Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 2


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      «Gut, aber du sollst mir beim Anziehen nicht zuschauen. Augen zu und nicht pfuschen.»

      Gutmütig lässt sich Pierre auf das Spiel ein und nachdem ich geprüft habe, dass er tatsächlich nicht schaut, ziehe ich mich bis auf den Slip aus. Ich mache dann zwar die Folienhülle des Abendkleides auf und hole es heraus, aber ich ziehe es nicht an. Stattdessen hänge ich das Kleid in den Schrank und greife nach zwei Sommersachen, die ich hier aufbewahre, weil sie zu gewagt sind, um sie anzuziehen, wenn Großvater zusieht.

      Zuerst ziehe ich den ledernen Minirock an, so ein Minirock der Marke „eine Nummer kleiner wäre nackt“. Er ist so eng und knapp, dass sich mein Po ziemlich deutlich darunter abzeichnet und mein recht knapp geschnittener Slip verschwindet gerade so eben unter dem Rand des Rocks. Insgesamt enthüllt dieser Minirock wesentlich mehr als er verhüllt. Über den Rock ziehe ich ein T-Shirt, das so hergestellt ist, dass es löchrig und zerrissen aussieht. Die Löcher sitzen an strategisch geschickten Stellen, damit es den Anschein hat, als würde jeden Augenblick mein Busen herausfallen, während tatsächlich alle wesentlichen Teile bedeckt sind. Eigentlich hatte ich mir gedacht, zu dem T-Shirt einen engen BH anzuziehen, aber angesichts der Situation spare ich mir den.

      Früher hätte ich solche aufreizende Kleidung niemals angezogen. Aber seitdem ich mit Pierre zusammen bin, habe ich öfter das Bedürfnis, sexy und begehrenswert auszusehen. Diese Sachen hatte ich mir gegen Ende der letzten Semesterferien gekauft, als ich mir mit Chloé und Inès, meinen alten Schulfreundinnen, einen Mädels Abend gemacht hatte. Kann auch durchaus sein, dass ich zu dem Zeitpunkt schon ein wenig angeheitert war. Seitdem habe ich es aber nicht gewagt, damit in die Öffentlichkeit zu gehen.

      «Du kannst jetzt schauen», sage ich und stelle mich in Pose.

      Lächelnd macht Pierre die Augen auf. Doch als er mich sieht, fällt ihm das Lächeln aus dem Gesicht, als hätte es ihm jemand mit einem Besen weggefegt. Stattdessen werden seine Augen so groß, wie Suppentassen, und sein Gesicht zeigt einen Ausdruck des Entsetzens.

      «Du kannst doch unmöglich so angezogen zu einer…»

      Pierre stockt, weil ich ein Grinsen nicht verhindern kann. Ich brauche einen Moment, um mich zu fangen und eine Schnute zu ziehen.

      «Gefällt dir etwa meine Abendgarderobe nicht?», frage ich so süß und unschuldig wie möglich.

      Aber Pierre hat schon gemerkt, was Sache ist. Er schaut mich mit gelb blitzenden, zusammengekniffenen Augen an.

      «Du ungehöriges Biest. Wenn du damit zu einer Party gehst, müsste ich sämtliche Männer ermorden, die dich lüstern anstarren und das würden alle sein, denen wir begegnen.»

      Ich trete an Pierre heran und schmiege mich in seine Arme.

      «Ich möchte doch nur, dass du beneidet wirst.»

      «Sie würden alle vor Neid vergehen.», flüstert Pierre und streicht mir mit seinen Händen über das T-Shirt, dass mir ganz heiß wird. «Das Shirt ist ja schon kaputt, es wird also nichts ausmachen, wenn ich es dir vom Leib reiße.» raunt mir Pierre ins Ohr.

      «Untersteh dich, du glaubst gar nicht, wie teuer diese Löcher waren.» gebe ich mit rauer Stimme zurück.

      Also findet Pierre einen anderen Weg, um mich meines T-Shirts zu berauben. Er drängt mich gegen den Kleiderschrank und bedeckt meine Brüste mit Küssen. Die Wellen des Begehrens, die er damit in mir erzeugt, machen mich schwindlig. Ich presse mich gegen seinen nun gar nicht mehr kalten Körper und alles, woran ich noch denken kann, ist, wie ich es schaffe, Pierre ohne Kleidung vor mich zu bekommen.

      Pierre kann das echte Abendkleid dann doch noch am späten Nachmittag begutachten, allerdings ist es so spät geworden, dass ich es nicht mehr vorführen kann. Aber was er sieht, findet seine Zustimmung. Schnell mache ich mich fertig, um zum Weingut zu fahren.

      «Ich komme morgen am frühen Nachmittag vorbei, um mich hier zurecht zu machen.» meine ich, bevor ich losziehe.

