in dem komfortablen Haus seiner Eltern zu wohnen. Das befand sich in einer vornehmen Gegend von Berlin, im Grunewald. Margot und Helmut waren eben sehr wohlhabend mit ihrem Anteil vom Vater her an der Baufirma „Zumbold“, die in Berlin nicht unbekannt war. Dennoch hat es in all den Jahren unserer Freundschaft zwischen uns nie eine Unstimmigkeit aus Neid gegeben, obgleich wir ihnen gegenüber bescheiden lebten. Nur als Margot ihre Kinder zur Welt brachte, da hatte es mir noch einmal wehgetan, weil ich kurz vor der Entbindung mein Kind verloren hatte und damit auch die Fähigkeit, jemals Kinder zu bekommen.
Irgendwann danach dachte ich daran, wieder arbeiten zu gehen und bekam nach längerer Arbeitslosigkeit eine Stellung in einem Verlag. Wir konnten viele Reisen in die Berge machen, wann wir wollten, ohne Rücksicht auf Kinder nehmen zu müssen. Durch diesen Verlag kam es wohl dazu, dass ich selbst eines Tages begann zu schreiben. Allerdings wollte mir der richtige Durchbruch damit nicht gelingen.
Manchmal hatte ich mich sogar gefragt, ob Konrad das überhaupt verkraftet hätte. Die jungen Frauen von heute erwarten das von ihren Männern. Doch ich glaube, es bringt kein Mann, nicht eifersüchtig auf den Erfolg seiner Frau zu sein. Oder warum sitzen Frauen noch immer hauptsächlich in untergeordneten Stellungen? Und wie schwer ist es noch immer für eine Frau, Familie und Beruf miteinander zu verbinden? Schon die Wirtschaftswelt tut wenig dazu, der Frau das zu erleichtern. Es wird erwartet, dass eine Frau sich beruflich so einsetzen kann wie ein Mann, wenn sie Erfolg haben will. Hatte Mama nicht recht gehabt, wenn sie behauptete, die Frauen machten sich mit ihrer Emanzipation etwas vor, so viel, wie sie glaubten, hätten sie in Wahrheit noch nicht erreicht?
Katja, die Tochter von Helmut und Margot, hatte sich darüber wohl Gedanken gemacht. Sie war jetzt fünfundzwanzig Jahre alt und studierte seit ein paar Jahren Architektur. Sie ging noch zur Schule, als sie bereits verkündete, sie würde nie heiraten, denn sie wollte eine Karriere als Architektin machen, und eins ginge nur. „Mich kann nur einer sonntags haben. Für seine Pantoffeln muss er selbst sorgen“, pflegte sie zu sagen. So war es eigentlich erstaunlich, dass ihre Freundschaft mit Alexander bereits so lange hielt. Er lachte sogar dazu. Ich hatte manchmal den Verdacht, vielleicht war es ihm sogar recht.
Über ihren großen Bruder Niklas, siebenundzwanzig Jahre alt, schüttelte sie nur den Kopf. Er wollte einmal eine Frau heiraten, die, genau wie seine Mutter, nur für die Familie da sein und Zeit für ihn und die Kinder haben sollte. „Ich will am Abend nicht eine abgehetzte Frau vorfinden, die nicht weiß, was sie zuerst machen soll, und von mir noch erwartet, dass ich das Staubtuch schwinge“, sagte er. Meistens jedoch waren seine Freundinnen studierte Frauen, von denen das wohl kaum zu erwarten war.
Katja lachte darüber. „So eine, wie du suchst, findest du heute nicht mehr, wenn du auch noch wert darauf legst, dass sie deinen geistigen Ansprüchen genügt“, hielt sie ihm vor.
Margot meinte dazu: „Jeder sollte leben können wie er will und sich nicht nach den andern richten. Ich finde es schlimm, wenn die Menschen irgendeinem Trend der Zeit hinterherlaufen und etwas tun, nur weil es gerade so gemacht wird.“
Ich freute mich auf den Besuch von Helmut und Margot am Wochenende. Neugierig war ich darauf, was sie mir von Susanne und Robert erzählen würden. Sicher wusste Margot mehr davon als Traudel. Wozu aber sollte man Susanne nur raten? Wie ich auch überlegte, ich wusste es nicht. Ich vermied es auch, sie in den nächsten Tagen anzurufen. Da ging es mir wohl wie ihrem Vater Karl-Heinz, ich wollte sie bei dieser schwierigen Entscheidung nicht noch mit meiner Meinung verwirren.
*
Mit frohem Gefühl erwachte ich, als mich Julchen an dem Tag wach stupste, da Helmut und Margot zu mir kommen wollten. Das Zimmer für sie in der Pension hatte ich bestellt. Noch als Konrad lebte, waren sie oft hergekommen. „Wenn ihr geglaubt habt, ihr werdet uns los, nur weil ihr von Berlin weggezogen seid, dann habt ihr euch geirrt“, flachste Helmut. Nur bei uns mit im Haus wohnen, das wollten sie nicht. „Ihr sollt euch freuen, wenn wir kommen. Wir wollen euch nicht auf den Geist gehen, nur weil wir uns nicht aus dem Wege gehen können“, meinten sie dazu. Vielleicht hatten sie recht. Besonders als Konrad zuletzt alles mehr und mehr anstrengte, war es sicher gut. Sie achteten auch darauf und waren immer rücksichtsvoll. Margot war ohnehin kein Mensch, der sich aufdrängte. Als dann Konrad gestorben war, behielten wir es einfach bei, dass sie in der Pension wohnten, obwohl jetzt wirklich Platz genug im Haus wäre.
