Norman Dark

Lotus im Wind


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und jikata genannt. Dabei war die tachikata die ausgebildete Tänzerin, beherrschte aber daneben auch das shamisen, die hayashi-Flöte und die tsutsumi-Handtrommel. Auch sie hatte einst ihr Debüt als maiko, konzentrierte sich aber unter Umständen darauf, eines dieser Instrumente meisterhaft zu spielen, wenn sie eine nicht so begabte Tänzerin war. Wohingegen eine jikata eine verkürzte Ausbildung genossen, ihr Debüt erst im fortgeschrittenen Alter gehabt hatte und nicht wie eine tachikata besonders schön sein musste. Takara vermutete, dass es bei Himawari nicht zu einer tachikata gereicht hatte und sie in Wahrheit „nur“ eine jikata war. Aber darüber dürfe Emi niemals ein Wort verlieren, beschwor sie Takara, um nicht selbst in Teufels Küche zu kommen oder der Freundin eine Menge Ärger einzuhandeln.

      Yumiko saß mit Mayumi in ihrer Küche, um gemein-sam zu frühstücken. Dass es schon später Mittag war, störte keine von beiden, da sie jeden Abend noch aktiv waren, wenn andere Leute sich schon zur Ruhe begaben.

      »Du siehst müde aus«, sagte Mayumi, »was hast du gestern Abend gemacht, dich ins Nachtleben gestürzt?«

      »So in etwa. Mein Kollege Haruko hat mich ins minami-za eingeladen, und da er mit einem der Dar-steller befreundet ist, sind wir anschließend zusammen essen gegangen.«

      »Dann ist dein Kollege also schwul?«

      »Wie kommst du darauf?«

      »Na, ich zähle eins und eins zusammen. Im minami-za Theater wird doch kabuki gespielt, bei dem die Frauenrollen von Männern verkörpert werden, also denke ich, wer auf der Bühne die Frau ist, wird es auch im Privatleben sein. Und wenn Haruka mit ihm befreundet ist…«

      »Wie schön, dass du keine Vorurteile hast. Ich kann mir kaum vorstellen, dass alle kabuki-Darsteller schwul sind. Haruko ist es jedenfalls nicht, und sein Freund Ikuo gewiss auch nicht, denn er hat mit mir geflirtet.«

      »Dann verstehe ich nicht, warum du so ein Gesicht machst. Ist dir das Essen nicht bekommen?«

      »Eher das, was danach kam. Genauer gesagt das, was mich hier erwartet hat. Ich habe an deinem Schlafzimmerfenster eine Geisha gesehen.«

      »Wir leben hier am Rande eines der berühmtesten Geisha-Viertels, Schatz. Was hast du erwartet, einen Samurai?«

      »Nein, aber vielleicht kommt das auch noch. Außerdem habe ich die Geisha nicht vor deinem Fenster gesehen, dann hätte sie schon auf sehr hohen Stelzen gehen müssen, da du ja oben wohnst, sondern innen, an deinem Fenster.«

      »Moment mal, sie war in meinem Schlafzimmer? Wie ist sie da reingekommen? Und was wolltest du eigentlich da? Mein Bett vorwärmen?«

      »Ich wollte mir das Buch zurückholen, das ich dir geliehen hatte. Da sah ich sie stehen, und sie hat mir Grauen eingeflößt, weil sie ziemlich tot aussah. Ihre Augen wirkten gebrochen und ihr Körper war vor Schmerzen gekrümmt. Zwischen ihren vor die Brust gepressten Händen sickerte Blut hervor.«

      »Also, wenn sie bereits tot war, wie du an den gebrochenen Augen festgestellt haben willst, kann sie nicht mehr geblutet und schon gar nicht sich vor Schmerzen gekrümmt haben. Was ist mit ihr geschehen? Hast du den Rettungsdienst gerufen?«

      »Das war nicht nötig, denn als ich mich halbwegs von meinem Schreck erholt hatte, war sie verschwunden.«

      »Ach, deshalb habe ich keine Blutflecke vor meinem Bett gefunden. Es war also nur ein Geist, der dich heimgesucht hat.«

