Axel Birkmann

Tödlicher Aufguss


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      »Wahrscheinlich sind die Geister aus seinen Büchern mit einem großen Gespenster-Wischmob durch sein Haus gefegt.«

      »Hahaha! Du glaubst mir nicht.«

      »Sehr schwer. Wie sieht es mit Verwandten aus, Eltern, Geschwister, gibt es eine Freundin, was sagen die Nachbarn?«

      Melanie zog eine Akte von ihrem Schreibtisch.

      »Hier sind die Aussagen der Nachbarn. Der Backhaus muss sehr zurück gezogen gelebt haben. Keiner erwähnte Damen- oder Herrenbesuch. Einmal die Woche kam eine Putzfrau. Der Backhaus soll auch viel unterwegs gewesen sein. Was er beruflich machte, wusste keiner, es konnte sich auch keiner etwas Konkretes vorstellen. Der eine glaubte, er sei Software Entwickler, einer meinte, er wäre irgendein hohes Tier bei Texas Instruments. Sein wahres Ich hatte er immer gut versteckt.«

      »Habt ihr irgendwelche Unterlagen gefunden, an was er gerade gearbeitet hat, ein angefangenes Manuskript, Recherchen, Unterlagen über seine Vermögensverhältnisse?«

      »Er hat ein Konto bei der Freisinger Bank, ein paar Tausend Euro im Plus und einige Aktien in einem Depot. Knapp Dreihunderttausend. Das Haus gehörte ihm und ist bezahlt. Mehr wissen wir nicht.«

      »Was ist mit einem Telefon?«

      »Nichts. Kein Festnetz, kein Mobilfunk. Nicht bei seinen Sachen aus der Therme, und nichts im Haus.«

      »Dann liegt es in seinem Wagen?«

      »Vielleicht?«

      »Wo ging er hin, wenn er einkaufen musste, wohin, wenn er abends etwas trinken wollte, was machte er am letzten Wochenende? Und wer machte seine Bude so sauber? Die Putzfrau?«

      »Sie ist eine Türkin und war das letzte Mal vor einer Woche da«, antwortete Zeidler.

      »Also hat jemand anderes sein Haus gereinigt, aber warum?«

      Keine Antwort. Kreithmeier sah seine Kollegen fragend an.

      »Habt ihr einen Rechner entdeckt? Melanie und ich haben einen Monitor auf seinem Schreibtisch gesehen, aber keinen Rechner.«

      »Da muss ich dich leider enttäuschen. Nichts.«

      »Was ist mit seinem Wagen. Wo steht der jetzt.«

      »Immer noch auf dem Parkdeck in Erding. Du hast den Schlüssel noch.«

      Kreithmeier blickte auf das Chaos auf seinem Schreibtisch, er schob ein paar Papiere auf die Seite und fand einen Schlüsselbund.

      »Hier, das muss er sein. Schnapp dir den Schaurig und bringt den Wagen hierher. Was fährt er überhaupt für einen Wagen?«

      »Laut KFZ Zulassungsstelle einen Audi A 5«, antwortete Melanie.

      »Nur vom Feinsten. Bringt den Audi nach Freising. Vielleicht finden wir dort etwas?«

      »Hat das nicht bis Donnerstag Zeit? Wenn wir sowieso in die Therme müssen«

      »Nein, mein lieber Rainer, ihr holt den Wagen noch heute. Ich will wissen, was im Fahrzeug ist. Und warum man diesen Mann ermordet hat. Um Geld kann es nicht gegangen sein. Denn bis jetzt ist kein Testament gefunden worden und kein Erbberechtigter hat irgendwelche Ansprüche gestellt. Was ist eigentlich mit seinem Verleger? Steigen jetzt die Auflagen durch den Tod des Schriftstellers?«

      »Das weiß ich nicht, aber ich werde mal im Verlag anrufen und mich erkundigen«, sagte Melanie.

      »Wo werden die Bücher denn verlegt?«

      »In Wernigerode, im Walpurgis Verlag.«

      »Wo ist denn Wernigerode?«, wollte Kreithmeier wissen.

