Bettina Reiter

Die Geschwister Bourbon-Conti - Ein fatales Familiengeheimnis


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wirst du eines beziehen und ich befürchte, dass es unter deinem fetten Hintern zusammenbrechen wird.“

      Henriettes Mutter trat einen Schritt vor. „Bitte, fangt nicht wieder zu streiten an.“

      „Wer streitet denn, Babette?“, beschwerte sich Lotti verschnupft. „Wir kennen keinen anderen Umgang miteinander, sobald wir in einem Raum sind.“

      „Darin stimme ich dir ausnahmsweise zu“, nahm Françoise sofort den Faden auf. „Denn auch ich hätte lieber einige Kontinente zwischen uns.“

      „Warum bist du dann gekommen?“

      „Du kennst die Antwort, meine Liebe“, kam es zweideutig zurück. „Und du“, sie deutete mit dem Zeigefinger auf Henriettes Mutter, „solltest dich raushalten, Narbenfratze.“ Die Großtante machte ein angewidertes Gesicht. „Es dauert Wochen, bis man sich von deinem Anblick erholt und selbst ich, die daran gewöhnt sein müsste, bin immer wieder aufs Neue schockiert.“

      „Was erlaubt Ihr Euch?“, verteidigte Henriette trotz allem ihre Mutter, die ihr jedoch mit strenger Miene bedeutete, still zu sein.

      „Sieh an, dir scheint es immer noch an Manieren zu fehlen.“ Françoises Miene verfinsterte sich. „Aber dem wird bald Abhilfe geschaffen. Übrigens hatte ich auf dem Weg hierher eine weitere blendende Idee“, wandte sie sich an Lotti. „Ich möchte, dass dein Urenkel Antoine meine Enkelin Maria heiratet, sobald sie im entsprechenden Alter sind.“

      Diana erstarrte zur Salzsäule. „Nur über meine Leiche, Mutter!“ Der Junge drängte sich an Diana und vergrub die Finger in den Falten ihres Kleides.

      „Komm zu mir, Maria.“ Françoise drehte sich zu dem Mädchen um, das erschrocken die Augen aufriss. Noch ehe sich’s die Kleine versah, zerrte die Großtante sie am Kragen zu sich. „Eine wohlerzogene Braut.“ Françoise schob Maria vor Lotti hin. Die Lippen der Kleinen, die im selben Alter wie Antoine war, bebten. In ihren Augen schwammen Tränen. „Du warst schon immer aufsässig, Diana. In Lottis Haus wird sich das um einiges verschlimmert haben. Aber du kannst dich winden wie eine Schlange, letztendlich wirst du dich fügen, weil ich es von dir erwarte. Wir müssen schließlich den Fortbestand unserer Dynastie sichern und mir persönlich ist es egal, ob du an der Hochzeit lebend oder im Sarg teilnimmst. Geheiratet wird in jedem Fall.“ Diana erbebte. „Und du, Babette, beabsichtigst also Philippe in deine Familie aufzunehmen?“ Françoise setzte ein falsches Lächeln auf. „Du nimmst mir eine große Bürde, denn wie du ja weißt, wollte ihn keine andere. Umso erleichterter bin ich über deine Zusage, obwohl ich dafür deine Familie in Kauf nehmen muss, aber was tut man nicht alles, nicht wahr? Du hast ja ebenfalls keine Skrupel, deine Tochter zu opfern.“ Der boshafte Seitenblick auf Lotti glich einem imaginären Fausthieb. „Philippe wird Henriette guttun und ihr die nötige Erziehung angedeihen lassen. Und keine Angst, seine Wutanfälle hat er inzwischen halbwegs im Griff.“

      Henriette warf ihrer Mutter einen verzweifelten Blick zu, die kreidebleich geworden war. Ebenso wie Diana, der das Entsetzen förmlich ins Gesicht geschrieben stand. „Darüber ist noch nicht das letzte Wort gesprochen“, ergriff Henriette Partei für sich selbst, weil es sonst keiner tat. „Außerdem gibt es bereits einen Anwärter, der mir sehr gut gefällt.“

      „Halt den Mund“, wurde Lotti zornig.

      „Lass sie doch“, gewährte Françoise und musterte Henriette. „Meinst du den Herzog von Penthiévre?“

      „So ist es“, bestätigte sie und fragte sich, woher Françoise das schon wieder wusste.

      Die Großtante lächelte. „Der Herzog ist uns auf dem Weg hierher begegnet und hat sich über die Abfuhr deiner Mutter beklagt.“ Sie raffte ihren Rock. „Womit alles gesagt ist. Du wirst Philippe heiraten, ansonsten wird deine Familie ihres Lebens nicht mehr froh.“

      Charlottes triumphierender Blick traf Henriette, die am liebsten davongelaufen wäre. Élisabeths Miene drückte Mitleid aus. Der Diener hüstelte vornehm und führte die Großtante samt Gefolge die Treppen hinauf, um ihnen die Zimmer zuzuweisen. Das Schließen einiger Türen hallte bedrohlich zu ihnen herunter.

