Michael Hamberger

Das Teufelskraut


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im Gesicht. Auch sie war aufgesprungen, um ihren Freund bei seinen Schilderungen tatkräftig zu unterstützen. Layla war von der ersten Sekunde an klar, dass sie hier eine sinnvolle Befragung vergessen konnte. Also wollte sie die beiden erst einmal beobachten. Vielleicht fand sie ja dadurch etwas heraus, dass sie dann bei dem Förster gezielt nachfragen konnte. Also setzte sich Layla an einen freien Tisch, der etwas Abseits des Spektakels lag, ihr aber trotzdem noch eine gute Sicht bot.

      Augenblicklich näherte sich ihr ein Kellner. Layla sah ihm an, dass er sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen konnte. Deshalb fragte sie ihn, nachdem sie sich einen großen Milchkaffee bestellt hatte, direkt nach den beiden, denen offenbar immer noch nicht aufgefallen war, dass sie zum Gespött wurden. Der Kellner beugte sich verschwörerisch zu ihr herunter und sagte mit breitem Schwyzerdütsch:

      „Die sind total bescheuert. Die behaupten doch tatsächlich einen riesigen Urzeitbären gesehen zu haben. Der Typ sagt, er hätte vor kurzem einen Bericht im National Geographic über diese Bären gesehen. Lustigerweise sollen diese riesigen Bären Kurznasenbären geheißen haben!“

      Jetzt konnte der Kellner sein Lachen nicht mehr zurückhalten und blies Layla eine Rotweinfahne entgegen.

      Layla erinnerte sich an den Bericht, den sie selbst im TV gesehen hatte. Es handelte sich bei diesem Bär um eines der größten Raubsäugetiere, die je gelebt hatte. Er hatte im Pleistozän vor circa 15'000 bis 40'000 Jahren gelebt, aber war soweit Layla sich erinnerte nur in Nordamerika heimisch gewesen.

      Der Kellner entfernte sich wieder und kam kurz später mit Laylas Kaffee zurück, den die mit Genuss trank, während sie den Angeber betrachtete, der sich immer mehr in Rage redete und versuchte, jeden seiner Wörter mit eindrucksvollen Gesten zu unterstreichen. Mittlerweile schien ihm auch aufgegangen zu sein, dass die Leute ihn auslachten, doch anstatt sich hinzusetzen und verschämt die Klappe zu halten, wurde er immer noch lauter. Dann sah er plötzlich Layla und erinnerte sich offenbar an ihre Verabredung. Er sprang von seinem Stuhl herunter, näherte sich Laylas Tisch und setzte sich ungefragt zu ihr. Er sah ihr in kurz die Augen, dann aber über ihren kompletten Körper, soweit er ihn hinter dem Tisch erkennen konnte. Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck. Offensichtlich wollte er mit ihr flirten, obwohl seine Freundin nicht einmal fünf Meter weit entfern saß. Layla kam fast die Galle hoch. Allzu oft hatte sie es in ihrer Tätigkeit als Journalistin mit solchen Prachtexemplaren der Gattung Mann zu tun. Er prostete Layla zu und sagte mit einschmeichelnder Stimme:

      „Sind sie nicht die Tussi von der Spezialorganisation, die mit mir reden wollte?“

      „Erst einmal bin ich keine Tussi und ich glaube, ich habe schon genug gehört!“

      „Ach ja und sie wollen keinen Spezialbericht?“

      „Nein, es ist wirklich nicht nötig!“

      „Darf ich Sie trotzdem zu einem kleinen Sekt einladen!“

      „Das ist schon zweimal nicht nötig. Ich glaube, Ihre Freundin hat ihr Glas schon leer. Der können Sie ja noch einen ausgeben!“

      Der Mann sah Layla beleidigt an. Das war Layla jedoch total egal. Je eher der Mann wieder ging, desto besser für sie. Und tatsächlich stand der Mann wieder auf und ging zu seiner Freundin zurück, die ihn gleich mit einem dicken Kuss begrüßte, wobei sie es sich aber nicht nehmen ließ, Layla einen triumphierenden Blick zuzuwerfen.

      Obwohl Layla sich selbst nicht als Schönheit bezeichnete, passierte es ihr leider sehr oft, dass ihre männlichen Gesprächspartner in reines Balzgehabe ausbrachen, wenn Layla sie interviewte. Layla vermutete, dass sie durch ihre Werwolf Seite eine „animalische“ Ausstrahlung zeigte, die manche Männer fast magisch anzog. Gut, Layla war mit Sicherheit nicht hässlich. Sie war circa 1,60 groß und sportlich durchtrainiert. Sie wirkte sehr jugendlich, manche sagen sogar mädchenhaft und nicht, wie eine bald 27 jährige junge Frau. Außerdem konnte sie, wenn sie wollte, mit ihren tiefblauen Augen sehr unschuldig schauen und zusammen mit ihren blonden, schulterlangen, naturgelockten Haaren, die sie gerne zu einem Pferdeschwanz zusammenband, bewirkte dies, dass sie von ihren Gesprächspartner oft unterschätzt wurde. Layla förderte dieses Image auch sehr gerne, weil sie dadurch oft an Informationen kam, die sie sonst niemals bekommen hätte. Sie besaß ein angeborenes, unerschütterliches Selbstbewusstsein, das durch ihre Werwolf Natur noch weiter vertieft worden war.

