Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 2


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mein Lieber. Du bist einfach nicht mein Typ. Ich werde Pierre Bescheid sagen, dass du dringend eine Abreibung brauchst, um deine Grenzen kennen zu lernen.»

      «Ich bin auch ziemlich stark.»

      «Mit jemand wie dir wird Pierre im Schlaf fertig.»

      «Wir können ja wetten.»

      Langsam wird mir diese Anmache von Jerome zu dumm. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal eines Mannes mit Händen und Füßen erwehren müsste. Also seufze ich nur tief.

      «Es ist ja ganz nett, dass du dich für unwiderstehlich hältst, aber investiere deine Energien bitte bei jemand anderem.»

      Damit wende ich mich demonstrativ Madelaine zu und ignoriere Jerome schlicht und einfach. Gott sei Dank scheint er die Botschaft zumindest momentan begriffen zu haben, denn er sagt nichts mehr, seine Blicke verraten aber, dass er seine Versuche nicht so bald einstellen wird. Die Unterhaltung wendet sich anderen Themen zu und so bleiben mir weitere Annäherungsversuche von Jerome erspart.

      Vermutlich werde ich Pierre wirklich bitten müssen, ihm zu zeigen, dass das mit dem Besetzt Zeichen ernst gemeint ist, Es wurmt mich eigentlich, diese Botschaft nicht selbst anbringen zu können, aber Jerome scheint einer von den Männern zu sein, die denken, dass Frauen das Gegenteil von dem meinen, was sie sagen. Dass das gleichzeitig eine der Gründe wäre, nicht mit ihm anzubandeln, selbst wenn ich frei wäre, macht die Sache nur schlimmer.

      Ich kann nur hoffen, dass auch Valerie bald einsieht, dass der nichts für sie ist. Valerie liebt es, umworben zu werden und freut sich, wenn sich ein Mann um sie bemüht. Aber wenn Jerome nur Augen für mich hat, wäre jede Bemühung seinerseits in ihre Richtung vermutlich nur gespielt. Das hat Valerie nicht verdient und wäre auch nicht fair ihr gegenüber. Eigentlich schade, denn ich habe nicht das Gefühl, als wäre ich etwas Besonderes und Valeries Art ist viel lebendiger und fröhlicher als meine. In gewisser Weise tut mir Jerome leid. Er ist neu in der Stadt und sucht Anschluss, so weit ist das alles ja verständlich. Dass er aber nicht einsehen kann, dass er keinerlei Chance bei mir hat, ist ein echter Charakterfehler.

      Der Nachmittag vergeht, ohne dass ich Jerome noch einmal begegne. Ich bin allerdings auch früh zuhause und konzentriere mich auf eine Hausarbeit, die ich in der nächsten Woche abgeben muss. Valerie ist dagegen bis abends in einem Seminar, so dass ich sie nicht mehr zu sehen bekomme, bis ich zu meinem Selbstverteidigungskurs aufbreche.

      Ich war in der Schule in Sport nicht die Schlechteste gewesen und ich reite ja auch immer noch ganz gerne. Aber seit ich die übernatürliche Welt kennengelernt habe, ist in mir der Wunsch gewachsen, mich im Notfall auch selbst verteidigen zu können. Ich glaube der Auslöser war damals der Moment, als ich vollkommen hilflos Gregori gegenübergestanden bin, ohne die Möglichkeit zu fliehen, ohne die Möglichkeit zu kämpfen. Wäre da nicht Tante Anna wie aus dem Nichts aufgetaucht, hätte ich mich diesem bösartigem Vampir nur ergeben können. Wer weiß, ob ich das überlebt hätte.

      Nun ist gegen Vampire eigentlich kein Kraut gewachsen. Sie sind schneller als ich mit einem Auto fahren könnte, also ist weglaufen keine Option. Sie sind stärker als ein Dutzend Männer, also hat man kaum eine Möglichkeit, sie zu überwältigen. Die einzige Möglichkeit ist, sie zu überraschen. Dazu muss man aber Bewegungsabläufe einstudieren, so dass man sie ausführen kann, ohne zu denken. Genau dafür dient mir mein Kurs in Selbstverteidigung und ich lerne vor allem Techniken, mit denen man die Stärke eines Gegners gegen diesen selbst richten kann.

      Nach dem Kurs bin ich ziemlich müde und geschlaucht. Das Training hat ganz schön Kraft und Energie gekostet. Daher ist alles, was ich will, etwas zu trinken und dann ins Bett. Aber als ich in die Küche komme, sitzt Valerie dort mit einer geöffneten Weinflasche vor sich, andächtig an ihrem Glas nippend, die Augen in die Ferne gerichtet. Sie winkt mir zu.

      «Hi, Trish. Willst du auch ein Glas?»

