Michael Hamberger

Das Teufelskraut


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      „Kannst Du trotzdem dort etwas recherchieren?“

      „Na gut, mache ich, aber höchstens ein oder zwei Tage!“

      „Das reicht mir vollkommen!“

      Damit legte Igor ohne weitere Grußworte auf. Igor war ein Meister der Effektivität. Lange Floskel, oder sogar ein Smalltalk hörte man bei ihm nie. Dass er dabei oft fast unfreundlich oder sogar unhöflich herüberkam, dass interessierte ihn nicht. Layla war ihm aber nicht böse. Sie kannte ihn besser und wusste, dass er eine Seele von Mensch war, immer bereit, seine Leute mit allem was er zur Verfügung hatte zu unterstützen.

      Layla arbeite seit zwei Jahren im Nebenjob für das Convento, seit sie in Mexiko in einen Fall hineingezogen worden war, bei dem sie zum Werwolf mutierte. Sie war aber keine blutrünstige Bestie, die nichts lieber tat, als jeden Vollmond auf Menschenjagd zu gehen. Ganz im Gegenteil. Layla war ein schneeweißer Werwolf. Und sie kämpfte an der Seite des Convento gegen diese Mächte der Finsternis.

      Im Hauptjob arbeitete Layla als Reporterin für die Basler Woche, einem wöchentlich erscheinendem lokalen Magazin. Peter Baumann, ihr väterlicher Freund und seit neuestem auch Schwager, war dort ihr Chef. Mittlerweile hatte der sich schon daran gewöhnt, dass Layla so Knall auf Fall plötzlich alles hinschmiss und für das Convento einen Fall übernahm. Er hatte auch gar nichts dagegen, weil dabei oft auch mal interessante Storys für die Basler Woche absprangen. Und jetzt schien der Fall direkt vor der Haustüre zu liegen, was ihm sicher gefallen würde.

      Layla griff zum Telefon, um Peter anzurufen, aber der kam ihr um Sekunden zuvor. Es klopfte an der Türe und als Layla laut „Herein“ gerufen hatte, trat auch schon Peter persönlich ein. Es kam nicht sehr oft vor, dass Peter persönlich bis in ihr kleines Eckbüro kam, weshalb ihn Layla sehr überrascht ansah. Er hatte sogar ein Kaffee mitgebracht. Er kannte Laylas Leidenschaft für dieses edle Getränk. Er stellte die Tasse direkt vor Layla ab, die auch gleich einen tiefen Schluck nahm.

      Peter war wie immer aus dem Ei gepellt. Layla kannte keinen Mann, der sich eleganter und geschmackvoller kleidete. Und seit er mit Ana Maria, Laylas Halbschwester verheiratet war, war er sogar noch eleganter und attraktiver geworden. Peter setzte sich an ihren kleinen Besuchertisch. Es störte ihn auch nicht, dass dieser beinahe unter den Akten und Dossiers, die Layla immer noch nicht aufgeräumt hatte, zusammenbrach.

      Mit einem peinlichen Grinsen setzte sich Layla zu ihm. Peter rührte nachdenklich in seinem Kaffee. Dann sah er Layla mit fragendem Blick an und sagte:

      „Also Layla, diese Geschichte mit dem Bären gefällt mir ganz und gar nicht. Es ist eine Sensationsstory, die nichts mit der Realität gemein hat. Ich weiß wirklich nicht, was ich davon zu halten habe. Wenn Du Dich dort umsiehst, dann recherchiere bitte sehr vorsichtig und gewissenhaft. Ich möchte nicht, dass uns ein riesiger Bär aufgebunden wird!“

      Layla musste herzhaft über das gelungene Wortspiel von Peter lachen. Sie wusste auch sehr gut, was er meinte. Die Basler Woche war stolz für ihre gut recherchierten und ausgearbeiteten Reportagen. Mit Sensationsberichten wollten sie nichts zu tun haben. Selbst ihre eigenen Berichte über die Geschehnisse in Mexiko mit dem geheimen Pfad von Cholula und den entführten Frauen, sowie dem Bericht über die Seelenräuberin aus dem Amazonasdschungel konnte nur in einer deutlich abgeschwächten Version herausgebracht werden, obwohl sie mehr als genug Beweise für die Sensationsstory schlechthin gehabt hatten. Und wenn jetzt Layla direkt vor der Haustüre plötzlich nach gigantischen Monsterbären suchte und das dann von anderen weniger gewissenhaften Vertretern der Presse herausgefunden wurde, dann konnte das die Basler Woche ganz schön in Erklärungsnot bringen. Aber sie kannte auch Peter. Er war trotz dass er mittlerweile zum Chefredakteur aufgestiegen war, immer noch 100% Journalist. Layla erkannte, dass ihn trotz der Zweifel die Story dahinter brennend interessierte. Deshalb sagte sie:

      „Natürlich, Peter, da passe ich auf. Ich bin mir auch sicher, dass ich übermorgen schon wieder hier am Schreibtisch sitzen werde. Diese Geschichte scheint mir etwas weit an den Haaren herbeigezogen!“

      Peter nickte nachdenklich mit dem Kopf. Er schien das gleiche zu denken. Aber beide kannten Igor. Der rief nicht einfach nur so an, ohne ausreichende Beweise dafür zu haben. Also sagte Peter lediglich:

