T. von Held

Afrikanische Märchen auf 668 Seiten


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und setzte sich nieder auf kostbare, weiche Polster.

       Als er sich alles ansah, was in dem Raume stand und

       auf dem Fußboden lag, sprach er zu sich selber:

       »Sogar meines Sultans Haus ist nicht eingerichtet wie

       dieses! Es ist das Schönste, was ich je sah!«

       Man brachte Wasser in goldenen Schalen, und

       Mesruri Sayafi, sein Wirt und die Gäste, die anwesend

       waren, wuschen sich die Hände; denn es war ein

       Mahl bereitet worden, und junge Sklaven trugen es

       auf.

       »Dergleichen aß ich noch nie!« dachte Mesruri

       Sayafi, indem er sich die Speisen munden ließ.

       Darauf führte man ihn in ein Schlafgemach, und als

       Sklaven ihm sein Lager bereitet hatten, traten schöngekleidete

       Mädchen ein, die spielten auf wohltönenden

       Instrumenten und sangen Lieder, in denen sie

       Mesruri Sayafi priesen. Er schlief ein und wachte gestärkt

       wieder auf, als die Sonne am Himmel stand.

       Sklaven standen an der Tür seines Schlafgemaches,

       die warteten, damit sie ihn in den Baderaum führten.

       Wieder fand er dort ein duftendes Bad bereitet, wieder

       brachte man ihm neue, goldgewirkte Kleider und

       führte ihn dann zu seinem Wirt in den Empfangssaal;

       dort speiste er zur Nacht, und als es spät und er müde

       war, wies man ihm ein Schlafgemach, dessen Einrichtung

       noch köstlicher war, als die des Raumes, in dem

       er vorher geruht hatte. Und er schlief bis zum andern

       Morgen. Als er seine Augen aufschlug, fand er, daß

       bereits Sklaven warteten, damit sie ihn zu seinem

       Bade führten. Als er gebadet hatte, gab man ihm neue

       Kleider und brachte ihm einen Beutel mit fünfhundert

       Silberstücken. Nachdem Mesruri Sayafi mit Mohamed

       den Morgenimbiß genommen hatte, sprach er:

       »Ich habe mich länger bei dir aufgehalten, als recht

       ist. Laß uns zu meinem Herrn ziehen.«

       Aber Mohamed sprach:

       »Verweile noch einen Tag; damit ich meine Maultiere

       beladen lassen kann mit Geschenken, die ich

       dem Sultan bringen werde.«

       Da verging noch ein Tag für Mesruri genau wie der

       vorige. Am folgenden Morgen war alles bereit zur

       Reise. Vierhundert Maulesel waren beladen worden.

       Mahomed ließ zwei Tiere satteln mit Goldsätteln und

       reich mit Steinen verzierten Zäumen und starken seidenen

       Zügeln; diese ritten er und sein Gast, und so

       zogen sie mit großem Gefolge gen Bagdad.

       Als die Sonne untergegangen war, wurden Zelte

       aufgeschlagen für die Nacht. Das Zelt, in dem Mohamed

       und Mesruri Sayafi schliefen, war aus Seide, und

       die Pfähle, über welche der kostbare Stoff gespannt

       war, waren von Holz der Aloe geschnitzt.

       Am andern Tage zogen sie weiter, und nach etlichen

       Tagen erreichten sie das Ziel ihrer Reise.

       Mesruri Sayafi aber dachte:

       »Wenn ich den Sultan spreche, so muß ich ihn fra-

       gen, wie dieser Mann zu seinem großen Reichtum gekommen

       ist; denn ich entsinne mich, daß sein Vater

       noch ein öffentliches Bad hielt.«

       Als sie den Palast des Sultans erreicht hatten und

       Harun al Raschid ihnen entgegentrat, fiel Mohamed

       zur Erde und fragte:

       »Darf ich zu dir sprechen?«

       Da sagte Harun al Raschid:

       »Sprich!«

       Als Mohamed seine Augen aufhob und seine Lippen

       öffnete, tat sich das Dach des Hauses auf, und es

       erschienen Paläste und Gärten mit herrlichen Bäumen,

       deren Blätter Perlen und deren Früchte Korallen

       waren.

       Der Sultan war sehr verwundert, als er das sah, und

       fragte:

       »Woher kommt all dieser Reichtum? Wir wissen,

       daß du derselbe Mohamed bist, den die Leute den

       Trägen nennen, und dein Vater hielt ein öffentliches

       Bad. Wie also ist es gekommen, daß du zu so unermeßlichen

       Gütern gelangt bist?«

       Mohamed erwiderte:

       »Wenn du es befiehlst, so werde ich dir meine Geschichte

       erzählen. Ich habe all diese Geschenke dir

       mitgebracht, nicht, weil ich dich fürchte, sondern weil

       ich außer dir keinen Menschen weiß, der ihrer würdig

       ist. Jetzt laß mich dir erzählen, was mein Leben war.

       Als ich jung war, starb mein Vater und ließ meine

       Mutter und mich in tiefer Armut. Ich war zu faul, um

       zu arbeiten, ja zu faul, um zu essen; deshalb tat meine

       Mutter mir jeden Bissen in den Mund. Wenn ich lag,

       war ich zu faul, mich von einer Seite auf die andere zu

       wenden; meine Mutter tat es für mich. Die Speise

       aber, die wir aßen, mußte meine Mutter erbetteln, und

       das währte fünfzehn Jahre.« Eines Tages kam sie

       heim und brachte fünf Silbermünzen mit, die man ihr

       geschenkt hatte. Diese gab sie mir und sprach:

       »Nimm diese Münzen und gib sie dem Scheik Abalmathfar,

       der sein Schiff rüstet, um damit nach China

       zu reisen. Bitte ihn, daß er dir für das Geld Waren

       kaufe, die du hier mit Vorteil verkaufen kannst; denn

       der Scheik ist ein frommer Mann, der die Armen liebt.

       Gehe nun zu ihm und bringe ihm das Geld.«

       Ich aber antwortete:

       »Wie kann ich gehen!«

       Da wurde sie zornig und drohte.

       »Gehst du nicht zu ihm, so bist du nicht länger

       mein Sohn. Weder Speise noch Trank werde ich dir

       reichen, und wenn du in der Sonne liegst, werde ich

       dich liegen lassen. Wenn dich hungert, werde ich dich

       sterben lassen!«

       Sie schwor bei Allah, zu tun, wie sie sagte; deshalb

       willfahrte ich ihr und ließ sie mir meine Sandalen

       antun und mein »Kanzu«. Dann ließ ich mir von ihr

       einen Stock geben, damit ich mich stützen konnte,