Axel Birkmann

Tödlicher Aufguss


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schnappte sich den Eimer, hing ihn sich an den Arm, legte sich zusätzlich zwei Handtücher um die Schulter und schlürfte durch den Nassbereich zum Solestollen. Es war gerade kein Aufguss zu Gange, nur wenige Gäste verweilten auf den hölzernen Bänken. Freundlich bat Melanie sie zu gehen, es müssten einige Vorbereitungen und Ausbesserungen für den nächsten Salzaufguss gemacht werden. Die Saunagänger glaubten ihren Worten, schnappten sich ihre Handtücher und verließen ohne zu Murren den Stollen.

      Ein uriges Bergwerksambiente strahlte der Solestollen für Kreithmeier aus, der wie ein Bergwerksstollen schmal und niedrig unter dem Themenbereich in die Erde gearbeitet war. Sein Blick schweifte von Hand gebeilten Kieferbohlen, die den Stollen abstützten, über Rosenquarzkristalle bis vor auf eine künstliche Felswand mit Bergkristallen, an der eine Sole leise plätschernd herunter floss.

      Auf den rustikal gehobelten Bänken sollten die Saunagäste sitzend die fein vernebelte Sole einatmen, die ihren Atemwegen helfen sollte, sich gegen Erkältungskrankheiten zu schützen. Zusätzlich konnte man in Kombination mit dem darin enthaltenen Jod einen Salzaromaufguss genießen, der stündlich den Gästen angeboten wurde. Kreithmeier legte ein Badetuch auf die Bänke und setzte sich darauf. Melanie fuhr mit der Befragung stehend fort.

      »Der Backhaus saß also hier neben zwei jungen Frauen«, erklärte Wildgruber.

      »Und die schwarzhaarige Schönheit?«

      »Die saß genau hier neben dem Ofen.«

      »Und dann?«

      »Dann habe ich frische Luft hinein gefächelt.«

      »Tun Sie bitte alles so wie gestern. Okay?«

      »Okay!«

      Martin Wildgruber öffnete die Glastür und wedelte mit einen Handtuch vor der Tür in Kreisbewegungen frische Luft in den engen Raum. Die Luft tat gut, denn Kreithmeier spürte, wie er zu schwitzen begann. Sie hatten beide noch den Bademantel an, doch darunter sammelte sich bei ihm schon der erste Schweiß. Er konnte sehen, wie Melanie Wassertropfen vom Kinn auf ihre Brust sprangen und im Ausschnitt des Bademantels als kleines Rinnsal zwischen ihrem von Frottee verpackten Busen nach unten liefen. Ihr war heiß aber sie wollte sich keine Blöße geben und vor allem nicht den Mantel öffnen.

      Martin Wildgruber packte nun den Eimer vor der Türe und tat so, als ob er den Saunagästen Salz auf die ausgestreckte Hand lud.

      Melanie folgte ihm nach draußen. Für Alois das Kommando die heiße Enge ebenfalls zu verlassen.

      »Wo stand Backhaus, wo haben Sie ihn gesehen?«, fragte er den jungen Mann.

      »Dort in der Ecke, unter der warmen Brause.« Er deutete mit dem Arm in die Richtung.

      »Und die Frau?«

      »Sie war neben ihm.«

      »Die ganze Zeit?«

      »Nein, sie ist einmal kurz an die Haken für die Bademäntel gegangen, hat sich die Hände mit einer Creme eingeschmiert, das konnte ich sehen, weil die Haken hier im Hellen sind.«

      »Und danach?«

      »Ich glaube, sie hat dann Backhaus den Rücken mit Salz eingerieben.«

      »Und ich glaube, ich werde noch wahnsinnig mit ihrem Scheiß ich glaube. Geht das denn nicht ein bisschen konkreter?«, maulte der Kommissar den Saunameister an.

      »Also ich habe gesehen, dass sie ihm den Rücken eingerieben hat. Punkt.«

      »Schon besser. Woher hatte sie das Salz?«

      »Na von mir.«

      »Sie haben gerade gesagt, sie hätte sich die Hände eingecremt, wo soll die dann das Salz gehalten haben, in ihrer Arschfalte?«

      »Alois!!!«

      »Ja ist doch wahr. Ich creme mir die Hände ein, wo habe ich solange das Salz?«

      »Dann halt von Backhaus.«

      »Oder ganz woanders her.«

      »Wieso?«

      »Weil der liebe Backhaus Steinsalz aus dem Himalaya auf dem Hintern hatte und kein Meeressalz wie Sie es benutzen. Punkt!«

      Martin Wildgruber stand jetzt da, als ob ihm jemand eine Ohrfeige gegeben hatte.