      „Sei vorsichtig!“

      Dann trank er seinen Kaffee aus und verließ Layla wieder, die nachdenklich an ihren Schreibtisch zurückkehrte. Sie merkte, dass sie gar keine Lust auf diese Recherche hatte, speziell auch deshalb, weil sie unter Arbeit wirklich zusammenbrach. Nicht nur, dass ihr Bericht für die kommende Ausgabe der BaWo noch nicht fertig war, nein, sie hatte noch einen anderen Fall, in dem sie mit ihren Recherchen einfach nicht weiterkam. Dort war noch sehr viel Arbeit zu tun. Außerdem war sich Layla gar nicht sicher, ob sich da wirklich eine interessante Story ergab, oder ob sie einfach nur ihre wertvolle Zeit verplemperte. Deshalb reservierte Layla auch gar kein Hotel, sondern nahm sich einfach ihre Jacke und ging zum Aufzug. Vielleicht war sie ja heute Abend schon wieder da. Die Strecke Basel – Grindelwald müsste sie in gut zwei Stunden schaffen. Wenn sie sich dann für weitere zwei Stunden umsah, dann konnte sie noch am Abend wieder nach Basel fahren.

      *

      Leider kam es dann ganz anders, als Layla es geplant hatte. Zuerst kam sie kurz vor Bern in einen riesigen Stau, der sie fast eine ganz Stunde kostete und dann begann es kurz vor Grindelwald auch noch schneien und das Mitten im April. So kam Layla dann erst am frühen Abend an und ihr war klar, dass sie nicht mehr am selben Tag nach Basel zurückkehren konnte. Zum Glück hatte wenigstens die Datenübertragung auf ihr iPhone geklappt, sodass sie wenigstens die Adressen der Personen hatte, die angeblich den Bären gesehen hatten. Doch zuerst musste sich Layla um ein Hotelzimmer kümmern. Zu ihrer großen Erleichterung hatten sie im Hotel Spinne noch ein Zimmer frei. Dieses kannte sie noch von ihrem letzten Besuch. Sie warf nur kurz ihre Tasche, die immer gepackt an ihrem Schreibtisch stand, in ihr Zimmer, dann ging Layla gleich los, um den ersten Zeuge zu befragen. Layla sah die Liste auf ihrem iPhone durch, welcher wohl der sinnvollste wäre. Sie entschloss sich, zuerst den Förster zu befragen. Er wäre wohl der kompetenteste Gesprächspartner. Layla wählte die Nummer, die ihr Igor übermittelt hatte. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine sehr tiefe Männerstimme, sodass Layla zuerst den Eindruck hatte, den Bär selbst am Apparat zu haben. Sie meldete sich nicht als Reporterin der BaWo, sondern als Mitarbeiterin des Convento, das der Mann natürlich nicht kannte. Trotzdem versprach er Layla in einer Stunde in einem Kaffee ganz in der Nähe ihres Hotels zu treffen. Na, wenigstens das klappte, dachte sich Layla, als sie den zweiten Namen auf der Liste anwählte. Es war ein Forstwirtschaftsingenieur, der im Auftrag des Kantons Bern Untersuchungen über die Schäden des letzten Orkans erstellen sollte, der vor gut zwei Wochen über die Schweiz gefegt war. Auch der meldete sich sofort, wollte aber partout nicht mit einer Organisation reden, die er nicht kannte. Layla schlug ihm vor, dass ihn Igor Dorojewski der Direktor des Convento anrufen könne, um ihn die Richtigkeit der Daten zu bestätigen, aber der Mann wollte trotzdem nicht mit ihr reden. Layla akzeptierte dies, hinterließ aber mit der Bitte, ob der Mann es sich noch einmal überlegen könne, ihre Telefonnummer. Der Mann sagte ihr, dass da nicht zu überlegen sei, nahm aber trotzdem ihre Telefonnummer entgegen.

      Die beiden nächsten, die den Bären gesehen hatten, waren zwei Wanderer. Ein Mann und eine Frau. Die waren im Gegensatz zu dem Beamten des Kantons auch sofort zu einem Gespräch bereit und zu Laylas Überraschung saßen sie genau in dem Kaffee, wo sie sich in einer Stunde mit dem Förster treffen wollte. Deshalb ging Layla gleich zu dem Kaffee, bei dem sie gut fünf Minuten später eintraf. Mittlerweile schneite es richtig stark und so wie es schien, blieb der Schnee auch liegen.

      Als Layla in das Lokal trat, konnte sie die beiden auch sofort erkennen. Sie schienen das ganze Lokal mit ihrem Abenteuer zu unterhalten und es schien ihnen auch nicht aufzufallen, dass die Leute sie von ganzen Herzen auslachten. Auch Layla musste sich auf Anhieb ein Lachen unterdrücken. Der Mann war im Eifer des Gefechtes auf seinen Stuhl gestanden, um dort besser sehen zu können und natürlich auch gesehen zu werden. Es war auf den ersten Blick klar, dass der Mann ein furchtbarer Angeber war. Er war circa 1,90 Meter groß und Solariums gebräunt. Er hatte Kleidung an, der man auf den ersten Blick ansah, wie teuer sie war und in seinem schulterlangen, blondierten Haar