nicht erwartet. „Nun“, musste Cassandra zugeben, „es ist nicht so, dass er nicht versucht hätte mich zu verführen, doch er bemerkte sehr schnell, dass ich auf sein Versprechen hoffte. Er wollte mein Vertrauen gewinnen. Das hat er jetzt. Doch er hat auch zugegeben, dass es ihm sehr schwer fiel, seine Hände von mir zu lassen.“ Cassandra lächelte glücklich bei diesen Worten. Sie war sehr froh, dass René die Kraft besaß seine Begierde zu zügeln.
Emilie sah ihre Freundin mit ernstem Blick an. „René liebt Dich. Eine andere Erklärung gibt es nicht für sein Verhalten.“ Emilie lächelte erleichtert. Sie freute sich für Cassandra, dass René es ernst meinte mit ihr und dass ihre Freundin offenbar dabei war sich in René zu verlieben. Zufrieden stand Emilie auf und verließ, ohne ein weiteres Wort, das Zimmer ihrer Freundin. Cassandra träumte einen Moment lang vor sich hin und dachte an die letzten Worte von Emilie. „René liebt Dich.“ Dass diese Worte wirklich stimmten, davon war sie jetzt überzeugt. Nur wusste sie immer noch nicht, ob sie René liebte.
Geduld ist erforderlich
Cassandra hatte sich eine Liste gemacht von den Dingen die sie unbedingt mitnehmen wollte auf ihre Reise nach Mexiko. Ohne Liste tendierte sie dazu wichtige Sachen zu vergessen. Außerdem hasste sie es ihren Koffer zu packen. Es machte sie immer nervös und es bedeutete Abschied nehmen vor ihrer geliebten Routine. Zwar verreiste sie gern, aber neue Dinge und andere Länder machten ihr auch Angst, da sie trotz guter Planung nie genau wusste was sie dort erwartete.
Ihr Koffer lag geöffnet auf dem Teppich in ihrem Zimmer. Verschiedene Kleidungsstücke hatte sie auf ihrem Bett verteilt und ihr Kleiderschrank stand weit offen. Konsequent arbeitete Cassandra ihre Liste ab. Dann überprüfte sie den Inhalt ihrer Kulturtasche und legte sich auf ihrem Schreibtisch all die Dinge bereit, die sie morgen noch einmal benötigen würde.
Ihren Koffer zu packen dauerte nicht so lange wie sie befürchtet hatte, trotz der Tatsache, dass sie versucht hatte alle Kleidungsstücke so ordentlich wie möglich in ihren Koffer zu legen. Denn sie konnte nicht bügeln. Wenn immer sie es versuchte waren die gebügelten Stücke nicht wirklich glatter als vorher.
Doch als sie fertig war mit Kofferpacken, beschlich sie ein ungutes Gefühl. Sie prüfte erneut ihre Liste, doch sie konnte nicht feststellen etwas Wichtiges vergessen zu haben. Außerdem war Mexiko kein Entwicklungsland, sondern längst ein Schwellenland, das kurz davor stand den Anschluss zur so genannten ersten Welt zu schaffen. Wenn sie etwas vergessen haben sollte, könnte sie es sich sicherlich vor Ort kaufen.
Aber diese Erkenntnis beruhigte Cassandra nicht wirklich. Da war etwas anderes das sie quälte. Es war der Gedanke sich morgen für drei Wochen von René verabschieden zu müssen. Dabei hatte sie gerade erst Vertrauen und Zugneigung zu ihm aufgebaut.
Sie versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie schon in wenigen Tagen ihren Bruder Michael wieder sehen würde. Sie lächelte bei diesem Gedanken und versuchte sich auf ihre bevorstehende Reise zu freuen.
In der folgenden Nacht konnte Cassandra nicht wirklich schlafen. Sie drehte sich von einer Seite auf die andere und wachte immer wieder auf, bis sie schließlich in einen wenig erholsamen Schlaf fiel.
René konnte in dieser Nacht genauso schlecht schlafen wie Cassandra. Ihn quälten die gleichen Befürchtungen und Ängste wie sie. Er wälzte sich in seinem Bett hin und her. An Schlaf war für ihn nicht zu denken.
Dann fiel ihm das T-Shirt wieder ein, dass Cassandra in der Nacht zuvor getragen hatte. Er stand auf, suchte danach und ging mit dem T-Shirt in der Hand wieder in sein Bett. Das T-Shirt duftete nach Cassandras Parfüm. Er legte es neben sich ins Bett und versuchte sich einzubilden es wäre Cassandra. Zu seinem eigenen Erstaunen half diese Strategie. Er schlief ein und träumte von ihr.
Gerädert und müde wachte Cassandra am nächsten Morgen viel zu früh auf. Sie quälte sich aus ihrem Bett und ging ins Bad. Noch immer nicht ganz wach, schlich sie vom Bad in ihr Zimmer zurück. Sie zog sich an und überprüfte dann ihre Liste, ob sie auch wirklich alles für ihr Handgepäck dabei hatte. Zufrieden ging sie leise in die Küche, wo sie erschrak. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Emilie dort sitzen würde. Sie begrüßten einander fröhlich, aber leise, da sie Cecilia, die noch schlief nicht wecken wollten.