      »Im Harz, in der ehemaligen DDR, in Sachsen-Anhalt. Unterhalb vom Brocken.«

      »Harz, Brocken, DDR, Walpurgis? Gibt es denn nicht so etwas wie eine Walpurgisnacht?«

      »Klar. Am 30. April. Sie kommt also noch. Traditionell gilt die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai als die Walpurgisnacht. In dieser Nacht tanzen die Hexen wild auf dem Blocksberg, dem eigentlichen Brocken, herum. Es soll Sitte gewesen sein, dass in dieser Nacht die jungen Mädchen mit entblößten Genitalien über Steine rutschten, um sich dabei ihren Liebhaber zu wünschen.«

      »Ich wusste es.«

      »Was wusstest du?«

      »Das du dazu gehörst, eine durchgeknallte Hexe aus DDR Beständen, nach West Deutschland geschickt, um den braven gottesfürchtigen Männern in Bayern den Kopf zu verdrehen.«

      »Du chauvinistisches kleines Arschloch«, fauchte Melanie und formte ihre Finger zu scharfen Krallen, um Kreithmeier die Augen auszukratzen.

      »Ich gehe dann mal lieber«, versuchte Zeidler sich aus dem Büro zu stehlen. Fast gleichzeitig drehten sich Melanie und Alois zu ihm um und riefen wie aus einem Mund: »Du bleibst da!«

      Zutiefst erschrocken blieb Zeidler in seiner Bewegung verharren und drehte sich wie in Zeitlupe zu ihnen um.

      »Du bleibst da!«, riefen sie erneut.

      »Also Spaß beiseite. Rainer du holst jetzt mit dem Schurig den Wagen«, kommandierte Kreithmeier seine Kollegen, »Melanie, du kümmerst dich um den Hexenverlag, das passt zu dir, ich werde mich bei einigen Tattoo-Shops umhören, und mich nach der schwarzen Lilie erkunden. In zwei Stunden treffen wir uns wieder hier zum Rapport. Verstanden?«

      Melanie und Rainer Zeidler nahmen Haltung an und salutierten mit einem lauten »Jawoll mein Führer.«

      Kreithmeier winkte nur ab und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn »Ihr spinnt beide. Stopp Rainer! Was ich immer noch nicht von dir beantwortet bekommen habe, warum willst du so gerne mit mir zum Tattoo Treff in die Therme?«

      »Weil ich auch tätowiert bin.«

      Kreithmeier fiel der Kinnladen herunter: »Du?«

      »Ja, ich!«

      »Eine Rose am Hintern?«

      »Natürlich nicht.«

      »Was dann?«

      »Du wirst es sehen.«

      »Jetzt mach es nicht so spannend, nun sag schon, Melanie will es sicher auch wissen, gell Melanie?«

      »Am Donnerstag. Und wenn sie es sehen will, sollte sie uns vielleicht begleiten.« Und schon war der Zeidler aus der Tür raus und im Flur verschwunden.

      »Das wird ja immer schöner. Eine Hexe als Partnerin, ein tätowierter Spurensicherer, was kommt noch alles.«

      »Ein chauvinistischer Kriminalkommissar.«

      »Ich bin kein Chauvi.«

      »Was noch zu beweisen wäre.«

      »Komm Gizmo, lassen wir die Bocksberg Hexe allein, gehen wir Gassi.«

      Gizmo sprang sofort von seiner Decke, als er das Wort Gassi hörte, er wirbelte durchs Büro, versuchte mit seinem Maul seinen eigenen Schwanz zu schnappen und folgte seinem Herrchen nach draußen. Melanie setzte sich an ihren Schreibtisch und griff zum Telefon.

      Alois Kreithmeier wusste ganz genau wohin er wollte: In die Altstadt, in eine der kleinen Gassen in der Nähe des Marienplatzes, in ein Tätowier Studio, in den Laden mit dem fantastischen Namen »Dragonlady«, Drachenfrau. Seit die Thriller von Stieg Larsson in die Kinos, auf DVD und letztendlich auch ins Fernsehen kamen, begann ein richtiger Hype auf Tattoos, Piercings und Punk Kleidung. Eine der Schlüsselfiguren in seinen Romanen war Lisbeth Salander, eine junge Frau mit geheimnisvoller Vergangenheit, von Kopf bis Fuß gepierct und tätowiert. Und der Höhepunkt ihrer künstlerischen Bemalung ist ein Drachen auf ihrem Rücken. Der Name des Tattoo-Shops war nach dem Erscheinen des letzten Teiles der Saga geändert worden. Im Eingangsbereich überdeckte ein riesiges Poster der Lady mit dem Dragon Tattoo eine alte Tapete und im hinteren Bereich schmückte ein Poster der tätowierten verstorbenen Pornoqueen Sexy Cora die Wand.

      Ein Mann stand gelangweilt hinter einem Tresen, blätterte in