Michael Hamberger

Das Teufelskraut


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Layla sah eine Fußspur, die in einen kleinen Wald führte. Layla folgte der Spur, die sich im Schnee deutlich sichtbar abzeichnete. Sie war noch nicht bei den Bäumen angekommen, da sah sie das Licht einer starken Taschenlampe. Rasch näherte sie sich. Der Mann hatte sie noch nicht bemerkt. Um ihn nicht zu erschrecken, rief ihm Layla laut „Hallo“ zu. Der Mann stutzte und drehte sich Layla zu. Völlig überrascht, jemanden bei dem Wetter direkt in der Wildnis zu treffen, kam er rasch näher. Er leuchtete Layla mit seiner starken Taschenlampe direkt ins Gesicht und blendete sie. Layla hob die Hand und sagte:

      „Guten Abend, können Sie bitte in eine andere Richtung leuchten. Ihre Lampe ist ja heller, als ein Halogenscheinwerfer!“

      „Was machen Sie denn hier?“

      „Ich bin Layla Méndez. Sie müssen Herr Theiler sein!“

      „Ja, der bin ich, wie kommen sie denn hierher?“

      „Den Fußweg hinauf!“

      „In der Dunkelheit? Bei dem Wetter? Sind Sie lebensmüde? Außerdem kann es gar nicht sein, dass sie zu Fuß hier sind. Wir haben vor nicht einmal zwei Stunden miteinander geredet. Selbst bei gutem Wetter hätten Sie zu Fuß mindestens vier Stunden hierher gebraucht. Wo ist ihr Fahrzeug?“

      Layla hatte keine Lust, sich mit dem Mann über ihre Fähigkeiten zu Fuß zu diskutieren. Also wechselte sie das Thema:

      „Haben Sie eine Spur von dem Bären gefunden?“

      „Nein, gar nichts, aber Sie sollten wirklich nicht da sein. Es hat zwar aufgehört zu schneien, aber es ist sehr kalt.“

      „Darf ich Sie trotzdem über den Bären befragen?“

      „Ich habe mitbekommen, wie beharrlich Sie sein können. Mir wird ja nicht anderes übrig bleiben, aber bitte im Auto.“

      „Nur wenn Sie nicht zurückfahren. Ich möchte mich hier noch etwas umsehen!“

      „Sie haben wohl noch nicht verstanden, wie gefährlich das ist.“

      „Trauen Sie mir bitte. Ich weiß, was ich tue!“

      „OK. ich gebe Ihnen zehn Minuten. Dann muss ich zurück. Bis dahin können Sie es sich noch einmal überlegen, ob ich Sie nicht mit nach Grindelwald nehmen soll. Es wäre mir gar nicht Recht, sie hier zurückzulassen. Es ist wirklich sehr gefährlich. Aber zwingen kann ich Sie natürlich nicht.“

      Damit ging er zurück zu seinem Volvo. Layla folgte ihm und setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie überlegte sich, wie sie am besten starten konnte. Normalerweise fiel ihr dies nicht schwer ein Interview sinnvoll zu planen, aber diesmal, wo sie selbst davon überzeugt war, dass an der Geschichte außer Übertreibung nichts daran war, tat sie sich schwer. Der Förster hatte eigentlich einen ganz vernünftigen Eindruck gemacht. Kein Aufschneider, wie der Idiot im Kaffee im Grindelwald. Deshalb fragte Layla zuerst einmal:

      „Wo haben Sie denn den Bären gesehen?“

      „Nicht weit von hier entfernt, nur circa 5 km weiter bergauf!“

      „Konnten Sie den Bären deutlich sehen?“

      „Ich weiß, auf was Sie hinauswollen, Frau Méndez, aber ich habe mich nicht getäuscht. Ich habe den Bären gesehen, auch wenn ich es selbst nicht glauben kann. Selbst auf allen vieren war es gut 1,50 – 1,70 Meter groß, als er sich aufgerichtet hat, war er dann weit über drei Meter groß!“

      „Was für eine Farbe hatte er?“

      „Es war eine dunkle Farbe, also kein Eisbär. Aber auch kein Schwarzbär. Auch kein Grizzly. Ich kenne mich nicht gut mit Bären aus, dafür gibt es hier einfach zu wenige, aber von solch einer Art habe ich noch niemals etwas gelesen!“

      „Kann es sein, dass sie jemand getäuscht hat, also z.B. ein verkleideter Mensch, oder eine Pappattrappe oder ähnliches?“

      „Sicher kann ich da natürlich nicht sein, aber ich glaube es nicht. Ich war zwar gut 200 Meter weit weg, aber die Bewegungen des Bären kamen mir sehr flüssig und natürlich vor!“

