Cedrina Lautenfeld

Torn apart - Zerrissen zwischen zwei Männern


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Sohn und die Schwiegertochter Maria, die sie in guter Erinnerung hatte. Die beiden Jungen ihres Sohnes, ihre Enkel Pedro und Rafael kannte sie bisher nur als Baby und Kleinkind. Jetzt aber, so hatte Michael in seinem letzten Brief berichtet, sprachen die beiden schon gut Spanisch. Daher hatte Lissi mehrere Volkshochschulkurse besucht, um so gut wie möglich Spanisch zu lernen. Sie hatte ihre Spanisch Lehrbücher mitgenommen und sah sogar jetzt im Flugzeug in ihre Bücher.

      Nun fragte sie Cassandra nach einer sprachlichen Feinheit. „Me gusta und quiero heißt doch beides ich mag, oder? Aber wann benutzte ich was?“ Cassandra lächelte und erklärte es ihrer Mutter. „Me gusta kannst Du sagen, wenn Dir zum Beispiel das Essen schmeckt oder Dir ein Bild gefällt. Aber quiero ist viel stärker. Es hat mehr die Bedeutung von lieben. Ich liebe es, etwas zu tun oder mit jemandem zusammen zu sein. Wenn ich sage te quiero, dann bedeutet es sogar ich liebe Dich auf Spanisch.“

      Cassandra konnte sehen, dass ihre Mutter diesen Unterschied verstanden hatte. Sie gab ihrer Mutter einen liebevollen Kuss auf eine Wange und sagte, „Mama, ich finde es toll, dass Du Dir die Mühe machst Spanisch zu lernen.“ „Es bleibt mir ja nichts anderes übrig, wenn Michael eine Mexikanerin heiratet und ich mit ihr reden möchte. Ich kann doch nicht erwarten, das Maria extra für mich Deutsch lernt.“

      Cassandra nickte zustimmend. Das war eine sehr vernünftige Einstellung ihrer Mutter. Ihr Vater hingegen sprach nur Deutsch und Englisch. Spanisch zu lernen hatte er bisher als nicht notwendig erachtet, da sowohl Michael als auch Cassandra diese Sprache fließend sprachen und er hoffte, weiterhin von den Sprachkenntnissen seiner Kinder profitieren zu können.

      Zeit zum Lesen hatte Cassandra nun nicht mehr, denn es gab jetzt Frühstück im Flugzeug. Das Frühstück war lecker und verkürzte die Zeit bis zur Landung in Mexiko-Stadt. Michael würden sie erst morgen treffen. So blieb ein Tag, um zumindest einen Teil der Sehenswürdigkeiten von Mexiko-Stadt, die Cassandra so mochte, noch einmal zu besichtigen.

      Die Landung auf dem Flughafen in Mexiko-Stadt war sanfter, als die in Frankfurt am Tag zuvor. Trotzdem war Cassandra froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Es dauerte lange bis sie ihre Koffer hatten und die Passkontrolle überwunden war. Doch schließlich standen sie vor dem Flughafengebäude und suchten nach dem Taxi-Service ihres Hotels.

      Andere Taxifahrer sprachen sie auf Englisch an und versuchten mit ihnen ins Geschäft zu kommen. Doch Cassandra erklärte ihnen in fließendem Spanisch mit mexikanischem Akzent, dass sie kein Taxi benötigten. Überrascht und mit dem Eindruck auf eine Einheimische gestoßen zu sein, ließen die Taxifahrer von ihnen ab und kümmerten sich um andere potentielle Fahrgäste.

      Dann kam das Hoteltaxi. Der Fahrer begrüßte sie, überprüfte ihre Namen und lud in aller Ruhe und mit viel Zeit ihr Gepäck in sein Kleinbustaxi ein. Cassandra grinste als sie die Automarke des Fahrzeuges sah. Es war der gleiche Hersteller bei dem Michael in Puebla arbeitete.

      Vom Flughafen ging es nur langsam voran in Richtung Innenstadt und Hotel. In dieser Weltstadt gab es immer viel Autoverkehr, doch sie hatten ausgerechnet die Hauptverkehrszeit erwischt. Cassandra nutzte die Verzögerung, um sich durch die Autofenster die Stadt anzusehen. Es schien sich nichts verändert zu haben, in dieser Stadt, seit sie das letzte Mal, hier gewesen war.

      Teile der Stadt sahen für deutsche Augen immer noch unfertig und chaotisch aus. Unzählige kleine und große Straßen zogen an Cassandras Augen vorbei. Sie sah kleine und große Geschäfte und viele Menschen auf den Bürgersteigen. Doch Cassandra machte dieses Gewimmel von Läden, Straßen, Menschen und Autos nichts aus. Sie fühlte sich wohl und konnte sich nicht satt sehen an der Stadt.

      Als sie beim Hotel ankamen und endlich ihre Koffer in ihren Hotelzimmern abgestellt hatten, war noch Zeit bis zum Abendessen. Cassandra schlug ihren Eltern vor einen Spaziergang zum Chapultepec Park zu machen, der ganz in der Nähe ihres Hotels lag. Da es für Lissi und Robert die erste Reise nach Mexiko war, verließen sie sich auf die Empfehlung ihrer Tochter. Trotzdem fragte Robert sie neugierig, „wieso willst Du unbedingt in den Chapultepec Park?“ „Papa, dieser Park ist wunderschön und sehr groß. Er ist die grüne Lunge der Innenstadt. Die Mexikaner nutzen ihn als eine Art Naherholungsgebiet. Ich möchte aber auch dahin, weil es dort ein schönes Schloss mit viel Geschichte und einem tollen Blick über die Innenstadt gibt.“ Sie lächelte ihren Vater an. Er lächelte verständnisvoll zurück, denn er kannte das große Interesse seiner Tochter an Geschichte.

