Axel Birkmann

Tödlicher Aufguss


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      »Wieso interessieren Sie sich so für Tattoos?«

      »Weil ich selbst tätowiert bin und gerne am ersten Donnerstag im Monat Dienst habe.«

      »Warum denn das?«, fragte Kreithmeier erstaunt.

      »Weil dieser Tag so ein inoffizieller Treffpunkt für Tätowierte und Gepiercten in der Therme ist. Da geht es hier drinnen ganz schön ab.«

      »Was Sie nicht sagen?« Kreithmeier konnte es nicht unterlassen, einen knappen Kommentar loszuwerden. »Was heißt das denn, hier geht es ziemlich ab?«

      »Lauter hübsche Frauen, tolle Tattoos. Die ganze Therme knistert dann nach purer Lust und Erotik.«

      »Sie meinen die Therme verwandelt sich dann zu einem Swingerclub?«

      »Nein, nein, wo denken Sie hin. Das ist hier streng untersagt. Da passen wir schon auf. Nur es gibt einige Frauen, die genießen es, an diesen Abenden ihre Haut öffentlich zur Schau zu tragen. Nicht puritanisch in ein Handtuch gewickelt, sie laufen dann nur noch nackt herum. Und genießen es.«

      »Und da haben Sie diese Frau mit der schwarzen Lilie schon einmal gesehen.«

      »Ja! Das habe ich.«

      »Und ihre Freundin?«

      »Auch! Sie trägt auch schwarze Haare, aber eine weiße Lilie als Tätowierung.«

      »Zwei kleine Lilien sind ja keine großartigen Tattoos, die ich an einem solchen Tag auf meinem nackten Körper zeigen muss. Da gibt es doch sicher ganz andere.«

      »Das stimmt. Es gibt Frauen, die sind von Kopf bis Fuß bemalt. Aber diese beiden Frauen haben von allen, den meisten Sexappeal, wenn ich das mal so sagen darf. Ihre erotische Ausstrahlung ist nicht von dieser Welt.«

      »Sagt Ihnen der Name Black Beth etwas?«, drängelte sich Kreithmeier dazwischen.

      »Black Beth? Ja, natürlich. Black Beth, oder die Schwarze Elisabeth ist eine der begnadetsten Schriftstellerinnen für Horrorliteratur. Ich kenne fast alle ihre Bücher.«

      »Ich werde Ihnen jetzt ein Geheimnis verraten, sie wird leider keine Bücher mehr schreiben.«

      »Wieso denn das?«, fragte Wildgruber entsetzt.

      »Weil sie am Montag in Ihrer Sauna gestorben ist. Markus Backhaus ist Black Beth, die Schwarze Betty. Es war sein Pseudonym. Und er ist jetzt tot. Oder sie ist jetzt tot. Egal. Alle beide sind jetzt tot.«

      Der junge Mann blickte erschrocken auf. Er stotterte: »Ddddas habbbee ich nnnnicht gegegeewusst. Die Black Beth ist ein Mann?«

      »Ja! Und er ist tot. Und warum?«

      »Das weiß ich doch nicht.«

      Melanie führt das Verhör weiter fort: »Ist das nicht komisch, dass ein Horrorschriftsteller während Ihrer Arbeitszeit ermordet wird, während der Arbeitszeit eines seiner größten Fans?«

      »Sie glauben doch nicht ....«

      »Wir glauben im Gegensatz zu Ihnen gar nichts. Wir orientieren uns an Hand der Fakten. Und die sprechen im Moment gegen Sie. Wer sagt uns denn, dass Sie nicht der Lady in Black mit dem Tattoo auf dem Po, vergiftetes Salz gegeben haben, damit sie damit den Backhaus zu Tode reibt.«

      Martin Wildgruber sprang auf und schrie: »Das können Sie nicht ...«

      »Ganz ruhig«, versuchte Melanie den Aufgebrachten zu beschwichtigen, »Ganz ruhig! Wir verdächtigen Sie ja nicht. Noch nicht. Aber es ist doch eigenartig. Oder? Setzen Sie sich bitte wieder.«

      Der plötzliche Widerstand des jungen Mannes brach genauso schnell zusammen, wie er hochgekommen war. Er setzte sich wieder, zitterte aber am ganzen Körper.

      »Erzählen Sie uns mehr von dieser Frau«, fragte Kreithmeier.