      „Es tut mir leid, aber ich muss Sie das fragen: Hatten Sie etwas getrunken?“

      Der Förster sah Layla mit einer Mischung aus Unverständnis, Wut, Empörung und verletztem Stolz an, antwortete aber nicht auf Laylas Frage. Dann senkte er aber den Blick. Layla hatte also offenbar ins Schwarze getroffen. Dann sah sie der Mann wieder an:

      „Seit zweiundzwanzig Jahre bin ich Förster, ich habe mir niemals etwas zu schulden kommen lassen!“

      Layla nickte. Der Mann fühlte sich ganz offensichtlich ertappt. Es war ihm peinlich. Er tat Layla leid. Sie war sich sicher, dass er normalerweise seinen Dienst sehr zuverlässig erledigte, aber trotzdem war sie nicht bereit, ihm jetzt auch nur noch ein Wort an seinen Behauptungen zu glauben. Nur zu oft hatte sie miterleben müssen, wie sehr der verfluchte Alkohol die Urteilsfähigkeit von Menschen beeinträchtigte. Für Layla war somit der Fall klar. Es gab keinen Riesenbären! Zur Sicherheit würde sie sich hier noch etwas umsehen, dann ins Hotel gehen, auf Igors Kosten gut zu Abend essen, schlafen und dann am frühen Morgen nach Basel zurückkehren.

      Kapitel 3

      Wie hatte sie sich nur so täuschen können? Warum in Gottes Namen hatte sie dem Förster nicht geglaubt, der eigentlich ganz vernünftig geklungen hatte. Jetzt saß sie in der Falle. Die Bären kamen langsam auf sie zu. In jeder ihrer Bewegungen konnte sie die Drohung verstehen, dass die riesigen Tiere sie bei der kleinsten Bewegung sofort angreifen und in Stücke reißen würden.

      Layla schielte zu dem letzten freien Teil mit dem steilen Anstieg. Es war unmöglich dort hinauf zu klettern. Layla versuchte einzuschätzen, ob sie wenigstens ein paar Meter würde hinauf springen könnte. Sie brauchte nur wenige Sekunden, um sich in einen Werwolf zu verwandeln. So schnell, wie im zweiten Teil der Twillight-Saga von Stephenie Meyer, wo der Werwolf sich praktisch im Sprung verwandelte, ging es natürlich nicht. Im Normalfall schaffte sie es aber, wenn sie unter Druck war, in weniger, als einer Minute. War das zu schaffen? Konnte sie eine Minute herausschlagen? Es blieb ihr wohl keine andere Alternative, als es zu versuchen.

      Layla sprang ab und rannte auf die Steigung zu. Die Bären reagierten unglaublich schnell und nahmen fast im selben Moment die Verfolgung auf. Trotzdem war Layla schneller. Sie sprang ab und fand tatsächlich halt. Sie zog sich den Schwung nutzend weiter. Der Schlag des gigantischen Bärs ging nur Zentimeter an ihrem Bein vorbei. Layla wollte noch weiter nach oben klettern, kam aber auf dem Schnee ins Rutschen. Der Bär holte zu einem weiteren Schlag aus. Layla sah nur noch eine Chance und sprang ab. Dadurch überraschte sie den Bären. Sie flog nicht einmal einen halben Meter an seiner schlagbereiten Tatze vorbei. Doch die anderen Bären waren nicht weit entfernt. Layla rollte sich ab, kam auf die Füße und begann loszurennen. Auf die Stelle zu, an der der Bär gewesen war, der nach ihr geschlagen hatte. Dort hatte sich eine Lücke aufgetan, die Layla nutzen wollte.

      Einer der beiden verbliebenen Bären versuchte ihr den Weg abzuschneiden. Layla war geschockt. Das zeigte, dass es sich nicht nur um riesige Biester, sondern um riesige, intelligente Biester handelte. Layla machte einen Bogen, um den Bär auszuweichen, bemerkte dann aber, dass der dritte Bär von der anderen Seite herbeigestürmt kam, um sie in die Zange zu nehmen. Und die Bären waren schnell. Unglaublich schnell! Layla wurde klar, dass sie den rettenden Wald wohl nicht erreichen würde, bevor sie die Bären gestellt hatten. Sie warf sich im vollen Lauf zurück und kam im Schnee ins Rutschen. Und genau das rettete ihr das Leben. Denn der dritte Bär versuchte gerade, sie mit seinen mächtigen Pranken zu schlagen. Wo kam der denn so schnell her? Diese Monster waren also nicht nur riesig und intelligent, sondern auch übernatürlich schnell. Layla fiel zu Boden und der riesige Bär rollte über sie hinweg, wobei sie seine mächtige Tatze nur um Haaresbreite verfehlte.

      Layla sprang wieder auf die Beine, machte eine halbe Drehung und rannte in genau die entgegen gesetzter Richtung. Hinter sich hörte sie das wütende Brummen der Bären. Offenbar hatten die sich schon, wie die sicheren Sieger gefühlt. Doch lange konnte sich Layla nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Sie hörte