      Ich schaue auf das Etikett, ein sehr guter französischer Merlot aus dem Bestand, den sich Valerie zugelegt hat.

      «Da sage ich nicht nein. Ich hoffe, den hast du bei Pierre gekauft.»

      «Nee, in dem Supermarkt nebenan.»

      «Na, wenn du Geld zu verschenken hast.»

      «Hey, das war ein Sonderangebot, da kommen selbst eure Preise nicht mit.»

      Ich seufze. Der Weinhandel, den Pierre aufgezogen hat, beginnt langsam anzulaufen und sich selbst zu tragen, aber es fällt ihm immer noch schwer, mit den Preisen zu konkurrieren, den große Handelsketten anbieten können. Pierre hat in seinem früheren Leben ein Vermögen verdient, aber ein Großteil davon in sein jetziges Geschäft investiert. Es wird also langsam Zeit, dass sich seine Investition auszahlt.

      «Na gut, du bist entschuldigt, wenn du mit mir teilst.»

      Valerie stellt mir ein Glas hin, füllt es mit dem Wein und ich nehme das Glas auf, um es mit meinen Händen zu wärmen. Während ich darauf warte, dass sich das Bouquet entfaltet, schaut mich Valerie nachdenklich an.

      «Dieser Jerome ist wirklich ein interessanter Typ.»

      Ich stöhne auf.

      «Weißt du. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass er nichts für dich ist.»

      «Wieso das denn?»

      «Na ja, heute Mittag hat er sich wieder heftig an mich rangemacht. Ich musste ihn fast verprügeln, damit er mal Ruhe gibt. Aber er hält sich für unwiderstehlich. Ich vermute, dass ich ihn so bald nicht loswerde. Wenn er dermaßen auf mich fixiert ist, dann ist es für dich reine Zeitverschwendung, ihm schöne Augen zu machen.»

      «Das heißt, du trittst ihn mir ab?»

      «Wenn du an ihm interessiert bist, nur zu. Aber du solltest dich nicht an jemand verschwenden, der nicht in der Lage ist, dich zu sehen.»

      «Übertreib mal nicht, ich kann es ja einfach ausprobieren.»

      «Nur dass deine Proben immer in Liebeskummer ausarten.»

      «Irgendwann muss ich doch mal an den Richtigen geraten. Du hast ja gut reden mit deinem Pierre.»

      Dazu sage ich nichts mehr. Weitere Diskussionen erübrigen sich, bis ich besser über Jerome Bescheid weiß. Ich fürchte nur, dass Valerie irgendwann in einer Art Torschlusspanik den Falschen vor den Traualtar schleppt und dann wirklich unglücklich wird. Sie hat schon Recht. Meine erste wirkliche Liebe war Pierre und er ist und bleibt der Einzige. Ich habe dazu nichts getan, außer mich im richtigen Moment für Pierre entschieden zu haben. Unsere Beziehung hatte auf der Kippe gestanden und Pierre hatte mir angeboten, entweder zu gehen oder ihm zu vertrauen.

      Ich habe ihm vertraut und das bis heute nicht nur nicht bereut, sondern immer wieder staunend wahrgenommen, welch seltsame Wege das Schicksal einschlagen kann. Durch Pierre habe ich nicht nur die übernatürliche Welt kennengelernt, sondern auch erfahren, dass meine Tante die Anführerin aller Vampire außerhalb von Europa ist. Ohne diese eine Entscheidung in diesem einen Augenblick, als ich die ganze Tragweite weder übersehen noch überhaupt erahnen konnte, wäre mein Leben in vollkommen andere Bahnen geraten. Nun vielleicht ist das ja bei Valerie und Jerome ähnlich. Ich weiß es nicht, also sage ich nichts dazu. Aber glauben kann ich das irgendwie nicht.

      Während wir unseren Wein trinken, plaudern wir über andere Dinge. Ich werde morgen ganz normal nach der einen Uni Veranstaltung nach Hause fahren und Valerie wird das diesmal auch tun. Sie hängt eigentlich sehr an ihrer Familie, aber das heißt nicht, dass man unbedingt jedes Wochenende zu ihr fahren muss. Bei mir ist das wegen Pierre etwas anders. Ich belasse es bei dem einem Glas Wein, denn der Alkohol macht mich zusätzlich müde und der Tag war schon anstrengend genug gewesen. Also wünsche ich Valerie noch eine gute Nacht und verziehe mich in mein Bett.

      4. Zuhause

      Eigentlich hatte ich ja geplant, meine Kurse und Vorlesungen so zu legen, dass ich den Freitag frei bekomme, aber leider ist mir das nicht gelungen. Einer von den etwas merkwürdigeren Professoren wollte seine Vorlesung nur am Freitag halten und es