Axel Birkmann

Tödlicher Aufguss


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wurde. Ein Elefantenkopf auf einem menschlichen Körper soll höchste Weisheit repräsentieren. Warum interessierst du dich eigentlich für meine Tattoos? Möchtest du dich auch mal stechen lassen?«

      »Ohhhh, ich weiß noch nicht. In meinem Alter? Dafür ist es zu spät. Und es tut auch richtig weh.«

      »Es geht. Ich habe mir mein erstes Tattoo erst mit Vierzig stechen lassen. Und dann kam alle zwei Jahre eins dazu. Die kleinen gehen, wenn man vom Preis und von den Schmerzen ausgeht.«

      »Dragon Lady?«

      »Wie bitte?«

      »Du hast sie alle vom Sven in der Dragon Lady stechen lassen?«

      »Ja, woher weiß du das?«

      »Der Typ hat was angedeutet.«

      »Der Mann ist wirklich gut, den kann ich dir nur empfehlen, wenn du dir auch mal etwas tätowieren lassen willst.«

      »So weit bin ich noch nicht. Ich habe nur deine Tattoos bewundert und vor allem nicht gewusst, dass du so was hast.«

      »Gut. Lassen wir das einstweilen. Wie gehen wir jetzt weiter vor?«, wechselte Rainer Zeidler das Thema. »Wir sind ja nicht zum Spaß in der Therme. Hast du einen Plan?«

      »Wir sollten unsere Sachen hier bei den beiden Liegen lassen, und immer wieder unauffällig durch den Saunabereich laufen und nach der Schwarzhaarigen mit dem Lilien-Tattoo Ausschau halten«, schlug Alois vor.

      »Und was sollen wir dann machen, wenn wir sie entdeckt haben? Verhaften kann ich sie ja nicht, nur mit einem Lendenschurz bekleidet.«

      »Natürlich nicht. Wer sie entdeckt hat, darf sie nicht mehr aus den Augen lassen, muss an ihr dran bleiben. Ich habe mein Handy dabei. Zur Not müssen wir uns per Mobilfunk verständigen.«

      »Das ist dumm. Ich kann es doch nicht mitnehmen, schon gar nicht ins Wasser oder in eine Sauna. Ich bin doch dann nackt«, bemerkte Rainer.

      »Du hast Recht Rainer. Außerdem sollen Handys im Saunatrakt verboten sein. Dann müssen wir Kontakt über den Martin Wildgruber aufbauen, der ist am Information Point am China Imbiss. Wie auch immer, der, der sie entdeckt, darf sie nicht aus den Augen verlieren, muss sie sogar eventuell nach draußen verfolgen. Und da haben wir dann wieder die Möglichkeit zu telefonieren.«

      »Und wie machen wir es mit dem Auto. Soll ich sie zur Not mit einem Taxi verfolgen?«

      »Nein, das wäre zu auffällig.« Kreithmeier überlegte. »Nein das wohl nicht. Ich gebe dir meinen Zweitschlüssel für den BMW. Wer die Dame zuerst gefunden, bleibt an ihr dran, sogar, wenn er seinen Partner nicht mehr benachrichtigen kann. Ich habe sonst keine andere Idee. Du vielleicht?«

      »Nein. Aber so kann es gehen. Ich denke, wenn wir sie gefunden haben, wird sie nicht sofort die Sauna verlassen. Was ist mit dem Wildgruber? Sucht der mit?«

      »Ja. Aber er hat auch Dienst. Er muss immer wieder zwischendurch einen Aufguss durchführen.«

      »Hoffentlich nicht einen erneuten Aufguss des Todes.«

      »Rainer!«, ermahnte Kreithmeier seinen Kollegen.

      »Entschuldige. Schon gut.«

      »Wir sollten den Bereich in zwei Sektionen aufteilen.«

      »Das ist eine gute Idee«, bestätigte Rainer. »Du observierst alles vom Canale Grande bis zum Eingang plus Keltenthron. Und ich kümmere mich hier um den Neubau. Quasi von der Bar bis zur Rosensauna. Und den Schwimmbadbereich.«

      »Was ist mit dem Rutschenbereich Galaxy und dem Thermenparadies?«, fragte Alois.

      »Ich denke, da wird sie sich nicht sehen lassen«, sagte Rainer.

