Axel Birkmann

Tödlicher Aufguss


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Straße. Zurück in der Dienststelle in der Haydstrasse in Freising begann Melanie sofort mit unbeirrbarem Aktionismus ihre Planungstafel ins Büro zu rollen und sie mit den neuesten Informationen zu bekleben: Bilder von der Therme, von Markus Backhaus, daneben schrieb sie seinen Künstlernamen Black Beth und darunter den Namen des Saunabediensteten Martin Wildgruber. In eine Ecke schrieb sie Black Lady mit schwarzer Lilie und darunter Freundin mit weißer Lilie. Dann fügte sie mit einem roten Filzstift Pfeile zwischen den einzelnen Namen und Bilder hinzu, überprüfte noch einmal alles, rollte ihren Schreibtischstuhl vor die Wand, setzte sich, atmete tief ein und aus und rief: »Fertig!« Alois hatte ihr ohne einen Kommentar hinzuzufügen zugesehen.

      »Und jetzt?«, fragte er kleinlaut. Sie war immer noch böse auf ihn. Hatte er doch mit seinem Gemosere gegen ihre politische Ideologie von »Nackt und Frei« gemeckert. Und das hatte sie ihm wirklich krumm genommen.

      »Jetzt lassen wir die Spurensicherung antraben. Der Wagen von Backhaus ist übrigens auch schon gefunden worden. Er steht noch auf dem Parkdeck in der Therme. Du hast die Schlüssel. Wenn du am Donnerstag in die Therme fährst kannst du den Wagen ja mitbringen.«

      »Wie bitte?«

      »Am Donnerstag ist dieses Extremisten Treffen. Da bringst du den Wagen ganz einfach mit.«

      »Ich soll schon wieder ....«

      »Wer denn sonst? Ich vielleicht?«

      »Ich hatte gedacht ....«

      »Ach, du hast gedacht, dass ich als Anhänger des Freikörperkultes quasi prädestiniert bin für verdeckte Ermittlungen in einem Nacktbereich. Und das am besten noch mit dir zusammen, damit du mir die ganze Zeit auf meinen Arsch und auf meinen Busen starren kannst. Das kannst du dir abschminken. Den Job machst du alleine. Oder.....« Melanie machte ein kurze Denkpause. »Oder du nimmst den Zeidler mit, dem macht das sicher Spaß, knackigen tätowierten Mädels auf den Hintern zu schauen, oder treibt der es lieber mit Jungens? Auch gut. Nimm den Zeidler mit und ihr beiden werdet einen Riesenspaß haben. Und wahrscheinlich werdet ihr an diesem Tag noch die beiden Ältesten sein, so wie mir der Wildgruber die Szene erklärt hat.«

      »Das kannst du nicht von mir verlangen«, flehte Kreithmeier sie an.

      »Das ist die leichteste Übung. Ein kleiner Anruf bei der Lehner und sie spendet euch beiden den Eintritt.«

      »Hexe, alte Hexe!«, rief Kreithmeier und rannte aus dem Büro.

      »Ich werde anfangen zu schreiben«, fluchte er, »und in meinem ersten Roman wird eine Hexe aus Thüringen mit langen blonden Haaren bei lebendigem Leib auf dem Scheiterhaufen natürlich barbusig und nackt verbrannt.«

      Er schritt runter auf den Hof, setzte sich in sein Auto und fuhr nach Hause. Gleich nach dem er die Klinke herunter gedrückt hatte, wurde er von Gizmo überfallen, seinem treuen Hund, den er heute zu Hause lassen musste, der sich aber jetzt unbändig freute, dass sein Herrchen ihn abholte.

      Bevor er zurück ins Büro zu seiner Thüringer Hexe fuhr, lief er mit Gizmo in den Isarauen entlang. Gizmo freute sich und tanzte um sein Herrchen, markierte zwischendurch den einen oder anderen Baum und erschnüffelte an den Spuren anderer Hunde, was hier so alles losgewesen war in den letzten Stunden.

      Alois war sauer, auf sich, auf seine Kollegin, auf den Fall, auf den Backhaus, einfach auf alles und auf jeden. Er fragte sich, wie konnte man mit solchen Trivialromanen so viel Geld verdienen, dass man sich so ein modernes Haus und das auch noch in einer der besseren Wohngegenden von Freising leisten konnte. Und da ließ sich der Mann auch noch im Nacktbereich einer Wellness Oase wegrichten.

      Wie blöd musste man denn sein? Und wie ausgefuchst und berechnend musste erst der Mörder sein, dass er überhaupt auf so eine Idee kam? Ein einfacher Schuss ins Herz oder zwischen die Augen hätte es doch auch getan. Das wäre sauber gewesen. Aber so dachten die Mörder nicht mehr, wenigsten die, mit denen er es zu tun hatte. Das waren nicht viele, aber komischerweise fanden die letzten Morde immer an einem Montag statt.