      »Das war jetzt wirklich zu viel für den armen Jungen. Kannst du dich mal abregen und vor allem keine Ermittlungsergebnisse ausplaudern, Alois.«

      »Ist doch was. Hier passierte höchstwahrscheinlich ein kaltblütiger Mord vor zwei Dutzend Leuten und keiner hat was gesehen. Die Gäste sind schon lange weg, die Putzfrauen haben alles sauber gemacht und der Oberverantwortliche, unser lieber Saunameister hier, glaubt immer nur. Wir werden jetzt wieder zurück ins Büro Ihres Chefs gehen. Ich lasse von der Dienststelle einen Zeichner kommen und der wird auf Grund der Beschreibung des jungen Mannes hier ein Phantombild von der Frau mit dem Tattoo machen und dann sehen wir weiter. Mir ist heiß, ich schwitze, ich habe Durst und ich muss auf die Toilette. Räumen wir hier das Feld. Und Sie kommen mit. Ich möchte Ihre Aussage schriftlich. Und wann ist dieser ominöse Tattoo Treff?«

      »Am Donnerstag.«

      »Gut. Da werden wir ja sehen, ob wir diese Frau schnappen können. Sie ist im Moment unsere Haupttatverdächtige. Nur weshalb? Ein Motiv habe ich bis jetzt nicht. Und Sie ziehen sich jetzt an, wir haben noch Einiges vor.«

      Kreithmeier schulterte das Badetuch und marschierte mit entschlossenem Schritt Richtung Umkleidebereich. Er wollte nur raus. Melanie und Martin Wildgruber folgten ihm.

      Die schwarze Lilie

      Kreithmeier war froh als er wieder in seine Straßenkleidung geschlüpft war und neben Melanie im Auto saß. Für seinen Geschmack war die Therme eher nicht. Nicht, dass er etwas gegen eine Runde Saunieren, Entspannen und Relaxen hätte, nein, überhaupt nicht, was ihn an der Therme störte, war diese enorme Ansammlung nackter Körper. Und es waren vor allem so viele hässliche darunter. Ein junger Mädchenkörper könnte ihn schon begeistern, doch die meisten Gäste waren seiner Meinung nach scheintot, oder sie hatten es noch gar nicht gemerkt, dass sie schon gestorben sind. Und der Name Paradies war auch treffend. Obwohl einige von den Gästen sicher in die Hölle gehörten.

      Und so ging es die ganze Zeit auf ihrem Weg von Erding nach Freising. Nichts als Lästereien und Genörgel, bis Melanie abrupt auf die Bremse trat und den Audi rechts ran fuhr.

      »Bist du jetzt bald fertig. Du müsstest dich mal selbst hören. Hast selbst bis vor ein paar Wochen noch einen durchs fette und einseitige Essen verformten Körper gehabt und jetzt meinst du, du kannst so ohne Weiteres über die Leute in der Therme mosern? Du bist auch kein Adonis. Und wenn du jetzt nicht aufhörst, dann schmeiße ich dich hier raus. Wir haben einen Mord aufzuklären und keinen Erfahrungsbericht über die Erding Therme zu schreiben.«

      »Entschuldige, Melanie. Ich war noch nie unter so viel nackten Leuten.«

      »Was ist denn daran schlimm? Wir haben in der DDR eine richtige Freikörperkultur gehabt. Es war die einzige Möglichkeit uns frei zu bewegen. Einem nackten Mann kann man kein Mikrofon in die Tasche stecken. Der Ausdruck unseres unbändigen Freiheitsdranges in einer eingeschlossenen Gesellschaft.«

      »Sorry, ich ....«

      Melanie war sauer und in Fahrt und sie ließ ihn nicht zu Wort kommen: »Unsere Freikörperkultur in der ehemaligen DDR hat über alle spießbürgerlich-kapitalistischen und religiösen Vorurteile gesiegt. Nur im kapitalistischen Amerika musste man dem kranken Gemüt mit Reizmitteln nachhelfen und den Körper in verwegene Bademoden stecken, die einerseits als erotische Stimulans dienten, andererseits den Textilkonzernen beträchtliche Summen einbrächten. Das alles hatte einmal eine Schauspielerin an unseren Ministerpräsidenten geschrieben. Die FKK Jünger wurden teilweise sogar von der Stasi verfolgt. Und Nacktbaden war verboten. Und jetzt regst du dich auf. Alter Spießer.«

      »Ich bin schon ruhig. Fahr bitte weiter.«

      Melanie