      »Ich kenne sie nicht, nicht namentlich. Sie ist auch nicht aus Erding. Doch sie war ein paar Mal Donnerstags da.«

      »Wann ist das nächste Treffen?«

      »Da müsste ich im Internet nachschauen. Normalerweise am ersten Donnerstag im Monat. Nur nicht in den Ferien und an Feiertagen. Diese Leute wollen unter sich sein. Das wäre dann jetzt am Donnerstag.«

      Melanie wurde langsam ungehalten. Sie verschärfte ihren Ton und sagte: »Also gut! Wir ziehen uns jetzt aus und begleiten Sie in den Saunatrakt. Dort können Sie uns alles vor Ort zeigen. Wo Sie gestanden sind, wo Sie Backhaus gesehen haben, und diese geheimnisvolle Frau. Okay?«

      »Okay!«

      »Und noch etwas«, betonte Sie eindringlich, »behalten Sie alles, was wir besprochen haben, für sich. Reden Sie mit niemandem darüber. Wir suchen einen Mörder, einen kaltblütigen Mörder, falls Sie das noch nicht verstanden haben. Und der tötet auf eine sehr perfide Art und Weise.«

      »Ich habe verstanden. Ich rede mit Niemandem.«

      Im Umkleidebereich zogen sich die Beamten aus und schlüpften in die für sie bereit gestellten Bademäntel. Obwohl Alois Kreithmeier die letzten Wochen auf seine Figur geachtet hatte und dank Melanies Hilfe einige Kilogramm um die Hüfte und am Bauch abgenommen hatte, fühlte er sich im Bademantel und im FKK Bereich nicht wohl. Er hatte Melanie zwar schon einmal kurz in der Unterwäsche gesehen, nach ihrem Rausch im Nachtcafé, als sie bei ihm übernachtet hatte, aber sie ihn bisher nicht. Er wickelte den Bademantel um den Körper und verknotete den Gürtel so fest, dass außer seinen Waden und seinen Füssen kein Stück nackte Haut zu sehen war. Dann folgte er Martin Wildgruber und seiner Kollegin die Treppe hinunter zum Solestollen.

      Melanie zeigte sich nicht so verschlossen. Bei jedem ihrer Schritte, öffnete sich der Mantel im Schlitz ein wenig und ihre wohlgeformten Beine schienen durch. Sie zeigte nicht zu viel und nicht zu wenig und genoss ihren Gang durchs Sauna-Paradies. Um ihr Auftreten noch zu verstärken, warf sie bei jedem zweiten Schritt ihre blonde Mähne in den Nacken. Einige der Männer, die nackt oder nur mit einem Handtuch um die Hüfte bekleidet, an ihr vorbei gingen, drehten sich nach ihr um, in der Hoffnung etwas mehr als nur ihre Beine zu sehen.

      »Spanner! Nichts als Spanner und Exhibitionisten!«, murmelte Kreithmeier leise brummig vor sich hin, dem die anbetungsvollen Blicke der männlichen Gäste nicht entgangen waren. Er wusste nicht, was er von diesem nackten Zirkus halten sollte. Die meisten Männer waren weit über seinem Alter, hatten den Zenit bereits überschritten und gaben ihre Rente hingebungsvoll im Nacktbereich aus, in dem sie jungen Frauen auf den Arsch und auf die Brüste starrten. Geistige Triebtäter! Das war nicht seine Welt.

      Kreithmeier blickte bedrückt auf den Boden. Das Schlimmste wäre für ihn, wenn ihn gerade jetzt in diesem Aufzug jemand erkennen würde. Vielleicht sogar der Polizeipräsident. Doch der würde sich sicher nicht an ihn erinnern, obwohl er ihn vor wenigen Wochen höchst persönlich für seinen mutigen Einsatz im KZ Dachau gelobt hatte. Aus dem unbefleckten Freisinger Dorfpolizisten war über Nacht eine lokale Größe geworden. Selbst das Landeskriminalamt in München hatte ihm Anerkennung zukommen lassen. Aber wenn sie ihn jetzt so sehen würden, im Bademantel auf Mörderjagd? Alles wäre auf einen Schlag vernichtet, seine gesamte Reputation. Und wenn er den Saunabereich geschlossen hätte? Polizeieinsatz im Nacktbereich. Das wäre noch schlimmer gewesen. Razzia unter nackten Popos. Eine gefundene Schlagzeile für die Sensationspresse. Dann doch lieber im Bademantel auf Mördersuche.

      »Hier habe ich das Salz vorbereitet«, unterbrach eine Stimme seine Gedanken. Martin Wildgruber hatte eine Tür zum Personalbereich geöffnet und mit dem Finger auf einen Eimer gezeigt, in dem noch Reste eines Salz-Ölgemisches am Rande klebten.

      »Und dann?«, fragte Melanie, beugte sich ein wenig nach vorne, um besser in den Eimer schauen zu können. Mit der Rechten hielt sie den Mantel vorne zusammen damit nicht ihr Busen aus dem Frotteestoff heraus fiel. Kreithmeier schmunzelte. Ganz so offen und freizügig wie die junge Dame immer tat, war sie anscheinend doch nicht. Er konnte keinen Blick von ihrem nackten Busen erhaschen. Anständig sorgte sie dafür, dass alles brav bedeckt blieb.

      »Dann habe ich den Eimer