      „Wie konntest du eine Hochzeit mit Philippe auch nur ansatzweise in Erwägung ziehen, Babette?“, warf Diana ihr vor. „Henriette ist deine einzige Tochter und Philippe für seine schlagkräftigen Argumente bekannt. Mein Bruder hat mir Dinge über meinen Neffen erzählt, die mir noch jetzt das Blut in den Adern gefrieren lassen. Sogar er fürchtet sich vor seinem Sohn!“

      „Das weiß ich selbst“, entgegnete Henriettes Mutter und ging in den Salon zurück. Die anderen folgten ihr. „Und ich verfluche mich dafür, dass wir …“ Sie brach ab.

      „Dass ihr was?“ Diana ließ sich ächzend auf Henriettes Stuhl nieder und strich sich über den Bauch. „Du musst das wieder in Ordnung bringen! Auch für Antoine möchte ich alles andere, aber sicher keine enge Bindung zu Mutter. Je weniger wir miteinander zu tun haben, desto besser.“

      „Es ist zu spät. Zumindest für Henriette“, ließ Lotti verlauten, die mit dem Rücken zu ihnen stand und aus dem Fenster starrte. Schiefergraue Wolken türmten sich am Himmel auf. Der Wind zerrte an den Bäumen und bog die schwächsten unter ihnen gen Erde. Sein Heulen und das Rütteln an den Balken verstärkten Henriettes Angst. Sie ahnte, dass sie verloren hatte.

      Lotti räusperte sich. „Philippe suchte mich heute Morgen auf. Françoise hat ihn in alles eingeweiht. Kurz und gut, ich habe seinen Antrag auch in deinem Namen angenommen, Babette.“

      Henriettes Hände umklammerten die Stuhllehne. Ihre Beine schienen wie mit Blei gefüllt. Durch ihren Kopf rasten tausend Gedanken und schreckliche Bilder.

      „Du hast das ohne Rücksprache mit mir entschieden?“, hörte Henriette die Mutter und blickte zu ihr. Mit zorniger Miene umfasste sie Lottis Schultern und drehte sie unwirsch zu sich herum.

      „Es war unsere gemeinsame Entscheidung!“, herrschte Lotti sie an.

      „Und wenn schon.“ Die Mutter schüttelte den Kopf. „Weshalb musst du mich ständig übergehen?“

      „Du tust gerade so, als hätten wir das nicht nächtelang durchgekaut. Das Ganze war auch in deinem Sinn oder willst du das etwa abstreiten?“

      „Nein, aber ich …“

      „Dann ändere nicht ständig deine Meinung. Wir haben ohnehin keine Wahl.“

      „Ihr sprecht, als wäre ich nicht anwesend“, mischte sich Henriette ein. Ihre Mutter ließ von der Großmutter ab. „Und nur damit ihr es wisst: Ich habe keinesfalls vor, diesen Mann zu heiraten! In den letzten hundert Jahren hat sich viel geändert. Heutzutage sind weder eine Trennung noch eine Weigerung zu heiraten verboten. Deshalb denke ich nicht im Traum daran, mit diesem Mann vor den Altar zu treten. Philippe kann mir gestohlen bleiben und du auch, Großmutter, wenn du weiterhin darauf bestehst, dass ich diesem Teufel mein Ja–Wort gebe. Zusage hin oder her, sie ist nichts wert, wenn ich nicht will.“

      „Mäßige dich, junge Dame“, schimpfte Lotti, schaute dabei jedoch Henriettes Mutter in die Augen. „Bring deine Tochter gefälligst zur Vernunft, Babette“, zischte sie ihr zu.

      „Wenn Louis davon erfährt, könnt ihr euch auf etwas gefasst machen“, drohte Henriette ihnen.

      „Dein Bruder weiß es bereits“, informierte Lotti sie. Diana und Henriette wechselten einen entsetzten Blick. „Er unterstützt unseren Plan mit Philippe.“

      Ob den Herzog … oder einen anderen, kamen ihr Louis’ Worte in den Sinn und plötzlich wurde Henriette einiges klar. Seine überstürzte Abreise hatte nichts mit der Großtante zu tun, sondern damit, dass er wusste, wie sie auf Philippe als Bräutigam reagieren würde! „Von wegen Versöhnung“, stieß sie mit einem kalten Blick auf die Mutter aus, „Ich hatte recht, dass das nur ein vorgeschobener Grund ist. Auf meine Kosten und auf die des Herzogs. Wieso habt ihr ihn herbemüht?“

      „Er bat um diese Unterredung, nicht wir“, bemüßigte sich ihre Mutter zu einer Erklärung. „Natürlich haben