Noch schlaftrunken griff ich Julchen ins Fell, die wie jeden Morgen erst einmal zu mir ins Bett gesprungen war. Ohne Streicheleinheiten am Morgen, das hätte sie mir übel genommen. Prüfend sah ich zu den noch zugezogenen Vorhängen hin. Das wird ein schöner Tag, glaubte ich. Mir war, als könnte ich den Sonnenschein des beginnenden Tages durch die dichten Vorhänge am Fenster ahnen.
Meine Vermutung fand ich bestätigt, als ich aufstand und die Vorhänge beiseiteschob. Windstill war es und die Sonne warf von Bäumen und Sträuchern noch lange Schatten im Garten. Oben auf dem Weg über den Berg gingen einige mit ihren Hunden entlang. Ein einzelner Reiter zog dort auch seines Weges in den frühen Morgen.
Julchen stand bereits an der Tür und wartete darauf, dass ich mit ihr unsere erste Runde ging. Ich nahm die Gießkanne mit. Sicher waren die Blumen auf dem Friedhof wieder durstig bei diesem trockenen und sonnigen Wetter.
Julchen sah die Gießkanne in meiner Hand und schon schlug sie gleich den Weg zum Friedhof ein. Fröhlich sprang sie vor mir her. Sie schnupperte hier, sie schnupperte da, damit erfuhr sie, wer alles schon vor ihr da gewesen war. Manchmal sträubte sich ihr Fell dabei, manchmal wedelte sie freudig mit dem Schwanz. Damit konnte ich ahnen, was sie mir vielleicht mitteilen würde: „Aha, hier war der alberne Köter mit dem zotteligen Fell, der mich immer nervt mit seinem Gepiepse und seiner Aufforderung zum Herumtoben. Doch nicht mit mir! Und da, das ist doch wirklich der Duft dieser eingebildeten Hündin, die Schwanz und Kopf nicht hoch genug tragen kann. Na warte! Ein Paar Tropfen muss ich noch in der Blase haben. Mal erst zu Frauchen hoch schielen - aha, sie lacht, sie weiß, was ich tun will. Also, dann! Wo genau ist die Stelle? Nur richtig zielen - ist gar nicht so einfach. So, geschafft, nun habe ich meine Duftmarke draufgesetzt. Noch kräftig mit den Hinterpfoten gescharrt, die wird sich wundern und kann ruhig ihre Nase rümpfen, wenn sie ihre Stelle sucht. Aber was ist das? Frauchen, lass uns umkehren! Da muss eben erst dieser braune Riese gewesen sein, der mich neulich so böse gejagt hat.“
Julchen stand wie festgenagelt.
„Was ist?“, fragte ich und zog an der Leine. Da sah ich ihn, den braunen Feind von Julchen. Doch er war längst vorbei. „Schau, der lauft da hinten bereits davon“, lockte ich sie.
Zögernd folgte sie mir. Brav setzte sie sich auf dem Friedhof neben die Bank, auf der ich sonst gern verweilte. Heute aber goss ich nur die bunten Stiefmütterchen, die das Grab so lustig, gar nicht traurig erscheinen ließen. Einen Moment blieb ich noch stehen und sprach mit Konrad in Gedanken. Doch wieder war es Susanne, die mich dabei beschäftigte. Fast aufbockend sagte ich in Gedanken: „Ich weiß, auch du wärst der Meinung, sie sollte mit Robert mitgehen und alles aufgeben. Doch warum eigentlich? Weshalb sollte das nicht auch einmal für den Mann gelten?“ Ich wusste, wie überlegen er jetzt lächeln würde, und genauso wie früher begehrte ich auf, als müsste ich ihn überzeugen. „Immer anspruchsvoller werden die Berufe, die Frauen heute ergreifen. Ist es da ein Wunder, dass sie diese dann nicht so leicht wieder aufgeben wollen? In Zukunft werden Paare immer öfter vor dieser Frage stehen, besonders da sich die Arbeitswelt zu verändern scheint. Wird nicht zunehmend von den Menschen die Bereitschaft erwartet, sich zu verändern, mit ihrem Lebenskreis ihrem Wirkungskreis zu folgen? Das kannst du nicht leugnen! Da kann es nicht mehr nur nach dem Mann gehen.“ Ich holte tief Luft, als erwartete ich eine Antwort. Und dann kam mir noch der verrückte Gedanke: „Wenn das so weitergeht, wird es in den Städten bald Stellplätze statt Wohnungen zu mieten geben, worauf die ihrer Arbeit nachziehenden Menschen ihre vielleicht immer komfortableren Wohnwagen abstellen können. Und Mutter hat einen Wohnwagen und Vater hat einen Wohnwagen, manchmal stellen sie diese nebeneinander. Und die Kinder? Wandern die Kinder mit, von einer Schule in die andere, von den einen Freunden zu den andern und mal mit der Mutter und mal mit dem Vater? So, das musste mal gesagt werden!“ Da glaubte ich Konrad hell lachen zu hören. Ich sah mich um, aber es war niemand da. Nur Julchen hatte aufmerksam die Ohren aufgestellt und blickte mich aus großen Augen