      »Oder dich, sie war in deinem Zimmer, nicht in meinem.«

      »Dann sind Geister also ziemlich dumm, sonst hätte sie wissen müssen, dass ich normalerweise zur Geisterstunde außer Haus bin, um meiner Arbeit nachzugehen.«

      »Warum musst du immer alles ins Lächerliche ziehen, was ich dir erzähle? Ich fand die Angelegenheit gar nicht komisch. So langsam bekomme ich Beklemmungen in diesem Haus.«

      »Jetzt sei nicht ungerecht. Ich mache höchstens hin und wieder einen Witz über deine paranormalen Erlebnisse, damit auch du das alles nicht so ernst nimmst. Deshalb mache ich mich aber noch lange nicht lustig darüber, schon gar nicht über das, was du mir sonst noch erzählst. Und die Puppe ist nicht hier, sondern im Theater. Dir passieren solche Dinge demnach nicht nur hier im Haus.«

      »Was willst du damit sagen?« Yumikos Stimme bekam einen gereizten Unterton.

      »Bestimmt nicht, dass ich dich für verrückt oder überspannt halte. Du hast nur gerade eine schlechte Phase. Bist etwas abgespannt und dünnhäutiger als sonst. Vielleicht solltest du einmal Urlaub machen? Oder mich in der Bar besuchen, um dir tüchtig einen anzusaufen. Nein, das nehme ich zurück, besuchen ja, aber nicht besaufen. Alkohol löst keine Probleme.«

      »Dein sonniges Gemüt veranlasst dich, alles auf die leichte Schulter zu nehmen«, grummelte Yumiko.

      »Was bleibt mir denn anderes übrig? Wenn ich dich in deiner Furcht noch bestärke, machen wir uns doch beide verrückt. Also schön, wir leben in einem Spukhaus, das sich ganz nach Belieben verändert und Schattenwesen ungehindert Einlass bietet. Sollen wir deshalb ausziehen? Wenn ich ehrlich bin, hänge ich an dem Haus. Und was ist, wenn es dir woanders ebenso ergeht?«

      »Aha, dann bin ich also der Psycho, und es geschieht mir womöglich ganz recht.«

      »Das habe ich nicht gesagt. Drehe mir bitte nicht das Wort im Mund herum.« Mayumi legte ihre Hand besänftigend auf die von Yumiko. »Sieh mal, auch wenn wir beide mit dem Glauben an yôkai und yūrei aufgewachsen sind, was ist schon groß vorgefallen? Du hast zweimal einen gehörigen Schrecken bekommen, aber dich hat niemand angegriffen. Es handelt sich offen-sichtlich nicht um einen bösen weiblichen Rache-Geist. Irgendwann wird der Spuk wieder vorbei sein.«

      »Das hast du beim ersten Mal auch gesagt, aber es ist eher schlimmer geworden. Es muss doch einen tieferen Sinn haben, dass mir so etwas gerade jetzt passiert. Vielleicht soll ich auf etwas hingewiesen werden. Solche Dinge geschehen doch nicht ohne Grund.«

      »Das ist deine Meinung. Ich weigere mich einfach, immer hinter allen Ereignissen einen tieferen Sinn zu vermuten. Wir hatten unlängst erst das obon-Fest und auch vor unserem Haus lud eine Laterne die Seelen verstorbener Ahnen ein. Es könnte sich doch eine verirrt haben, die gar nicht hierher gehört. Oder sie hat den Weg zurück nicht gefunden.«

      »Die andere Möglichkeit ist die, dass sie zwar sehr wohl hierher gehört, aber wir beziehungsweise eine von uns nicht. Hast du daran mal gedacht?«

      »Nein, wozu? Da muss sie schon stärkere Geschütze auffahren als uns nur zu erschrecken, um mich von hier zu vertreiben.«

      »Hoffentlich wird sie das nicht noch tun.«

      »Was ist das für eine Suppe, die so merkwürdig riecht?«, fragte Mayumi übergangslos.

      »Von unserer Nachbarin, probier mal.«

      Mayumi nahm widerwillig einen Löffel davon, spuckte es aber gleich wieder aus.

      »Schmeckt als hätte sie reingepinkelt.«

      »Wenn du meinst, ich weiß nämlich nicht, wie so etwas schmeckt.«

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