T. von Held

Afrikanische Märchen auf 668 Seiten


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»denn wir kennen deine Geschichte und wissen, wen

       du suchst. So Allah es will, wirst du dein Weib wieder

       haben.«

       Damit gingen sie von dannen und kehrten zurück

       mit einem Manne, der war übernatürlich groß. Den

       fragten sie, ob er die Geschichte meines Weibes

       kenne. Er sprach:

       »Ich weiß, wo sein Weib ist. Ich weiß auch, daß

       der, der sie geraubt hat, kein Affe war, sondern ein

       Jin, der die Gestalt eines Affen hatte annehmen müssen.

       Er hatte jahrelang danach gedürstet, das Mädchen

       zu besitzen; doch ein Zauber band ihn. Nun er

       erlöst ist, hat er seinen Wunsch erfüllt, und er ist wieder

       geworden, was er war. Er fand aber, daß die Welt

       zu eng für ihn war, und deshalb ist er in die Stadt der

       Nuhas gegangen.«

       Als er gesprochen hatte, befahlen ihm die Schlangen:

       »Trage diesen Mann hier in jene Stadt.«

       Er sprach:

       »Euren Befehl werde ich ausführen,« und der Mann

       bückte sich, indessen die Schlangen mir halfen, auf

       seinen Rücken zu steigen. Dabei sagten sie:

       »Dieser Mann ist ein Marid; deshalb nenne nicht

       den Namen Allahs, während er dich trägt, sonst verschwindet

       er. Die Mariden vertragen es nicht, daß der

       Name Allahs in ihrer Gegenwart genannt wird.«

       Danach flog der Mann auf mit mir, hoch hinauf zu

       den Wolken, so daß ich schließlich nichts mehr sehen

       konnte von der Erde, die weit unter uns lag. Da hörte

       ich in den Wolken den Gesang der Engelchöre, die

       den Höchsten priesen. Zu gleicher Zeit sah ich einen

       Jüngling von wunderschöner Gestalt, dessen Turban

       war aus grünem Stoff geschlungen, und er trug in der

       Hand ein Wurfgeschoß.

       »Stimme ein in den Lobgesang,« rief er mir zu,

       »oder ich töte dich mit dieser Waffe.«

       Da tat ich meinen Mund auf und pries Allah. In

       demselben Augenblick fühlte ich, daß ich von dem

       Rücken des Mannes glitt, der mich trug, und ich sank

       hinab, der Erde zu. Der Jüngling aber, der zu mir gesprochen

       hatte, traf den Mann mit seiner Waffe, und

       er verschwand vor meinen Augen. Ich sank weiter,

       immer weiter, bis ich plötzlich fühlte, daß Wellen

       über mir zusammenschlugen und mich dann wieder

       hoch emportrugen. Ich war in das Meer gefallen.

       Leute in einem Fischerboote gewahrten und retteten

       mich. Sie gaben mir zu essen und zu trinken; aber wir

       konnten uns nicht verständigen; denn sie redeten nicht

       meine Sprache und ich nicht die ihre. Als wir an Land

       kamen, führten sie mich zu ihrem König; der sprach

       arabisch und fragte mich, woher und wohin, und ich

       gab Antwort, so gut ich konnte. Danach überwies er

       mich seinem Minister und befahl ihm, für mich zu

       sorgen. Dieser tat es auch, und ich konnte ruhen und

       mich pflegen, soviel ich wollte. Das Zimmer, in dem

       ich wohnte, blickte auf einen großen Garten, durch

       welchen ein schöner, wasserreicher Fluß floß. Eines

       Tages überkam mich die Lust, in der klaren Flut zu

       baden, und ich stieg hinab in den Garten und badete.

       Hernach ging ich dem Laufe des Stromes nach, weiter,

       immer weiter, ohne zu wissen oder auch nur daran

       zu denken, wohin mein Weg mich führen würde.

       Plötzlich rief mich eine Stimme bei Namen. Ich

       wandte mich um und sah einen Reiter vor mir, der

       sprach:

       »Deine Wohltat soll dir belohnt werden. Kennst du

       mich?« Ich wußte jedoch nicht, wer er war. Darauf

       sprach der Mann weiter:

       »Ich bin der Bruder der weißen Schlange und

       schulde dir Dank für sie.« Und dann gebot er mir,

       mich hinter ihn auf sein Pferd zu setzen.

       »Wir sind nahe der Stadt Nuhas,« sprach der Mann

       und im sausenden Galopp ging's vorwärts, bis wir auf

       einer Anhöhe waren, von der aus ich im Tal einen

       Fluß fließen sah. Dort stiegen wir ab. Als ich mich

       nach meinem Führer umblickte, war er verschwunden.

       Noch stand ich und bedachte, was ich wohl tun sollte,

       da hörte ich meinen Namen rufen und mich grüßen.

       Ich erwiderte den Gruß und sah vor mir einen Mann

       stehen, der sprach:

       »Ich bin ein Bruder der weißen Schlange. Wir sind

       unserer drei und sind dir alle drei zu Dank verpflichtet.

       Ich tue deshalb für dich, was in meinen Kräften

       steht. Siehst du jene Stadt?« fuhr er fort, in das Tal

       weisend. »Das ist Nuhas.«

       »Wie aber,« fragte ich, »kann ich da hineingelangen?

       «

       Darauf gab mir der Mann ein Schwert in die Hand.

       »Nimm dies,« sprach er; »die Zeichen, welche du

       darauf siehst, sind Zauberformeln. Die Tore der Stadt

       werden sich dir öffnen, wenn du dies Schwert in der

       Hand hast. Ohne seine Zauberkraft ist es unmöglich

       für Menschen, in die Stadt zu gelangen. Folge dem

       Laufe des Stromes, den du von hier aus siehst, dann

       wirst du bald am Ziel deiner Reise sein.«

       Ich ging also den Fluß entlang, und da ich vor den

       Toren von Nuhas stand, öffneten sie sich von selber.

       So ging ich denn immer, mein Schwert in der Hand,

       in der Stadt umher, sah alle Einwohner und wurde

       doch von ihnen nicht gesehen; denn die Zauberfor-

       meln des Schwertes waren von großer Macht. Lange

       wanderte ich in den Straßen umher; endlich fand ich,

       die ich suchte: mein Weib! Auf den ersten Blick hatte

       ich die schmerzlich Vermißte erkannt, und sie sah und

       erkannte mich auch sofort. Voller Freude begrüßten

       wir uns.

       »Wie kamst du hierher?« fragte ich sie.

       »Der Affe hat mich hergebracht!« entgegnete sie,

       und nun erzählte sie mir den ganzen Vorgang, wie er