Michael Hamberger

Das Teufelskraut


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Schweizer Taschenmesser hervor. Sie klappte es auf und begann das Fleisch zu schneiden. Da Layla sorgsam darauf achtete, dass die Klinge immer scharf geschliffen war, schnitt es durch das Fleisch, wie Butter. Sie stach es auf die Gabel und steckte sich das Fleisch in den Mund. Dann erst sah sie die verdutzten Gesichter von Master Berau und Elisabeth. Die hatten solch ein Messer natürlich noch nie gesehen. Layla lächelte und reichte es Master Bernau, der es mit wissenschaftlicher Akribie untersucht. Er probierte es sogar an seinem eigenen Fleisch und rief überrascht auf, als es viel leichter durch das Fleisch schnitt, als er erwartet. Daraufhin gab er es Layla zurück und sagte:

      „Ihr seid voller Überraschungen, Maid Layla! Ich freue mich, dass ich Euch kennen lernen durfte!“

      Layla erwiderte das Lob. Layla reichte das Messer gleich an Elisabeth weiter, die es kaum noch erwarten konnte, es in die Hände zu bekommen. Auch sie untersuchte es ausgiebig und Layla musste sie zweimal warnen, sich nicht in die Finger zu schneiden. Erst nach mehr als einer Minute gab sie es Layla zurück, die sich daraufhin endlich über ihr Mahl hermachen konnte.

      Einer der größten Nachteile ihres Werwolf Daseins war der deutlich erhöhte Energiebedarf. Deshalb hatte Layla auch permanent Hunger, und wenn eine gewisse Zeit zwischen den Mahlzeiten lag, wie es momentan der Fall war, da hatte Layla richtiggehend Magenkrämpfe vor Hunger. Dann konnte sie sich auch nicht mehr beherrschen und aß mit einer fast unglaublichen Geschwindigkeit. So kam es, dass nach nicht einmal zehn Minuten der komplette Braten und alle Kartoffeln restlos leer waren. Master Bernau schüttelte darüber nur den Kopf, wobei seine Augen lustig blinzeln. Elisabeth lachte, dass ihr die Tränen in die Augen schossen und sagte, als sie wieder einmal Luft bekam:

      „Layla, Du bist nur so groß, wie eine Maid, hast aber ein Hunger, wie ein großer Bär!“

      Daraufhin musste auch Layla lachen. Das erste Mal, seit sie in diese seltsame Welt gekommen war, fühlte sich Layla entspannt. Sie hatte ganz offensichtlich zwei Freunde gefunden, die bereit waren, ihr zu helfen.

      Master Bernau gab seiner Haushälterin ein Zeichen, dass sie den Tisch abräumen konnte. Unschlüssig blieb Layla sitzen. Sie hatte keine Ahnung, ob von ihr erwartet wurde, der armen Frau zu helfen, aber als sich auch Elisabeth nicht rührte, blieb auch sie sitzen. Elisabeth sah die Frau mit traurigen Augen an. Ganz offensichtlich wusste sie, was der Frau passiert war. Layla wollte nicht neugierig erscheinen und getraute sich deshalb nicht danach zu fragen, aber Master Bernau hatte ihren Blick bemerkt und sagte:

      „Dies passiert, wenn man in die Fänge der Bären gerät. Ihr Mann hat es törichterweise gewagt, das scharlachrote Teufelskraut zu pflücken, das nur den Bären vorbehalten ist. Daraufhin haben die Bären nicht nur ihn in Stücke gerissen, sondern auch seine komplette Familie. Die einzige, die diese Untat überlebt hat, ist die arme Johanna.“

      In Layla stieg wieder diese unbändige Wut auf. Diese Bären waren schlimmer als Zahnweh. Aber Layla war auch klar, dass sie furchtbar auspassen musste. Diese Bären waren hochgefährlich, wie sie aus eigener Erfahrung nur zu gut wusste. Es war wohl für das erste wesentlich besser, jede Konfrontation mit den Bären zu vermeiden, aber eines Tages, auch das war Layla klar, eines Tages würde es wohl zu Kampf kommen. Und ob den Layla unbeschadet überstehen würde, das war mehr als fraglich. Bei der ersten Konfrontation hatte sie großes Glück gehabt, dass sie die Bären hatte überraschen können. Das würde den Bären mit Sicherheit nicht noch einmal passieren. Des Weiteren wusste Layla immer noch nicht, wer dieser Obermagier war. Wie gefährlich war er? Layla vermutete, dass er sehr gefährlich war, wahrscheinlich noch gefährlicher, als die Bären.

      Laylas Blick fiel auf Elisabeth, die ein geschocktes Gesicht machte. Offenbar hatte sie die Geschichte der armen Frau sehr bewegt. Layla lächelte ihr aufmunternd zu und das Mädchen erwidert tapfer das Lächeln.

      Layla sah Master Bernau an, um ihn etwas zu fragen und bemerkte, dass er tief und fest eingeschlafen war. Elisabeth hatte es auch gemerkt und machte Layla ein Zeichen, dass sie jetzt besser gehen sollten. Layla nickte und stand auf. Die beiden jungen Frauen dankten Johanna ausgiebig und machten ihr ein Zeichen, ihren Dank auch an Master Bernau weiterzugeben. Dann gingen sie zur Türe.