      Nachdem der Angeber wieder zu seiner Freundin zurückgekehrt war, würdigte ihn Layla keines weiteren Blickes, obwohl sie merkte, dass er mit seiner Freundin über sie sprach. Layla holte ihre Tasche hervor, in der sie ihren Laptop hatte. Sie wollte bevor sie mit dem Förster sprach, schnell im Internet über Bären recherchieren. Vielleicht fand sie ja etwas, dass sie zu einigen Fragen führte, die sie dem Förster stellen wollte. Doch bevor der Laptop richtig aufgestartet hatte, klingelte plötzlich ihr Handy. Es war der Förster. Er war richtig aufgeregt, sodass Layla ihn zuerst nicht verstehen konnte, da er ebenfalls ein breites Schwyzerdütsch redete, das ihr große Schwierigkeiten bereitete. Aber dann verstand sie ihn doch. Offenbar war der Bär wieder gesichtet worden. Layla fragte den Mann, ob sie ihn begleiten könne, doch der war gar nicht begeistert. Es sei zu gefährlich. Layla fluchte innerlich. Wenn der jetzt in die Berge verschwand und sie hier zurückließ, dann konnte sie eine brauchbare Recherche vergessen. Nichts war für einen Journalisten schlimmer, als eine erkaltende Spur. Layla versuchte erst gar nicht, den Mann zu überreden. Er hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, was er von einer Begleitung hielt. Vielleicht bekam sie aber dennoch etwas heraus. Deshalb fragte sie so unverfänglich wie möglich, wo denn diese Sichtung gewesen sein. Und tatsächlich erwischte sie den Mann in seiner Aufregung auf dem falschen Fuß, dass er ihr den ungefähren Standort nannte.

      Layla rief den Kellner zu sich, um ihren Kaffee zu bezahlen. Wie nebensächlich fragte sie ihn, wie sie zu dem vom Förster genannten Standort käme, doch der Kellner meinte nur, der Ort sei mit dem Auto bei dem Wetter nicht zu erreichen, da er mitten in den Bergen läge. Trotzdem ließ sich Layla mit der Bemerkung, morgen eine Tour dorthin unternehmen zu wollen, den Weg dorthin genau erklären. Dann bezahlte sie, wobei sie dem Kellner ein saftiges Trinkgeld hinterließ, und verließ das Kaffee.

      Es hatte auch weiterhin geschneit, sodass der Schnee mittlerweile fast 15 cm hoch lag. Das wäre für ihr Auto kein Problem, da sie einen BMW X5 der neusten Generation besaß, mit dem sie wohl nicht stecken bleiben würde, aber trotzdem wollte Layla versuchen, zu Fuß auf Spurensuche zu gehen. Der Standort lag wohl nur circa zehn Kilometer bergauf in Richtung First. Das war für sie als Werwolf keine Entfernung und es war ihr lieber, da sie nicht wusste wie weit sie mit dem Auto kam und sie es nur ungern in der Wildnis stehen lassen wollte.

      Also ging Layla kurz in ihr Zimmer. Sie wollte sich noch umziehen. In ihren Straßenkleidern würde sie nicht weit kommen. Zum Glück hatte sie die passende Kleidung dabei. Sie zog über ihre Jeans eine schwarze Thermohose an, sowie einen edlen rosafarbenen Angora – Pullover. Darüber zog sie ihre Thermojacke. Zwei Paar dicke Socken, sowie dicke Wanderschuhe und eine dicke Mütze vervollständigen ihre Ausrüstung. Dann ging sie los. Mittlerweile war es dunkel geworden. Dafür hatte es aber aufgehört zu schneien.

      Mit schnellen Schritten ging Layla in Richtung First. Nach nicht einmal einem halben Kilometer war sie am Ortsausgang. Ab hier war der Schnee natürlich nicht mehr beseitigt, aber dies stellte für sie kein Problem dar. Sie liebte es bei diesem Wetter durch die Wildnis zu wandern. Sie hatte auch gar keine Angst, dass sie sich verirren könnte. Eine ihrer besten Werwolf Sinne war das wesentlich bessere Orientierungsvermögen, das auch bei Dunkelheit hervorragend funktionierte. Außerhalb des Ortes begann Layla in einen schnellen Trab zu verfallen. Nach kurzer Zeit war der Schnee fast kniehoch. Zum Glück hatte sie das Auto im Dorf zurückgelassen. Aber auch zu Fuß war sie wesentlich langsamer, als sie es sich erhofft hatte. Der Schnee war ganz schön schwierig. Nicht dass er rutschig war, er war einfach matschig klebrig und verhinderte damit ein schneller Weiterkommen. So brauchte sie sie fast eineinhalb Stunden, bis sie in die Nähe kam, wo sie den Förster vermutete. Sein Auto hatte sie aber noch nicht gesehen. Wo war der Mann nur? Layla war sich ziemlich sicher, dass sie sich nicht verirrt hatte. Sie ging weiter, diesmal aber deutlich langsamer. Und nach circa 500 Meter stieß sie tatsächlich auf eine frische Reifenspur. Das musste der Förster sein! Layla beschleunigte wieder ihre Schritte und folgte der Spur. Nach