Christoph Hoenings

DAS GESCHÄFT - TEIL 1


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wollte Graf aber wirklich gerne noch was zu Trinken. Er hob sein leeres Glas, guckte hinein, und setzte es wieder ab.

      Bustamante drückte auf einen Klingelknopf und der Diener erschien.

      Bustamante machte eine kurze kreisende Handbewegung, um dem Diener zu signalisieren, dass er noch eine Getränkerunde bringen sollte, was sofort geschah.

      Solange der Diener im Raum war, sagte niemand etwas.

      "Señor Graf, das war sehr aufschlussreich. Ich danke für das Füllen einiger Wissenslücken. Sie sind offenbar in diesen Dingen recht bewandert."

      Graf versuchte, ein bescheidenes Gesicht zu machen.

      Bustamante fuhr fort:

      "Lassen Sie mich zum Abschluss fragen, wie es bei dem Projekt weitergeht. Was passiert als nächstes?"

      Graf erläuterte, dass er eine offizielle Einladung der Marine zu technischen Gesprächen erwarte und dass auf verschiedenen bürokratischen Ebenen Aktenlagen hergestellt werden müssten. Die Marine müsse die Regierung über die Gesprächsaufnahme mit Grafs Unternehmen unterrichten, einen Budgetantrag stellen, sich die Verhandlungen über den Kauf der Schiffe sobald wie möglich genehmigen lassen. Er, Graf, würde nach seiner Rückkehr nach Deutschland Kontakt zu Banken aufnehmen, um deren Finanzierungsbereitschaft auszuloten.

      Bustamante, der von solchen Feinheiten nicht viel verstand, war zufrieden, dass etwas passierte, was ihn näher an sein Geld bringen würde.

      "Señor Graf, Señor Kinzel, es ist mir eine echte Freude, Sie kennengelernt zu haben. Ich wünsche Ihnen eine gesunde Heimkehr nach Deutschland und hoffe, wir sehen uns bald wieder."

      Er stand auf, und auch Graf und Kinzel erhoben sich.

      Das Treffen war beendet.

      "Was ist eigentlich mit dem netten Mädchen, das Sie gestern bei sich hatten?" wollte Bustamante noch wissen. „Sie hat dem Präsidenten gut gefallen und Anamaria hat sich sehr lobend über sie geäußert." Kinzel klappte vor Überraschung der Unterkiefer nach unten.

      „Sie war bisher in Ihrem Verteidigungsministerium tätig, will aber dort weg,“ sagte Graf.

      „Ich kann sie in meinem Ministerium unterbringen, wenn ich Ihnen damit eine Gefälligkeit erweise."

      "Das wäre unglaublich freundlich von Ihnen, Señor Bustamante."

      "Dann soll sie sich doch bei Señor Frederico Porcasi Tarran in der Personalabteilung des Ministeriums melden. Ich werde Porcasi entsprechend unterrichten."

      Kinzel notierte sich den Namen.

      Bustamante brachte sie zur Tür, wo sie sich verabschiedeten.

      Oscar fuhr den Wagen vor, und sie stiegen ein.

      "Zum Golfclub bitte, Oscar!" sagte Kinzel.

      Oscar erhaschte einen Blick auf Ministro Bustamante, den er zum ersten mal in Person sah. Bisher hatte er den Mann nur im Fernsehen oder auf Wahlplakaten gesehen.

      Es war zwanzig vor neun.

      "So, das Geschäft haben wir im Sack!" sagte Ludwig Kinzel und rieb sich die Hände.

      "Wie kommst du denn darauf?" fragte Graf entgeistert.

      "Na, der Präsident spielt mit, Bustamante spielt mit, bei der Marine laufen wir offene Türen ein! Was soll denn jetzt noch schiefgehen?" Er rieb immer noch seine Hände.

