T. von Held

Afrikanische Märchen auf 668 Seiten


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In einem Lande war eine sehr große Trockenheit;

       denn es hatte lange nicht geregnet. Alle Flußbetten

       waren ausgetrocknet und alle Quellen versiegt.

       Da beschloß der Löwe, den Tieren vorzuschlagen,

       einen Damm zu bauen, der später in der Regenzeit

       das Wasser sammeln und aufbewahren sollte.

       Die Tiere, welche er zu diesem Zwecke berief,

       waren der Hundsaffe, der Leopard, der Schakal, die

       Hyäne, der Hase und die Schildkröte.

       Sie alle kamen überein, daß der Vorschlag des

       Löwen ein sehr guter sei, und daß am folgenden Tage

       die Arbeit begonnen werden müsse.

       Am nächsten Morgen suchten sie sich einen Platz

       aus, der günstig schien für ihr Unternehmen, und gingen

       sofort an ihr Werk. Nur der Schakal schlich träge

       umher und erklärte lachend, ihm fiele es nicht ein,

       seine Nägel zu zerkratzen, um Löcher für Wasser zu

       graben.

       Als der Damm fertig war, fing es an zu regnen, und

       nach wenigen Tagen hatten die Arbeiter die Freude,

       daß das Wasser sich in großen Mengen gesammelt

       hatte.

       Der erste, welcher kam, um davon zu trinken, war

       der Schakal. Nachdem er seinen Durst gelöscht hatte,

       schwamm er in dem Wasser auf und nieder und warf

       Schmutz und Schlamm hinein.

       Als der Löwe davon erfuhr, wurde er sehr böse und

       befahl dem Hundsaffen, am nächsten Tage den Damm

       zu bewachen und sich einen Knobkirie (Stock) als

       Waffe mitzunehmen.

       Der Hundsaffe setzte sich in einen Busch, welcher

       dicht bei dem Wasser stand, und wartete auf den

       Schakal. Bald kam dieser auch. Es dauerte aber nicht

       lange, so gewahrte er die Gegenwart des Hundsaffen

       und erriet, was ihn hergeführt hatte.

       Da er sehr wohl wußte, wie gern der Affe Honig

       aß, sann er sich schnell eine List aus. Er ging unbesorgt

       an dem Damme auf und nieder und tauchte hin

       und wieder seine Pfoten in seinen Tontopf, den er mitgebracht

       hatte, um Wasser damit zu schöpfen. Mit

       dem Ausdruck höchsten Entzückens leckte er dann die

       Spitzen der Finger und murmelte halblaut vor sich

       hin: »Ich brauche ihr schmutziges Wasser nicht, da

       ich diesen köstlichen Honig habe. Wie süß er doch

       ist!«

       Das war denn doch zu viel für den armen Affen,

       der unmöglich länger widerstehen konnte. Er kam

       langsam aus seinem Versteck hervorgekrochen und

       bat den Schakal, ihm etwas von seinem Überflusse zu

       geben. »Ich bin so müde und hungrig,« fügte er kläglich

       hinzu; »denn der Löwe befahl mir, hier Wache zu

       halten.«

       Zuerst stellte sich der Schakal, als bemerke er den

       Hundsaffen gar nicht; endlich aber wandte er sich um

       und sagte herablassend, daß er ihn wirklich herzlich

       bedauere und gern bereit sei, ihm unter gewissen Bedingungen

       von seinem Honig zu geben.

       Der Affe versprach willig, auf alles einzugehen.

       »So gib mir deinen Knobkirie,« sagte der Schakal,

       »und lasse dich von mir binden.«

       Der Hundsaffe tat, was von ihm verlangt wurde,

       und nach wenigen Minuten lag er an Händen und

       Füßen gebunden auf der Erde.

       Nun trank der Schakal vergnügt aus dem Damm,

       füllte seinen Topf mit Wasser und schwamm fröhlich

       auf und ab. Dabei rief er dem armen Affen hohnlachend

       zu, wie dumm er doch gewesen sei, daß er sich

       so leicht habe betören lassen, und daß er statt des Honigs

       gern einige Schläge mit seinem eigenen Knobkirie

       bekommen könne.

       Nachdem der Schakal fortgegangen war, kamen die

       übrigen Tiere und waren nicht wenig erstaunt, den

       Affen in diesem elenden Zustande zu finden.

       Der Löwe war empört, als er den ganzen Vorgang

       erfahren hatte, ließ den Affen streng bestrafen und erklärte

       ihn für einen leichtsinnigen Toren.

       Da trat die Schildkröte hervor und bot sich an, den

       Schakal einzufangen.

       Anfänglich glaubten die Tiere, sie scherze nur; als

       sie aber sagte, welche List sie sich ersonnen habe,

       fand man ihren Plan ungemein klug und nahm ihn an.

       Die Schildkröte ließ sich nun ganz und gar mit

       einer klebrigen, wachsartigen Masse bestreichen, welche

       man außerhalb der Bienenstöcke findet; dann ging

       sie an den Eingang zum Damm und legte sich davor.

       Am folgenden Tage näherte sich der Schakal mit äußerster

       Vorsicht dem Wasser und war sehr erstaunt,

       jemanden in der Nähe vorzufinden. »Wie freundlich,

       mir den schönen schwarzen Stein wie einen Tritt hier

       hinzulegen!« rief er, als er die Schildkröte sah.

       Kaum aber hatte er auf den vermeintlichen Stein

       getreten, klebte er fest und sah nun, daß man ihm eine

       Falle gestellt hatte; denn die Schildkröte steckte nun

       ihren Kopf hervor und fing an sich zu bewegen.

       Der Schakal hatte seine Hinterfüße noch frei und

       bedrohte die Schildkröte, ihren Panzer zu zertreten,

       falls sie ihn nicht frei gäbe.

       »Tue was du willst,« sagte diese. Darauf sprang

       der Schakal mit aller Macht mit den Hinterfüßen auf

       die Schildkröte; zu seinem Entsetzen aber mußte er

       gewahren, daß diese nun auch festklebten.

       »Schildkröte,« sagte er, »meine Zähne sind noch

       frei. Ich werde dich lebendig verzehren, wenn du mich

       nicht befreist!«

       »Tue, wie du willst!« war wiederum die Antwort.

       Sofort biß der Schakal auf das Tier unter ihm ein,

       aber – nun waren nicht nur seine Füße, sondern auch

       sein Kopf gefangen.

       Die Schildkröte war überglücklich und stolz, daß

       ihre List so vorzüglich gelungen war. Deshalb