Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 2


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ein Klassiker unter den Sportwagen. Nicht, dass ich mich viel dafür interessieren würde, aber Pierres Augen leuchten immer, wenn er anfängt, über Sportwagen zu fachsimpeln. Vielleicht trifft er auf dem Empfang ja jemanden, der sich auch dafür begeistert, dann ist die Unterhaltung für den Rest des Abends gesichert.

      Der Empfang findet in Marseille statt und für die Fahrt dahin brauchen wir zwischen ein und zwei Stunden. Das Haus, in dem er stattfindet, ist in derselben Gegend, wie die schicksalhafte Party, die ich vor beinahe zwei Jahren mit Pierre besucht hatte. Pierre und ich waren damals ganz frisch zum Paar geworden und ich hatte gerade erst die übernatürliche Welt kennengelernt. Ich wollte alles wissen über meinen faszinierenden Geliebten und habe deshalb gegen den Willen von Pierre und Charles erreicht, dass ich zu der Party mitkommen konnte.

      Beinahe hätte es in einer Tragödie geendet. Ich habe die Aufmerksamkeit von Gregori auf mich gezogen, er wollte mich einfach so zur Bluwirtin machen und mich vergewaltigen. Als ich mich zur Wehr setzte, kam es zum Kampf zwischen Pierre und Gregori, den Pierre verlor. Er wäre jetzt tot, wenn Louis nicht interveniert hätte. Danach hat Gregori uns zur Flucht getrieben und hätte uns gefangen, wenn Tante Anna ihn nicht getötet hätte. Das alles ist nur deswegen geschehen, weil ich ohne genug Wissen in diese fremde Welt gestolpert bin.

      Jetzt bin ich nicht nur besser vorbereitet, jetzt weiß ich auch, dass die mächtigsten Vampire der Welt unsere Verbündeten sind. Deshalb habe ich keine Angst, dass sich die Geschehnisse wiederholen, aber mulmig ist mir doch. Nun, ich vermute, die beste Methode, die Erlebnisse von damals zu verarbeiten, ist, den Empfang ohne besondere Vorkommnisse hinter mich zu bringen.

      Als Pierre in den Vorhof des Gebäudes einbiegt, in dem der Empfang stattfindet, ist alles hell erleuchtet und festlich geschmückt. Wir reihen uns ein in eine Schlange von vornehmen und repräsentativen Fahrzeugen. Vor dem Eingang stehen livrierte Diener bereit, um die Gäste zu begrüßen. Einer von ihnen öffnet die Beifahrertür und bietet mir eine Hand, damit ich mühelos aussteigen kann. Pierre steht bereits neben mir, als ich mich umsehe, um mich zu orientieren. Das Gebäude ist eine weitläufige Villa, stammt aber interessanterweise nicht aus der Zeit des französischen Adels, wie so viele Häuser, die von Vampiren bewohnt werden. Es scheint fast als wollte Louis ein Zeichen setzen, indem er den Empfang in einem modernen Anwesen stattfinden lässt. Ich ergreife Pierres Arm und wir wollen gerade zum Eingang gehen, da tritt jemand an uns heran. Ich habe sein Gesicht schon mal gesehen, wenn ich mich Recht erinnere, ist das einer der Offiziere von Louis.

      «Monsieur Polignac, Mademoiselle Strong. Willkommen im Namen von Louis Gaultier. Ich habe Sie erwartet und soll Sie zu Louis bringen. Würden Sie mir bitte folgen.»

      Pierre nickt, schaut mich aber mit hochgezogenen Augenbrauen an. Offensichtlich ist diese spezielle Behandlung eine Ehre, die er bislang noch nicht erlebt hat. Der Vampir führt uns durch den Haupteingang in einen Raum, der sich neben dem Saal befindet, in dem die meisten Gäste bereits versammelt sind. Ich vermute, dass der Raum eigentlich als Büro gedacht ist, aber aktuell ist er leer, lediglich am Rand stehen ein paar Tische mit weißen Tischdecken darauf.

      In dem Raum erwarten uns drei Personen. Louis fällt sofort ins Auge, er ist schlank, hochgewachsen, mit schwarzen Haaren und einem leicht dunklen Teint. Er wurde vermutlich mit Anfang dreißig verwandelt und strahlt die Energie eines starken Vampirs aus. Das deutet darauf hin, dass er deutlich über einhundert Jahre alt ist, aber meines Wissens zählt er noch nicht zu den Uralten.

      Neben ihm steht Madame Lorraine, eine alte, weißhaarige Frau, in etwa so alt, wie meine Großmutter jetzt wäre, wenn sie noch leben würde. Madame Lorraine ist der älteste Mensch, den ich kenne, der mit der Vampirgesellschaft verbunden ist. Sie hat ihren Vampir kennengelernt, als sie so jung war wie ich und ist seither mit ihm zusammen. Als sie zu alt wurde, um ihn zu nähren, hat sie ihm eine andere Frau gesucht, eine mütterliche Rolle eingenommen und übt mit ihrer Liebe und Erfahrung einen starken Einfluss auf ihren Vampir, auf Louis und die französischen Clans aus.

