T. von Held

Afrikanische Märchen auf 668 Seiten


Скачать книгу

»Nun stelle dich hinter mich und schiebe mich, daß

       ich vorwärts komme.« So gingen wir nun langsam

       voran, bis wir das Ufer erreichten. Dort suchten wir

       den Scheik Abalmathfar und fanden ihn, geschäftig

       seine Güter an Bord bringen. Als er mich sah, rief er

       erstaunt:

       »Was ist vorgefallen, daß du hierher kommst?« Ich

       gab ihm die Münzen und sagte ihm, was mich zu ihm

       führte. Er versprach, meine Bitte zu erfüllen, und ich

       ging heim, um mein altes Leben weiterzuführen. Der

       Scheik begab sich auf die Reise nach China, und er

       und seine Freunde machten dort ihre Besorgungen,

       vergaßen aber mich und meine fünf Silberstücke.

       Zwei Tage war er schon wieder auf der Rückreise, als

       ihm plötzlich sein Versprechen an mich einfiel.

       »Wir müssen zurückkehren,« sprach er zu seinen

       Reisegefährten, »denn ich habe Mahomed dem Trägen

       versprochen, Waren für ihn zu kaufen.« Davon

       aber wollten die anderen nichts hören, sondern sie beschlossen,

       daß jeder der Reisenden einen kleinen Teil

       der Einkäufe, die sie für sich gemacht hatten, für mich

       hingeben sollten. Das geschah. Als sie weiter reisten,

       kamen sie zu einer Insel, die hieß Sunudi. Dort warfen

       sie Anker, gingen an Land und sahen sich die

       Stadt an. Vor einem der vielen Läden sahen sie einen

       Affen, der war festgebunden, und andere Affen kamen

       und schlugen ihn. Das tat dem Scheik leid; deshalb

       ging er zu dem Eigentümer des Tieres und kaufte es

       von ihm mit dem Gelde, welches ich ihm gegeben

       hatte. Er meinte, der Affe wäre gut für mich, um

       damit zu spielen; denn er wußte, daß ich jeder Arbeit

       abhold war.

       Wenige Tage später landete der Scheik sein Schiff

       bei einer Insel, die hieß Sodani; ihre Einwohner nährten

       sich von Menschenfleisch. Als nun das Schiff

       ankam, gingen sie an Bord, banden alle, die darauf

       waren, töteten sie und fraßen sie auf. Der Scheik Abalmathfar

       und zwei andere Männer waren verschont

       geblieben; doch am anderen Morgen sollten auch sie

       sterben. Aber während der Nacht stand der Affe auf

       von seinem Lager, ging zu den drei Männern, löste

       ihre Bande, und alsbald machten sie sich eilig auf den

       Weg nach ihrem Schiffe. Das fanden sie noch genau

       so vor, wie sie es verlassen hatten. Da machten sie es

       zur Abreise fertig und flohen. Während der Seereise

       tauchten die Männer, welche mit dem Scheik geflohen

       waren, nach Perlen, und als der Affe das sah, sprang

       er ebenfalls ins Wasser. Der Scheik wurde sehr betrübt;

       denn er meinte nicht anders, als daß der Affe ertrunken

       sei. Doch als die Männer aus dem Wasser

       emportauchten, kam auch der Affe mit ihnen und

       brachte Perlen, die schöner und größer waren als alle

       anderen. Die gab er dem Scheik.

       Dieser sprach:

       »Ohne den Affen wären wir alle ums Leben gekommen.

       So laßt uns jeder zwölfhundert Silberstücke

       geben als den Preis für unser Leben. Das Geld aber,

       die Perlen und der Affe gehören Mahomed dem Trägen.

       «

       Er selber sammelte das Geld ein, legte es zu den

       Perlen, band alles zusammen und zeichnete das Paket

       mit meinem Zeichen. Als das Schiff nun bald darauf

       bei Bassara landete, feuerten seine Insassen fünf

       Schüsse ab, damit die Bewohner der Stadt wüßten,

       daß sie kämen. Auch meine Mutter erfuhr von der Ankunft.

       Sie kam zu mir und sprach:

       »Der Scheik Abalmathfar ist gekommen; gehe zu

       ihm und frage ihn nach den Sachen, die er dir gekauft

       hat.«

       Ich sprach:

       »Ich kann nicht aufstehen, hilf mir.« Das tat sie;

       auch legte sie mir meine Schuhe an, warf mir mein

       Kanzu über und schob mich vorwärts; genau so, wie

       sie es vordem getan hatte.

       Der Scheik empfing mich freundlich, reichte mir

       die Hand und fragte mich nach meinem Ergehen.

       Dann sagte er, daß meine Güter zu mir gebracht werden

       würden. Und wir gingen heim, wie wir gekom-

       men waren. Daheim legte ich mich sogleich wieder

       hin. Nach einer kleinen Weile kam ein Mann, der

       brachte mir einen Affen und sagte:

       »Der Scheik Abalmathfar sendet ihn dir und grüßt

       dich.« Ich nahm das Tier, und der Mann, der es gebracht

       hatte, ging seiner Wege. Ich aber rief meine

       Mutter, zeigte ihr den Affen und sprach:

       »Siehe, was der Scheik mir mitgebracht hat! Hier

       kauft man zehn Affen für ein Silberstück, und er hat

       fünf für diesen einen gegeben.« Noch hatte ich diese

       Worte nicht beendet, als ein Mann an der Tür stand,

       der rief:

       »Hodi!«

       Ich hieß ihn eintreten, und er kam herzu und händigte

       mir einen Bund Schlüssel ein. Hinter ihm her

       aber kamen Männer mit großen Kästen, und der Mann

       sprach:

       »Diese Schlüssel gehören zu den Kästen.«

       »Was soll ich mit ihnen?« fragte ich.

       »Sie sind dein. Denn sie enthalten, was der Scheik

       für dein Geld für dich gekauft hat.«

       Ich aber wurde unmutig; denn ich meinte nicht anders,

       als daß der Scheik mich armen Mann narren

       wollte. Der die Sachen gebracht hatte, rief:

       »Bei Allah! Der Scheik ist nicht ein Mann, der mit

       der Armut Spott treibt. Er selber wird zu dir kommen

       und mit dir reden.«

       Schon hörte ich die Stimme des Scheiks »Hodi«

       rufen an meiner Tür; da stand ich auf, ging ihm entgegen

       und begrüßte ihn. Der Scheik erklärte mir darauf,

       wie alles so wunderbar gekommen sei, und ich war

       von Herzen froh und ihm dankbar, daß unsere Armut