      »Da hast du denke ich Recht. So wie mir der Wildgruber erzählt hat, wollen die Tätowierten sich wie auf einer Tattoo-Messe betrachten und bestaunen lassen. In den anderen Bereichen ist Textilzwang und sie sind voll mit Kindern und Jugendlichen.«

      »Das glaube ich auch«, bestätigte Rainer seinem Kollegen. »Der Catwalk findet hier drinnen statt. Also gut, packen wir es an. Ich werde auf jeden Fall immer wieder mal zwischendurch die eine oder andere Sauna besuchen und einen Aufguss über mich ergehen lassen.«

      »Dann sei aber vorsichtig«, mahnte Alois, »lass dich nicht von fremden Frauen anquatschen und lass niemand an deinen Rücken.«

      »Werde ich mir merken. Also bis später.«

      Rainer Zeidler schulterte sein Handtuch und schlürfte in seinen Badeschlappen davon. Nackt wie Gott ihn geschaffen hatte, mit einer Handvoll Tattoos auf der Haut, und seinen langen Haaren, die er jetzt wie eine Frau offen trug und die ihm das Aussehen des ewig jung gebliebenen Hippies gaben, einem Relikt aus der Flower-Power-Bewegung.

      Der Letzte, der Woodstock live erlebt hatte.

      Kreithmeier schmunzelte. Erstaunlich, was in diesem Mann so alles steckte. Im Dienst der beflissene Beamte der Spurensicherung, genau und exakt, einen leichten makabren Humor, immer etwas zynisch und provozierend. Und jetzt dieser Sonnenanbeter, der eigentlich in einer falschen Zeit und an einem falschen Ort lebte.

      Rainer würde seiner Meinung eher nach Kalifornien passen, eher zu einer Hippie Kommune, mit dem Motto Make Love Not War; und nicht in die Domstadt Freising, katholisch und erzkonservativ. Aber irgendwie mochte er ihn. Er war ein Individuum und auf ihn war Verlass, das hatte er schon oft bewiesen. Und er war ein wenig selbstverliebt. Deswegen auch die langen Haare, diese außergewöhnlichen Tattoos, diesen alten VW Käfer und wahrscheinlich hörte er zu Hause auch noch den guten alten California Sound. Grateful Dead und Jefferson Airplane. Egal. Jetzt war er hier. Und sie waren hinter ihrem einzigen Anhaltspunkt her, der sie auf die Spur des Mörders in der Therme führen könnte, wenn die Theorie Dr. Wahlmeiers richtig war.

      Kreithmeier wickelte sich sein Handtuch um die Hüfte und stolzierte mit eingezogenem Bauch Richtung Saunenbereich. Er blickte von seinem Platz in die große Halle. Vor ihm breitete sich der Champagnerpool mit Bar, Sprudelliegen und Jacuzzi aus. Die Bar war schon reichlich besetzt. Obwohl am heutigen Tag der inoffizielle Treff der Tätowierten Szene sein sollte, schien es für ihn nicht viel anders zu sein wie am Dienstag als er das erste Mal, mit seiner Kollegin Melanie Schütz, das Sauna-Paradies betreten hatte. Sicher, es waren seiner Meinung wesentlich jüngere Gäste da, und er konnte wesentlich mehr Tattoos entdecken.

      Die meisten Männer hatten sich Schultern, Bizeps und Waden stechen lassen. Keltische Symbole, Totenköpfe, Indianer und Wikinger beherrschten hier das Bild. Auf den Frauenkörper prangten dagegen Sterne in allen möglichen Größen, japanische Schriftzeichen, Blumen und Schmetterlinge. Die schönsten Tätowierungen waren seiner Meinung farbige Drachen, die sich auf dem weiblichen Körper um die Hüfte herum vom Bauch direkt auf den Rücken schlängelten. Piercings konnte er dagegen keine entdecken. Martin Wildgruber muss so etwas gesagt haben wie, dass seit kurzem Intimschmuck in der Therme wegen der Hygiene nicht mehr erwünscht sei. Die Metallteilchen konnte man ja entfernen, bei einer Tätowierung war das nicht mehr möglich.

      Unter anderem konnte er auch einige Frauen mit einem Arschgeweih sehen, so wurden die geschwungenen, verzweigten Fantasie-Ornamente genannt, die sich hauptsächlich Frauen auf dem Rücken oberhalb des Hinterns stechen ließen. Doch eine schwarze Lilie konnte er auf keinem der weiblichen Rücken entdecken.

      Kreithmeier ließ das Badetuch an einem Metallständer zurück und glitt langsam ins warme Wasser des Pools. Es war obwohl lauwarm doch recht erfrischend. Er legte sich aufs Wasser und ließ sich treiben. In den seitlichen Vital- und Massageliegen tummelten sich junge Paare im sprudelnden Wasser. Sie schmusten und küssten sich und Kreithmeier wollte gar nicht wissen, was sie sonst noch alles taten. In der Hausordnung der Anlage hieß es, der Austausch von Zärtlichkeiten sei auf ein Minimum zu reduzieren; in den Badeanlagen – Saunakabinen, Dampfbädern, Whirlpools, Thermalwasserbecken und Liegebereichen – sei dies ganz zu unterlassen. Intime Handlungen würden mit Hausverbot und Strafanzeige geahndet. Kreithmeier schmunzelte und ließ sich ins Freie treiben.

      Der junge Wildgruber hatte ihm bei seinem ersten Gespräch mitgeteilt, dass an solchen