      Ihr Vampir, Jean, ist der dritte in dieser Runde. Über ihn weiß ich wenig, außer dass er der erste Offizier und Stellvertreter von Louis ist. Da der Rang in der Vampirgesellschaft durch die Stärke des Vampirs festgelegt wird, ist er vermutlich auch älter als Pierre, aber er macht nicht den aggressiven Eindruck, den mächtige Vampire häufig hinterlassen. Vielleicht ist das seiner starken Verbindung mit einem Menschen zu verdanken, zumindest sieht das Madame Lorraine so. Da ich aber außer Pierre und Tante Anna noch keine Vampire näher kennen gelernt habe, konnte ich diese Theorie bisher nicht überprüfen.

      Louis sieht uns entgegen, als wir von dem Vampir, der uns empfangen hat, in den Raum geführt werden. Wie es sich in dieser Gesellschaft geziemt, halte ich mich ein wenig hinter Pierre auf, er ist der Vampir, ich bin ihm als Mensch nur zugeordnet. Es kann zwar sein, dass Madame Lorraine erreicht, dass Menschen unter den Vampiren mehr Bedeutung gewinnen, aber ich will niemanden gegen uns aufbringen, nur weil ich weiß, dass Pierre mich als gleichgestellt sieht und auch so behandelt.

      «Ah, da ist ja Pierre. Ich freue mich, dich hier begrüßen zu können.», sagt Louis mit höflicher Miene. Seine Stimme ist sanft, aber man merkt, dass er es gewohnt ist, Befehle zu geben und Gehorsam zu bekommen. Pierre verneigt sich leicht vor ihm und vor Jean, während ich so tue, als wäre ich nicht vorhanden. Pierre hat mir erklärt, dass Menschen nur dann reagieren sollen, wenn sie direkt angesprochen werden.

      «Die Freude ist ganz meinerseits, Louis. Ich bedanke mich für diese Einladung.»

      Erstaunlicherweise wendet sich Louis jetzt an mich.

      «Ich freue mich auch, dass du dieser Einladung ebenfalls gefolgt bist, Trish. Deine Tante hat betont, dass du unter ihrem besonderen Schutz stehst und ich möchte versichern, dass dieser Schutz auch mein expliziter Wille ist. Solche Unhöflichkeiten, wie sie sich Gregori damals erlaubt hat, werde ich nicht dulden.»

      Nun ja, das was Gregori sich erlaubt hat, war schon mehr als eine Unhöflichkeit, aber ich will zugestehen, dass das Verhalten von Louis bereits einen gewaltigen Fortschritt darstellt. Daher verneige ich mich ebenfalls vor ihm.

      «Ich habe vollstes Vertrauen in ihren Schutz und bin deshalb der Einladung gerne gefolgt.»

      Das Gesicht von Madame Lorraine hellt sich auf, offensichtlich habe ich die richtige Form der Erwiderung gefunden. Sie hat mich wohl noch als die sehr menschlich denkende und offensive Trish in Erinnerung, die damals Gregori gegen sich aufgebracht hat.

      «Vielleicht habt ihr euch gewundert, warum ich diesen Empfang arrangiert habe.» setzt Louis fort. «Leider hat sich eine neue Gruppierung gebildet, die sich an der Anwesenheit eines nicht-europäischen Clans in Südfrankreich stört. Angeführt wird die Gruppe von Adélie Leblanc, die in der Nähe von Marseille beheimatet ist. Sie behauptet, dass damit ihr Einflussbereich durch die Auserwählte begrenzt wird.»

      «Weder die Auserwählte noch ich haben ein Interesse an Einfluss auf die Gegend um Lorgues. Es war doch auch in der Vergangenheit kein Problem, wenn nicht-europäische Vampire Besitztümer in Europa hatten.», wendet Pierre ein.

      «Das weiß ich sehr wohl, aber leider finden Adélies Argumente bei Einigen Gehör. Ich hoffe, durch dieses Treffen Verständnis füreinander aufbauen zu können. Ich wollte dich bitten, Pierre, dich in den Gesprächen offen zu zeigen und zu zeigen, dass die Auserwählte keinen Gebietsanspruch entwickeln möchte.»

      «Das ist kein Problem, denn es entspricht der Wahrheit.»

      «Gut. Es wäre sehr bedauerlich, wenn die guten Beziehungen zwischen der Auserwählten und den Vampiren in Europa durch Missverständnisse getrübt werden. Germaine, würdest du unsere Gäste bitte in den Saal begleiten, ich komme gleich nach.»

      Madame Lorraine nickt, verbeugt sich vor Pierre und ergreift meine Hand.

      «Selbstverständlich, Louis. Wenn du mir bitte folgen würdest, Pierre. Komm Trish.»

      Sie führt uns aus dem Zimmer in einen Saal, in dem etwa fünfzig Personen versammelt sind. Stimmengewirr empfängt uns und das ist bereits ein Unterschied zu der Party, die Gregori damals gegeben hat. Vampire können sich über Gedanken verständigen und da bei Gregori Menschen keinen Wert