      Kapitel 7

      Überrascht stellte Layla fest, dass es inzwischen dunkel geworden war. Elisabeth nahm sie wieder bei der Hand und führte sie wieder durch das Straßenlabyrinth in Richtung Norden. Nach circa einem halben Kilometer kamen sie wieder in einem etwas ärmeren Viertel an, wobei es aber offenbar doch noch besser war, als jenes das sich direkt am West Tor befand. Hier waren die Häuser zwar auch aus Holz und nicht aus Stein, aber das Holz erschien deutlich frischen und besser verarbeitet. Auch waren die verwendeten Balken deutlich dicker.

      Elisabeth führte Layla zu einem Gebäude, das relativ neu erschien. Das Holz war durch die Sonneneinstrahlung noch nicht nachgedunkelt und auch der Grauschleier durch heftigen Regen, fehlte ganz.

      Das Haus war zweistöckig, wobei die untere Etage deutlich breiter war, als die obere, wodurch ein wunderschöner Balkon resultierte. Neben der Türe, die ebenfalls aus massivem Holz war, waren zwei schmale Fenster. Es gab sogar Glas. Im Obergeschoss waren ebenfalls drei dieser kleinen Fenster. Die hatten jedoch kein Glas. Offensichtlich war das Glas hier ein Luxusartikel, der nicht überall benutzt wurde. In den Holzhäusern am West Tor hatte keine der Häuser Glasscheiben gehabt, wie sich Layla zu erinnern glaubte.

      Elisabeth ging zur Türe und klopfte mit der flachen Hand dagegen. Wenige Sekunden später öffnete sich die Türe und ein etwa acht jähriges Mädchen öffnete die Türe. Layla musste fast auflachen, denn das Mädchen sah aus, wie die exakte, etwas zu kleine Kopie von Elisabeth. Das Mädchen sprang glücklich in die Arme ihrer Schwester, wobei ihr ihre langen, roten Haare wild um Schultern schlugen. Ihre Augen leuchteten. Es war unschwer zu erkennen, dass sie ihre große Schwester anhimmelte. Die winkte ihr fröhlich zu und forderte sie auf, einzutreten. Zögernd, fast schüchtern folgte ihr Layla. Im Haus angekommen, schaute sich Layla erst einmal um. Das Erdgeschoss bestand nur aus einem einzigen großen Wohnraum. In einer Ecke war ein offener Kamin. Der war jedoch nicht an. Offenbar wurde er auch als Kochherd benutzt, wie die Töpfe bewiesen, die ordentlich an dicken Hacken an der Wand hingen. An einem alten Tisch saß eine Frau und nähte im Licht einer großen Kerze an einem Kleid. Der Größe nach zu schließen, gehörte es der Schwester von Elisabeth. Im Raum war es angenehm kühl. Offenbar hatten die kleinen Fenster, die den Raum zwar sehr dunkel erscheinen ließen, auf der anderen Seite einen angenehmen Effekt auf das Raumklima.

      Elisabeth ging zu ihrer Mutter und umarmt diese. Die drehte sich zu ihr um und gab ihr einen dicken Kuss auf die Stirn. In Layla regte sich das unangenehme Gefühl von Heimweh. Wie sehnte sie sich danach, bei Ana Maria, Iztel, Balam, ihrem Adoptivsohn und Mark ihrem Verlobten zusammen im Wohnzimmer zu sitzen und die Erlebnisse des Tages durchzusprechen. Speziell Iztel hatte immer sehr viel zu erzählen.

      Elisabeth winkte Layla zu. Sie nahm sie bei der Hand und sagte zu ihrer Mutter:

      „Das ist Layla. Sie ist fremd hier und hat keinen Aufenthaltsort für die Nacht. Ich habe sie für die Nacht in unsere Stube eingeladen!“

      Elisabeths Mutter lächelte Layla freundlich an. Auch in ihrem Gesicht war die Ähnlichkeit mit Elisabeth unübersehbar. Sie hatte die gleichen großen Augen, wie Elisabeth. Nur die roten Haare fehlen. Das Haar der Frau war schneeweiß, fast genau so weiß, wie das von Mark, wobei Layla keine Ahnung hat, ob dies ihre ursprüngliche Haarfarbe war, oder ob das Haar seine Färbung im Alter verloren hatte. Die Frau wirkte nämlich sehr alt. Sie sah eher aus, wie die Großmutter der Mädchen, aber Layla vermutete, dass sie das schwere, entbehrungsreiche Leben frühzeitig hatte altern lassen.

      Layla fiel außerdem auf, dass er offenbar keinen Vater gab. Das ganze Haus sah einfach nach Frau aus. Spuren eines Mannes konnte sie nicht entdecken. Auch konnte sie sich nicht erinnern, dass Elisabeth von einem Vater gesprochen hatte. Selbst der Apotheker auf dem Marktplatz hatte nur von einer Mutter und einer Schwester gesprochen, Das war Layla schon dort aufgefallen, sie hatte aber keine Gelegenheit gehabt, Elisabeth danach zu fragen. Elisabeths Mutter reichte ihr die Hand und sagte mit einer sehr angenehmen Stimme:

      „Willkommen in meinem