann? Das Galaan herabsteigt und sie alle mit Liebe erfüllt?“

      „Zynismus hätte ich von einem Philanthropen Eures Ranges nicht erwartet, Signol Wild-Wechsel.“

      „Es ist Verzweiflung und Gram, die einen alten Mann bitter werden lassen.“

      „Vielleicht müssen wir selbst etwas tun. Am Ende fällt ein Mann immer auf seine eigenen Fähigkeiten zurück.“

      „Ist das aus einem Eurer Programme, mein Lieber? Der lornfürchtige terkonnische Holzkopf von nebenan?“

      „Verzeiht, ich hätte sagen sollen, ein Mensch. Aber ansonsten meine ich es so. Man – oder frau – muss das Richtige tun, nicht, sich auf Andere verlassen.“

      „Mupp, Fupp, Mupp!“

      „Klappel scheint meiner Meinung. Ein kluger und aufrechter Bursche.“

      „Klappel ist nicht objektiv. Ihr mochtet seine Bilder. Allein, ihr habt wohl Recht. Doch woran dachtet ihr? Alle anderen Clansherren durch einen Eurer Auftritte in tödliche Lachkrämpfe zu versetzen, damit der Weg für den Halikarnassier frei ist?“

      „Ihr und ich, wir haben Möglichkeiten, andere, mehr geübt in der gefährlichen Tat, unseren Willen vollziehen zu lassen.“

      „Doch was ist unser Wille? Wo ist der realistische Ansatz, mein Guter?“

      „Kommen wir zurück auf Lavendra. Ein Krieger bin ich gewiss nicht, doch weiß ich wohl, dass Information eine der tödlichsten dem Menschen bekannten Waffen ist. Was wissen die Lavendrer denn, deren Netz man wie frau so rühmt?“

      „Sie wissen viel, vermuten noch mehr. Es bedürfte viel Zeit, alles zu sichten und der Analyse zu unterwerfen.“

      „Fupp, fupp, Mupp, Wuuuppp!“

      „War das eine Freiwilligenmeldung?“

      „Denkbar, Klappel ist sehr eifrig. Die Informationen existieren jedoch in schriftlicher Form, und das Alphabet hat er bislang noch nicht gemeistert.“

      „Bedauerlich. Seine Integrität steht außer Frage.“

      „Jemandem, der ihm die Haut poliert, würde er seine Mutter verkaufen.“

      „Verstehe. Im Ernst, ich bin bereit, erhebliche Zeit und Mühen aufzuwenden, Material zu sichten, das ihr mir überlasst.“

      „Das ließe sich wohl einrichten. Solange es die LavenderInnen nicht erfahren.“

      „Gewiss nicht von mir.“

      Beide schauten zu Klappel.

      „Vielleicht zum Anfang ein grober Überblick, etwas Besonderes, aus der Reihe Fallendes.“

      „Nun, Diodarchor Raliras denkt über Rücktritt nach. Er hatte letztes Jahr einen Herzanfall, und nur magische Hilfsmittel halten ihn vital. Der Person des Nachfolgers kommt entscheidende Bedeutung zu. Turon von Zakunthi und Dorn von Blektron streben nach dem Amt, im Moment sieht es jedoch danach aus, dass die anderen Clans einen Kompromisskandidaten vorziehen. Das dürfte Jasperas von Galveka sein. Ein besonnener Mann, auf Ausgleich bedacht. Er jedenfalls wird nicht von selbst den Krieg beginnen.“

      „Der Zakunthier auch nicht. Für einen Holzkopf ist er erstaunlich klug. Er wird Zeit gewinnen wollen, Zeit für die Reformen, die sein Reich braucht. Am Schlimmsten wäre Dorn.“

      „Ja. Ein sadistischer Berserker, der sofort ausziehen würde, möglichst viele Fenloras zu pfählen. Aber ich glaube, dazu kommt es nicht. Zum Glück für uns alle.“

      „Was hört man aus dem Zarijat?“

      „Alura soll noch immer schäumen wegen der Niederlage, die der Zakunthier ihr als Lordcenturion vor zwei Jahren in Gromien zugefügt hat. Alle wissen, dass sie den Krieg will, doch die Hohen Orden sträuben sich, vor allem die Shakeshumon. Die Händlerinnen fürchten die ökonomischen Schäden, und ihre Macht wächst bekanntlich. Da sie es sind, bei denen die anderen Orden und letztendlich auch das Zarijat verschuldet sind, wirken sie noch als Bremse. Die Zarija ist noch nicht bereit für eine Kraftprobe. Wenn sie jedoch, gegen die Interessen der anderen Orden, den Shakeshas ein gutes Angebot macht, dass ihre politische Macht der wirtschaftlichen annähert, kann der Krieg morgen da sein.

      Da fällt mir ein, gerade in diesem Zusammenhang las ich erst gestern eine beunruhigende Nachricht. Das Zarijat soll in Verhandlungen mit Yoltekucza stehen, ein Handelsvertrag ist in Vorbereitung, fenlorische Genussmittel, vor allem Zigaretten, gegen yoltekisches Gold.“

      „Das ist sehr überraschend, in der Tat. Wenn die Zarija auf diese Weise sich finanziell von den Shakeshas emanzipiert…

      Aber wie kommen die Yolteken plötzlich dazu? Ist nicht ihre Politik seit jeher gewesen, mit den Bleichhäuten sowenig Kontakt wie möglich zu pflegen und ihr Gold zu hegen? Verbietet nicht gar ihr Echsengott, das Gold außer Landes zu bringen?“

      „Anscheinend hat der große Echsengott, oder besser, die Priesterschaft, sich eines Besseren besonnen.“

      „Schneiden sie dort in den Tempeln armen Menschen immer noch die Herzen heraus?“

      „Ich fürchte, mehr denn je.“

      „Von allen finsteren Orten Terkloras ist dies wohl der Finsterste.“

      „So schlimm die Menschenopfer dort sind, bedenklicher scheint mir aber, wenn ihr Gold, dass sie bekanntlich im Überfluss haben, in den Wirtschaftskreislauf des Zentralkontinents gelangt und der Vorbereitung des Krieges hier dient.“

      „Nur allzu wahr. Wie zu erwarten, ist die Angelegenheit äußerst komplex.“

      „Wollt ihr immer noch die Informationen durcharbeiten?“

      „Mehr denn je, Signol Wild-Wechsel.“

      „Gut.