Christoph Hoenings

DAS GESCHÄFT - TEIL 1


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wollen Sie mit diesem jungen Ding, Rupert? Sie brauchen eine richtige Frau!" Dabei hatte sie sich an ihn gepresst, so dass er immer noch den Druck ihrer Brüste spürte, als er sich jetzt wieder setzte.

      Liliana lächelte ihm vielsagend zu.

      Er lächelte zurück, was aber niemandem sonst auffiel.

      ---

      Roxana begann, die Gesellschaft zu genießen.

      Das war eine für sie völlig neue Welt, in der Geld eine untergeordnete Rolle zu spielen schien.

      Es wurde über Reiseziele gesprochen, die in für Roxana unerreichbarer Ferne lagen, über Einkaufsreisen nach Europa oder USA, über Mode und Accessoires, von denen Roxana noch nie im Leben gehört hatte. Kinzel und Fernandez waren beide sehr nett zu ihr und bezogen sie in das Gespräch mit ein.

      Und unter dem Tisch rieb Rupert die meiste Zeit sein Bein an ihrem. Plötzlich fragte Liliana:

      "Was hat eigentlich Präsident Scaloni von Ihnen gewollt, Roxana? Wie sind Sie überhaupt dorthin gekommen?"

      Schlagartig erstarb jede Unterhaltung am Tisch.

      "Was er wollte, Señora, weiß ich nicht," antwortete Roxana. „Von mir wollte er nichts. Rupert hat lange mit ihm gesprochen. Zu mir hat er nur 'sehr hübsch' gesagt, und darüber habe ich mich gefreut. Ich fand das alles sehr geheimnisvoll." Immer noch hatte ihr keiner auch nur einen Hinweis gegeben, worum es bei dem Besuch Rupert Grafs in Lima überhaupt ging.

      Roxana war das im Augenblick ziemlich egal.

      Es musste etwas Wichtiges sein, sonst hätte Rupert nicht diesen nächtlichen Besuch gemacht, sonst hätte Rupert Scaloni und Bustamante nicht gekannt. Wenn er ihr nicht sagte oder sagen wollte, um was es ging, so war das seine Sache. Er würde seine Gründe haben. Was Roxana vielmehr beschäftigte, war die Abreise Grafs. Daran zu denken, machte ihr einen dicken Kloß im Hals. Sie hatten zwar vereinbart, dass sie mit ihm zum Flughafen fahren würde, aber er hatte kein Wort darüber verloren, ob oder wann er nach Lima zurückkommen würde. Was sie wollte, war ein Wort von Rupert, dass er sie mochte, dass sie ihm fehlen würde, dass sie ihm etwas bedeutete, dass sie sich wiedersehen würden. Sie hatte ihm mehrmals in den letzten zwei Tagen gesagt, dass sie ihn liebte. Da hatte er immer nur gelächelt und sie in den Arm genommen.

      Gesagt hatte er dazu nichts.

      Was er gesagt hatte, war, dass er sie anziehend fand, hatte Komplimente gemacht, gesagt, wie schön ihre Haut wäre, hatte andere Stellen an ihrem Körper gelobt, in Worten, die sie schon beinahe poetisch fand, die sie in romantische Stimmung versetzt hatten.

      Aber dass er sie mochte, hatte er mit keinem Wort gesagt. Und sie liebte ihn doch so sehr!

      Als die anderen am Tisch merkten, dass Roxana auf Lilianas Frage nicht mehr sagen würde, war die Unterhaltung wieder in Gang gekommen. Im Moment kümmerte sich niemand um sie, außer dass Rupert weiter sein Bein an ihrem rieb.

      Roxana wollte jetzt am liebsten weg, zurück ins Hotel, in ihr Haus, egal wohin, Hauptsache, sie könnte mit Rupert allein sein, in seinen Armen liegen, von ihm gestreichelt werden, nicht daran denken müssen, dass er morgen um diese Zeit weit, weit weg sein würde.

      ---

      Enrique Pato beobachtete die Gesellschaft von der Bar aus.

      Er hatte sich ein paar Snacks bestellt, die er ebenso wie seine Getränke jeweils sofort bezahlte, sobald sie ihm vorgesetzt wurden.

      Er saß im Halbdunkel, und außer dem Barkeeper kümmerte sich niemand um ihn. Niemand nahm Notiz von ihm. Er versuchte, von Lippen abzulesen, um was sich die Unterhaltung drehte, allerdings ohne Erfolg.

      Was er feststellte, war, dass Liliana de Fernandez, wenn sie Roxana Torreblanca ansah, kritisch, abschätzend wirkte, und sie schien sie sehr von oben herab zu behandeln.