Doch sie hatten Cecilias Neugierde unterschätzt. Wenige Minuten nachdem Cassandra in der Küche erschienen war, zeigte sich auch das verschlafene Gesicht von Cecilia im Türrahmen. „Könnt ihr nicht leise sein. Ich wollte noch schlafen“, behauptete sie. Doch es war offensichtlich, dass ihre Neugierde sie in die Küche gelockt hatte.
Noch im Schlafanzug setze sie sich zu den Freundinnen und hörte zu was die beiden besprachen. „Du solltest auf jeden Fall etwas essen, Cassandra“, drängte Emilie ihre Freundin. „Aber ich habe keinen Hunger“, protestierte Cassandra. „Egal, iss jetzt etwas“.
Emilie stellte ihr die Schüssel mit einer großen Portion Cornflakes, Haferflocken und Milch hin. Einen großen Löffel legte sie auch dazu. Dann sah Emilie Cassandra eindringlich an, bis diese mit dem Verzehr der Cornflakes begann. „Gutes Mädchen“, grinste Emilie. Dann aß sie selber auch eine große Portion Cornflakes. Genüsslich essend tauschten Cassandra und Emilie Blicke aus, mit denen sie einander zu verstehen gaben, dass die Anwesenheit von Cecilia sie störte.
Doch Cecilia hatte an diesem Morgen erstaunlich viel Geduld und blieb in der Küche, trotz der stummen Protesthaltung der Freundinnen. In aller Ruhe bereitete Cassandra für sich und Emilie einen Instantkaffee mit dem heißen Wasser des Wasserkochers zu, als Cecilia plötzlich in die Stille hinein fragte.
„Wann kommt René um Dich abzuholen?“ Cassandra musste lächeln. Sie hatte Cecilia den Rücken zugewandt um den Kaffee zuzubereiten. Nun drehte sie sich vorsichtig um, damit sie nichts von dem heißen Kaffee verschüttete. Sie reichte Emilie einen Becher und stellte dann ihren eigenen vorsichtig auf den Tisch, bevor sie noch im Stehen mit unverhohlener Freude verkündete.
„René kommt nicht hierher. Ich treffe ihn am Flughafen.“ Dann genoss sie den enttäuschten Gesichtsausdruck von Cecilia, die ohne ein weiteres Wort die Küche verließ. Cassandra war erstaunt über sich selber. Diese fiese Seite kannte sie nicht von sich, aber vermutlich lag es hauptsächlich an Cecilia, die in ihr diesen unfreundlichen Wesenszug erweckte.
Es war eine kurze Nacht für René. Er wachte vorzeitig in Panik auf, er könnte den Abflug von Cassandra verpasst haben. Ein Blick auf die Uhr, die auf seinem Nachttisch stand, beruhigte ihn aber. Er hatte noch Zeit. Langsam setzte er sich auf die Bettkante seines Bettes so wie Cassandra es getan hatte, als sie zuletzt hier war.
Sie fehlte ihm bereits jetzt, auch wenn er noch einmal die Gelegenheit hatte sie zu umarmen und zu küssen. Er drehte sich um, nahm das T-Shirt in die Hand, das Cassandra getragen hatte und schnupperte daran. Es war nach wie vor ihr Duft an dem T-Shirt. Er legte es sorgfältig wieder in sein Bett und stand auf. Müde ging er ins Bad und duschte.
Mit nassen Haaren kam er aus dem Bad und zog sich an. Dann fiel sein Blick auf die Kartontüte, in dem sich das Geschenk für Cassandra befand. Er hatte eine kleine Karte am Geschenk befestigt, in der er aber nicht nur Geburtstagsglückwünsche formuliert hatte. Er war sicher, sie würde sich über das Parfüm freuen und hoffte, dass die dazugehörigen Zeilen ihre Rückkehr zu ihm beschleunigen könnten.
Eigentlich hatte er keinen Hunger. Dennoch ging er in die Küche und füllte sich eine große Portion Cornflakes in eine Frühstücksschüssel. Langsam aß er Löffel für Löffel. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht sich hinzusetzten. Er stand an der Spüle und schaute in die Küche.
Dort auf dem Stuhl hatte Cassandra gestern noch gesessen. Heute würde sie für drei lange Wochen nach Mexiko fliegen und er musste so lange ohne sie sein. Er war traurig und wütend zugleich. Wieso mussten auch Cassandras Eltern ausgerechnet jetzt auf die Idee kommen mit ihrer Tochter nach Mexiko fliegen zu wollen. Plötzlich bemerkte René wie albern sein innerer Protest war. Denn egal ob Cassandra jetzt oder in sechs Monaten oder in einem Jahr nach Mexiko fliegen würde. Sie würde ihm immer fehlen. Er liebte sie und wollte sie immer bei sich haben.
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