      „Darf ich dich daran erinnern, dass bisher weder mit Bustamante noch mit Fernandez Einigkeit erzielt ist. Walter muss sich noch mit Admiral Chavez beraten, Bustamante mit dem Präsidenten. Ich rechne bei beiden mit Mehrforderungen. In Oberhausen werden unsere Compliance-Leute laut aufheulen, wenn sie hören, hier sollen Beratungsgebühren bezahlt werden. Die werden von mir Lösungsvorschläge verlangen, bei denen sichergestellt ist, dass nicht das kleinste Fitzelchen Schmutz an ihren Händen hängen bleiben kann. So ein Geschäft wird nicht in zwei, drei Tagen entschieden. Die hier wissen nicht mal, wie die Schiffe aussehen sollen. Warte ab, wenn wir die Technik besprechen. Dann kommt eine lange Wunschliste, und die Kähne werden doppelt so teuer wie wir heute annehmen. Es wird wochenlang gerauft, was wieder gestrichen werden kann. Dann die Finanzierung! Ich hoffe, ich werde nicht für verrückt erklärt, wenn ich die Banken anspreche. Ob die Bundesregierung dem Geschäft zustimmt, wissen wir auch noch nicht. Das wird kein Selbstgänger, auch wenn das hier zur Zeit kein Krisengebiet ist. Selbst, wenn alle Beteiligten mitziehen, wird Bustamante seinen ersten Dollar aus diesem Geschäft frühestens in zwei Jahren kassieren. Und in der Zeit kann viel passieren! Und jetzt hör auf mit der Händereiberei, sonst kriegst du noch Blasen!“ Graf war todernst.

      "Jetzt sei doch nicht so pessimistisch!" sagte Kinzel.

      "Ich bin nicht pessimistisch. Zwei Jahre sind optimistisch. Ich bin realistisch!"

      ---

      Als Karin Kinzel mit suchendem Blick die Halle des Gran Hotel Bolivar betrat, erkannte Roxana sie als die Frau, die Sonntagabend mit Rupert und Ludwig Kinzel in der Bar des Sheraton Hotels gesessen hatte.

      Sie stand auf und stellte sich vor:

      "Señora de Kinzel, ich bin Roxana Torreblanca. Es ist sehr freundlich, dass Sie mich abholen."

      Karin Kinzel musterte sie unverhohlen. Auch sie erinnerte sich jetzt an Roxana. Mit so einem jungen Ding ließ Rupert Graf sich ein! Sie musste allerdings eingestehen, dass Rupert es gut getroffen hatte. Roxana sah hinreißend aus in ihrem enganliegenden schwarzen Minikleid. Es war lange her, dass Karin Kinzel so etwas hatte tragen können. Und Roxana wirkte keineswegs billig, auch wenn sie keinen wertvollen Schmuck oder eine teure Handtasche trug.

      Karin Kinzel hatte eine Bugatti von Hermes am Arm, die Lutz ihr mal in einem Anflug von Spendierlaune aus Europa mitgebracht hatte.

      "Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Señorita Torreblanca. Darf ich Sie Roxana nennen?"

      "Selbstverständlich, Señora."

      "Gut, kommen Sie, Roxana!"

      Roxana folgte ihr auf die Straße, wo Karin Kinzel auf einen dunkelblauen Volkswagen Golf zuging und ihn aufschloss.

      Roxana stieg auf der Beifahrerseite ein.

      Ein schöner Wagen, dachte sie, mit Lederpolstern, klein aber bequem, bequemer und viel leiser als ihr alter Käfer, der irgendwo in der Hotelgarage stand.

      "Was tun Sie beruflich, Roxana?" wollte Karin Kinzel wissen.

      "Ich arbeite in einem unserer Ministerien, Señora. Ich bin so etwas wie eine Mischung aus Sekretärin und Buchhalterin, nichts sehr Interessantes," antwortete Roxana.

      Karin Kinzel registrierte, dass Roxana nicht gesagt hatte, für welches Ministerium!

      Lutz hatte sie lediglich gebeten, im Hotel eine junge Frau einzusammeln, mit der Graf sich angefreundet habe.

      "Haben Sie Señor Graf aus beruflichen Gründen kennengelernt?"

      "Nein, Señora. Wir sind zufällig Sonntag Abend in der Bar im Sheraton ins Gespräch gekommen, nachdem Sie und Señor Kinzel weg waren."

      Aha, dachte Karin Kinzel. Sie sieht eigentlich nicht aus wie ein Barmädchen.

      Karin Kinzel beneidete insgeheim diese jungen Frauen, die sich die Freiheit nehmen konnten, mit jemandem, den sie kaum kannten, kurzerhand ins Bett zu steigen. Dass Graf und dieses kleine Ding miteinander schliefen, stand für sie außer Frage.

      In Karin Kinzels Jugend hatte es so etwas nicht gegeben.

      "Sind Sie aus Lima, Roxana?"

      "Nein, Señora, aus Arequipa. Meine Eltern sind dort Lehrer."

      Deshalb sprach sie so gutes Spanisch! Höflich war sie auch!

      Als sie den Parkplatz des Golfclubs erreichten, war Ludwigs Wagen schon da, und Karin Kinzel parkte den Golf gleich daneben.

      Oscar, der hinter dem Steuerrad des Mercedes gesessen und gedöst hatte, stieg aus und hielt ihr die