      Pato beschaute sich die Personen, die er heute zum ersten Mal alle beieinander sah. Den dicklichen Ludwig Kinzel, der trotz offensichtlich teurer Kleidung nicht elegant aussah.

      Seine Frau Karin war auch nicht gerade schlank, wirkte aber ungleich eleganter als Kinzel.

      Pato war sicher, dass ihre Haarfarbe nicht ohne chemische Nachhilfe so blond war.

      Pato hatte während seines Aufenthaltes in Deutschland viele Frauen ihres Typs gesehen, kräftig, mit runden Formen, eher mütterlich als erotisch, trotz eleganter Kleidung und teuren Schmucks.

      Walter Fernandez: Übergewichtig, hochelegant, schon beinahe feminin, einen dicken Goldring am Finger, gegenüber den Damen sprühend vor Charme, unablässig lächelnd.

      Dazu diese erheblich jüngere Frau, die Pato als affektiert empfand, rassig zwar, ebenfalls sehr elegant, aber arrogant gegenüber den Kellnern.

      Pato fragte sich, ob er Graf sympathisch fand. Er war für Pato schwer einschätzbar. Er schien Autorität zu haben. Seine Kleidung fand Pato zu jugendlich für Grafs Alter. Andererseits hatte er in Deutschland viele Männer gesehen, die sich einen Tick zu jugendlich kleideten, die offenbar Schwierigkeiten mit dem Älterwerden hatten. Was Pato gefiel, war, dass Graf nicht wie viele Männer seines Alter versuchte, seine Glatze zu verstecken sondern sie im Gegenteil durch den kahlgeschorenen Kopf kultivierte.

      Am bestengefiel Pato Roxana Torreblanca. Pato fand sie sehr attraktiv, mit einer Figur, die ihm eine Pfütze auf der Zunge zusammenlaufen ließ, einem wunderschönen Po, der sich, als vorhin alle an der Bar gestanden hatten, unter ihrem engen Kleid abgezeichnet hatte.

      Mit Roxana, überlegte Enrique Pato, sollte er je die Chance bekommen, würde er sofort ins Bett gehen.

      Sie war ungefähr so alt wie er. Unter normalen Umständen hätte er sie aufgrund seines Aussehens, seiner beruflichen und seiner gesellschaftlichen Stellung für sich gewinnen können. Aber, so sagte ihm eine innere Stimme, nachdem sie in den Kreis so wohlhabender Männer wie Fernandez, Graf und Kinzel geraten war, würde sie für ihn wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln übrig haben.

      Es wurmte und berührte ihn, wie Roxana Graf anhimmelte. Pato fühlte so etwas wie Eifersucht.

      Dass Graf morgen abflöge, wusste er.

      Kinzel und Fernandez würde er im Auge behalten. Roxana Torreblanca ebenfalls. Was immer geplant war, dies konnte nur der Auftakt gewesen sein.

      Im Auge behalten müsste er auch Garcia.

      Pato war verwundert, dass Garcia heute Abend nicht hier war.

      Aber vielleicht saß ja doch deshalb Roxana Torreblanca mit am Tisch.

      Pato dachte darüber nach, dass er mit Ausnahme Lilianas niemanden in der Runde richtig unsympathisch fand, Roxana und Graf sogar sympathisch. Trotzdem würde er nicht die geringste Hemmung haben, sie allesamt hochgehen zu lassen.

      Er verließ das Clubhaus, als er sah, dass Walter Fernandez an der Bartheke diskret die Rechnung zeichnete, und setzte sich in seinen Wagen.

      ---

      Als kurz darauf die Gesellschaft ins Freie trat, verstand Pato zunächst nicht die Unruhe, die erkennbar wurde. Kinzel guckte in sein Auto und ging zurück ins Klubhaus.

      Nach wenigen Augenblicken, die anderen hatten in der Nähe der Fahrzeuge gestanden und sich unterhalten, kam Kinzel zurück.

      Jetzt wurde gerufen. Pato glaubte, den Namen Oscar zu hören.

      Kinzel ging zur Fahrertür des Mercedes und schien überrascht, dass diese nicht abgeschlossen war. Er setzte sich in das Auto, die Scheinwerfer gingen an, und es wurde mehrfach gehupt. Kinzel stieg erneut aus und rief.

      Die Frau Kinzels ging zurück ins Restaurant, kam ebenfalls nach wenigen Augenblicken mit dem Portier wieder heraus.

      Es folgte wiederum, diesmal mehrstimmiges Rufen, und dieses Mal war Pato sicher, dass 'Oscar' gerufen wurde.

      Erneutes, diesmal anhaltendes Hupen.

      Nach einer guten Viertelstunde, eher zwanzig Minuten weiteren Rufens, Hupens und ratloser Diskussionen