      Der Tote Hund, der Tote auf der Startbahn und jetzt der Tote im Salzstollen. Und immer wurde er gestört, wenn er mit seiner Kollegin abends unterwegs war und ihr für ein paar Augenblicke näher kam. Dann kam ein Anruf, ein Leichenfund und alle Romantik war verschwunden. Der öde Alltag hatte sie wieder. Und dann begann alles von vorn: Streiten, Hänseln, ihre Witze wegen seiner Kleidung, ihre Anspielungen auf seine Körperfülle, insbesondere seinen Bauch, seine Einsamkeit in seiner Bude und sein ungesundes Essen. Und so weiter. Das Leben ist schon komisch.

      »Komm Gizmo, wir müssen wieder. Du kommst mit ins Revier. Und du hörst heute nur auf mich. Und die Melanie ist böse. Du wirst sie mit Verachtung strafen. Hörst du?«

      Gizmo wedelte mit dem Schwanz als er den Namen Melanie gehört hatte.

      Es war egal, was sein Herrchen ihm alles gesagt hatte, als sie zurück auf dem Revier waren, sprang er sofort an Melanie hoch und holte sich von ihr seine Streicheleinheiten ab. Kreithmeier murmelte nur noch verbittert »Verräter«.

      Gizmo überhörte es und kuschelte sich dann auf seine Schmusedecke.

      »Schön, dass der Herr wieder da ist. Rainer Zeidler von der Spurensicherung kennst du ja und was soll ich dir sagen, er ist begeistert von der Idee, dich am Donnerstag auf Kosten der Dienststelle ins Sauna-Paradies zu begleiten. Na, was sagst du jetzt?«

      Kreithmeier hatte den Zeidler zunächst gar nicht entdeckt. Jetzt sah er ihn am Fenster stehen mit seinen zu einem Pferdeschwanz zusammen geknoteten langen Haaren und seiner dicken Nase, wie er ihn verschmitzt anlächelte.

      »Da reden wir noch darüber. Und lach nicht so schelmisch, Rainer. Wieso willst du überhaupt mit mir zusammen nach Feierabend in die Sauna gehen. Bist du schwul?«

      »Überhaupt nicht. Was denkst du denn von mir?«, fragte der Angesprochene feindselig.

      »Gar nichts. Erzähl mir lieber, was ihr im Haus von Backhaus gefunden habt.«

      »Nichts!«

      »Wie nichts?«

      »Wie ich schon sagte, nichts!«

      »Kannst du dich bitte mal etwas genauer ausdrücken. Fingerabdrücke, Unterlagen, DNA Spuren, einfach alles?«

      »Ich habe es gerade gesagt: Nichts!«

      »Du willst mir doch nicht sagen, dass ihr in diesem riesigen Haus keinen einzigen Fingerabdruck gefunden habt?«

      »Ja und Nein.«

      Kreithmeier atmete tief ein: »Ja, was jetzt? Nerv mich nicht.«

      »Wir haben einen gefunden.«

      »Und?«

      »Der Fingerabdruck gehört einem Mann, so um die 40 bis 50, eher etwas älter, grantig, schlecht gelaunt, versteht selten Spaß, wohnt alleine und hat einen Hund.«

      Kreithmeier starrte Rainer Zeidler verblüfft an.

      »Und das habt ihr alles aus den Fingerabdrücken ablesen können?«, fragte er ungläubig.

      »Wir sind ganz einfach die Besten. Die Abdrücke waren auf einem Buch im Wohnzimmer. Sonst war alles klinisch rein. Keine Krümel, keine Hautschuppen, keine Haare. Wirklich nichts.«

      Kreithmeier brauchte eine Zeit um Zeidlers Worte zu verstehen, doch dann lachte er hysterisch auf.

      »Und die Fingerabdrücke stammen nicht zufällig von mir?«

      »Doch mein lieber Alois, es sind deine. Melanie zieht ja immer sofort Handschuhe an, was man von dir nicht behaupten kann.«

      »So, so, grantig, schlecht gelaunt und versteht keinen Spaß. Mit der Therme, das überlege ich mir noch, ob ich dich da mitnehme. Vielleicht sollte ich den Schaurig mal fragen.«

      »Der Schurig geht höchstens mit einem Neopren-Anzug in die Sauna, der verklemmte Hund.«

      »Wie redest du denn über deinen Kollegen? Aber Spaß beiseite, ihr habt wirklich nichts gefunden.«

      »Wenn ich es dir doch sage.