      „Deine Idee klingt wirklich gut. Wir werden also ein Schloss sehen und einen schönen Park.“ Lissis Interesse war geweckt. Sie lächelte in Vorfreude.

      Sie brauchten nicht viel Zeit, um zum Chapultepec Park zu gelangen. Der Park lag in der Innenstadt von Mexico-Stadt und war die einzige größere Grünfläche. Entsprechend viele Mexikaner suchten ihn vor allem am Wochenende auf. Heute war allerdings ein Werktag und so waren nur wenige Mütter und Väter mit ihren Kindern im Park.

      Ein See zum Rudern, ein Zoo und Kinderspielplätze waren auf dem großen Gelände verteilt. „Du hast uns nicht zu viel versprochen“, bestätigte Robert seiner Tochter, „der Park ist wirklich schön.“ Lissi nickte zustimmend.

      Plötzlich blieb Lissi stehen. „Da sollen wir jetzt heraufgehen?“ Sie zeigte mit dem Finger auf Teile des Schloss Gebäudes, das durch die Bäume, die es umringten, nur wenig zu sehen war. „Ja“, bestätigte Cassandra grinsend. Dann erklärte sie voller Verständnis für die Bedenken ihrer Mutter. „Aber Mama, es gibt eine breite, mit dem Auto befahrbare, Auffahrt zum Schloss. Wenn wir langsam gehen ist das leicht zu schaffen.“ Cassandra sah ihre Mutter aufmunternd an.

      „Lissi, das schaffst Du“, ermunterte sie auch ihr Mann Robert. Lissi schaute von Cassandra zu Robert, atmete tief durch und startete den Weg nach oben zum Schloss. Lissi ging gern spazieren, doch möglichst auf ebenen Wegen. Urlaub in den Bergen hatte sie noch nie gemacht. Robert hingegen fuhr nicht nur gern ans Meer, sondern auch gern in die Berge. Doch seit er seine Frau kannte, hatte er nur noch einmal Urlaub in den Bergen gemacht.

      „Schön ist es hier“, sagte Lissi noch etwas keuchend. „Das Schloss ist aber klein. Ich hatte es mir größer vorgestellt“, hörte Cassandra ihren Vater sagen. Cassandra ging es genauso. „Stimmt, ich hatte es auch größer in Erinnerung“, bestätigte sie. Dann steuerte sie die Außenanlage des Schlosses an, um den Panoramablick über die Innenstadt zu genießen. Auch hier erwartete sie eine kleine Enttäuschung. „Schade, die Bäume sind gewachsen. Der Blick von hier über die Stadt ist nicht mehr so eindrucksvoll wie beim letzten Mal als ich hier war“, erklärte sie traurig ihren Eltern. „Das macht nichts wir können den Blick trotzdem genießen“, tröstete sie ihre Mutter. An der einen oder anderen Stelle war es möglich zwischen den Bäumen hindurch die Stadt zu sehen. Diese Tatsache versöhnte Cassandra wieder.

      „Gehen wir ins Museum?“, fragte sie dann ihre Eltern. „Wir haben noch Zeit“, drängte sie. Ihre Eltern sahen einander an und nickten. Dann kauften sie Eintrittskarten und betraten das Schloss, in dem das Museo Nacional de Historia, untergebracht war. Es beherbergte eine interessante Sammlung zur Geschichte der Mexikaner, die ihren Schwerpunkt in der Erklärung der Zusammenhänge der Ereignisse im 18. und 19. Jahrhundert hatte.

      Das historische Schloss lag auf einem Hügel hoch über der Stadt. Es zeichnete sich aus durch einen wunderschönen Panoramablick über die Stadt, den Cassandra gern genoss. Doch nun lächelte sie in Vorfreude auf den Rundgang durch das schöne Gebäude. Vorher jedoch erklärte sie ihren Eltern kurz die wechselvolle Geschichte dieses wundervollen Ortes.

      „Im 19. Jahrhundert hatten hier Maximilian von Habsburg, der Bruder von Kaiser Franz Joseph von Österreich und Ungarn und seine Gemahlin, Erzherzogin Carlota, gelebt. Sie bewohnten das Schloss allerdings nur kurze Zeit, da politische Wirren die Regentschaft von Maximilian zum Scheitern verurteilten. Er war ein schwacher Regent, der die wirklichen Machtverhältnisse verkannte und so zum Wohle seiner politischen Gegner geopfert wurde. Seine Regentschaft begann im Mai 1862 als ihm die Nationalversammlung, die von der siegreichen französischen Expeditionsstreitmacht kurz zuvor eingesetzt worden war, die mexikanische Krone anbot. Kurze Zeit später wurden er und seine Gattin, dann zum Kaiserpaar gekrönt. Nach politischen Wirren wurde Maximilian allerdings in Querétaro gefangengenommen und am 19. Juni 1867 hingerichtet.