      «Ist in Ordnung. Was willst du deinem Großvater sagen, wohin wir gehen?»

      «Du bist doch Mitglied in diesem Verband der südfranzösischen Weinhändler. Wir sagen einfach, dass die den Empfang organisieren. Netzwerkbildung und so.»

      «Ja, das ist gut. Der Empfang beginnt um sieben Uhr abends, wir sollten hier also gegen halb sechs starten.»

      «Dann werde ich gegen zwei da sein.»

      Pierre gibt mir einen sanften Abschiedskuss und ich fahre los. Großvaters Weingut liegt etwas außerhalb von Lorgues, aber mit dem Auto ist das lediglich eine Fahrt von ein paar Minuten. Als ich in den Vorhof einbiege, fällt mir wieder diese wunderschöne und wild romantische Bauweise des Gebäudes auf. Erst seit ich nicht mehr täglich hier bin, weiß ich das zu würdigen.

      Soviel ich weiß, ist das Hauptgebäude mindestens 200 Jahre alt, wurde aber von den Vorbesitzern immer wieder restauriert, so dass es heute innen sehr modern eingerichtet ist. Nur bei der Fassade wurde der ursprüngliche Stil beibehalten, die Wände sind mit wildem Wein bedeckt und die Fensterläden sind rot gestrichen. Als wir vor nunmehr fast acht Jahren hier eingezogen sind, mussten wir fast nichts modernisieren, lediglich die üblichen Innenarbeiten waren zu machen. Sollte ich das Weingut dereinst einmal übernehmen, will ich auf jeden Fall dafür sorgen, dass diese Mischung von außen alt und innen modern so bleibt. Dieses Haus ist mein wirkliches Zuhause, der Ort, an dem ich glücklich war und bin.

      Ich stelle meine Sachen zunächst im Flur ab und gehe in Richtung Wohnzimmer und Küche, um Catherine und Großvater zu begrüßen. Großvater kommt mir am Eingang zum Wohnzimmer schon entgegen. Seine Haare sind mittlerweile schlohweiß und sein Gang bedächtig. Eigentlich ist Großvater noch nicht so alt, aber seit dem Tod von Großmutter ist er sichtbar älter und fragiler geworden. Ich hatte sogar darüber nachgedacht, meine Pläne mit dem Studium zu verschieben, um bei ihm bleiben zu können, aber das hat Großvater nicht zugelassen.

      «Hallo Großvater» sage ich, umarme ihn und gebe ihm zwei dicke Küsse auf seine rauen Wangen.

      «Hallo Trish, mein Schatz» erwidert er und drückt mich. «Wie war die Fahrt?»

      «Vor Montpellier gab es ein paar Staus, aber der Rest der Strecke war frei.»

      «Hast du bei Pierre zu Mittag gegessen?»

      «Ja, habe ich. Schöne Grüße von ihm.»

      «Danke. Komm rein, ich spreche gerade mit Jules über die kommende Lese.»

      Jules ist unser Knecht und hat sich in den letzten Jahren zur rechten Hand von Großvater entwickelt. Er führt die körperlich anstrengenden Tätigkeiten durch, die Großvater nicht mehr schafft, und leitet die Mitarbeiter und Saisonarbeiter an, die wir benötigen, um den Betrieb am Laufen zu halten. Gerade die Zeit der Weinlese, die vor der Tür steht, ist besonders stressig. Früher habe ich nach Kräften mitgeholfen, aber seit ich studiere, ist das auch weniger geworden. Großvater konzentriert sich mehr auf die Büroarbeit und den finanziellen Kram.

      Ich folge Großvater ins Wohnzimmer, begrüße Jules und gehe dann in die Küche, wo Catherine bereits vor sich hin werkelt. Sie scheint mich gar nicht zu bemerken, so konzentriert schneidet sie Gemüse. Aber ich bin sicher, dass sie mich gehört hat, also umarme ich sie einfach von hinten.

      «Hallo Catherine. Wie viel Zeit habe ich noch bis zum Abendessen?»

      Catherine dreht sich zu mir und drückt mich kurz, wobei sie darauf achtet, mich nicht mit ihren nassen Händen zu berühren.

      «Hallo Trish. Es wird etwas später werden, noch so etwa eine Stunde. Ich weiß doch, dass du dich immer bei diesem Butler vollstopfst.»

      Ich muss grinsen, denn eigentlich findet Catherine Charles sehr nett. Aber in punkto Kochkunst hat sich zwischen den beiden eine Art Wettbewerb entwickelt, weil Catherine nicht verwinden kann, dass ein Mann besser kocht als sie. Das Opfer bin allerdings ich, weil ich die besten Gerichte von zwei Seiten angeboten bekomme, was meiner Figur nicht unbedingt gut tut.

      «Heute war ich tapfer. Ich habe keine