Michael Hamberger

Das Teufelskraut


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      Kapitel 4

      Layla sah nur noch Farbkreisel sich herum, wobei es ihr unmöglich erschien, eine Farbe zu definieren. Es waren Orange-, Scharlach- und brillante Rottöne, aber sie sah auch Violett, Blau und Türkis, ja sogar Braun und Schwarz. Alles um sie herum war in Bewegung. Layla wurde schwindlig, aber trotzdem konnte sie die Augen nicht schließen. Sie konnte überhaupt so wie es schien keine einzige Faser ihres Körpers rühren. Layla begann zu schreien, konnte aber selbst kein Geräusch hören. Was passierte mit ihr? Hatten sie die Bären angegriffen? Nein, offenbar nicht. Sie spürte keinen Schmerz. War sie schon tot? Nein, auch nicht, sie konnte ihren Körper ganz genau spüren. Was war es dann? Layla hatte keine Ahnung. Das einzige, was definitiv klar war, war, dass dieser Zustand mit der Kugel zu tun haben musste. Nur was?

      Dann war plötzlich alles vorbei. Genau so schnell und unvorbereitet, wie es begonnen hatte. Layla war immer noch schwindlig. Deshalb schloss sie zuerst einmal die Augen.

      Dann fielen ihr die Bären ein und sie versuchte verzweifelt auf die Beine zu kommen. Das misslang ihr jedoch vollkommen und sie fiel wieder hart auf den Boden. Es hatte keinen Zweck. Sie würde sich im Moment nicht rühren können. Tief atmete Layla durch, jede Sekunde den tödlichen Schlag der Bären erwartend. Aber der Schlag kam nicht. Vorsichtig öffnete Layla die Augen. Zuerst sah sie alles nur verschwommen und ein grelles Licht blendete sie, aber als sie dann ihre Sehfähigkeit zurückerlangte, konnte sie nicht glauben, was sie sah. Der Schnee war verschwunden. Restlos aller. Doch das war nicht das einzige. Auch die Bäume um sie herum waren verschwunden, genau so wie die Berge. Zu ihrer Erleichterung bemerkte Layla, dass auch die Bären nicht mehr da waren. Es schien fast so, als wäre sie an einem total anderem Ort. Nur wo? Mühsam stand Layla auf und sah sich um. Sie stand mitten auf einem Feld, auf dem offensichtlich Gemüse angebaut wurde. Doch warum war dieses Gemüse voll im Wachstum, wie im Frühsommer? Auch die Bäume, die Layla in einiger Entfernung sehen konnte, zeigten eine komplette Baumkrone voller grüner Blätter. Jetzt bemerkte Layla auch, dass es sehr warm war, fast sogar heiß. Sie begann in ihrer Schneekleidung zu schwitzen. Aber dies interessierte sie im Moment nicht wirklich. Sie wollte nur wissen, was passiert war und wo sie gelandet war. Offensichtlich hatte sie die Kristallkugel an einen anderen Ort teleportiert. Nur wohin? Layla schloss auch kurz der Gedanke durch den Kopf, dass sie träumte, oder im Koma lag, aber da sie ihren Körper mit all seinen Schmerzen genau spüren konnte, verwarf sie diese Idee schnell wieder. Layla drehte sich um die eigene Achse, konnte aber außer dem Feld, und einem Wald, der das Feld umgibt, nichts erkennen. Na, wenn es ein Feld gab, dann gab es hier sicher auch Menschen, dachte sich Layla.

      Langsam ging sie auf den Wald zu, wobei sie immer noch, wie betrunken schwankte. Dort angekommen ließ sie sich erst einmal in den Schatten fallen. Ihr Magen knurrte. Sie brauchte dringend etwas zu essen. In ihrer Tasche hatte sie einen Energieriegel. Solche eine Notration hatte sie seid sie ein Werwolf war, immer bei sich. Sie riss die Verpackung auf und stopfte sich den Riegel in den Mund. Fast ohne zu kauen, schluckte sie ihn hinunter. Natürlich war dieser Happen bei weitem nicht genug, aber er stillte wenigstens ihren größten Hunger.

      Layla zog ihre warme Jacke aus und schlang sie sich um die Taille. Die Handschuhe und die Mütze verschwanden in einer der großen Taschen ihrer Hose. Dort fand sie auch ihre Sonnenbrille, die sie aufsetzte, da sie die Sonne immer noch blendete.

      Ganz leise hörte Layla einen Bach plätschern, der in westlicher Richtung von ihr liegen musste. Langsam ging Layla in diese Richtung und nur wenig später hatte sie den Bach wirklich erreicht. Sie kniete sich nieder und trank einen großen Schluck. Das Wasser schmeckte einfach nur herrlich. Da bemerkte sie einen großen Fisch, der sie mit seinen Glubschaugen ansah. Blitzschnell griff Layla zu und bekam ihn wirklich zu fassen. Sie schlug ihn auf einen Stein und tötete in damit. Dann nahm sie ihr Schweizer Taschenmesser hervor und begann ihn auszunehmen. Als sie fertig war, begann sie ihn roh zu verzehren, was ihr als Werwolf keine Schwierigkeiten bereitete. Daraufhin wusch sie sich im Bach. Langsam kehrten ihre Kräfte zurück. Das war wirklich knapp gewesen. Layla konnte von Glück sprechen, dass sie noch lebte. Aber nichtsdestotrotz wusste sie immer noch nicht, wo sie eigentlich war. Layla beschloss am Bach entlang zu gehen. Dort musste sie einfach irgendwann auf Menschen treffen. Nur in welche Richtung? Links oder Rechts? Egal, jeder Weg konnte richtig, aber auch falsch sein. Also drehte sie sich kurzentschlossen nach links.

      Nach circa 200 Meter traf sie tatsächlich auf einen Weg. Es war ein uralter unbefestigter Wanderweg. In welche Richtung sollte sich Layla jetzt wenden? Sie hatte keine Ahnung. Unschlüssig wandte sie sich wieder nach links, aber dann hörte sie plötzlich aus der anderen Richtung ein Geräusch. Es war noch sehr weit entfernt, aber sie glaubt doch ein Pferd erkannt zu haben. Da fiel ihr auf, dass auf dem Weg sehr viele Pferdespuren zu sehen waren. Selbst Pferdeäpfel waren zu sehen. Na, das musste ja eine ländliche Gegend sein, in der sie gelandet war, dachte sich Layla und ging in die Richtung, aus der sie das Pferd gehört hatte.

      Das Geräusch wurde sehr schnell lauter, was Layla verriet, dass das Pferd ihr wirklich entgegen kam. Mittlerweile konnte sie sogar erkennen, dass das Pferd offenbar vor einen Wagen geschnallt war. Sie hörte auch, dass ein Mensch versuchte, das Pferd anzutreiben. Es sah so aus, also ob der Wagen sehr schwer war und das Pferd sich ganz schön anstrengen musste, voranzukommen. Das musste ja eine Gegend sein, dachte sich Layla nochmals. Weitere zwei Minuten später konnte Layla dann das Pferd sehen, das genau auf sie zukam. Als es Layla sah, legt es die Ohren an und wieherte. Der Wagen brachte sie fast zum Lachen. Er bestand aus Holz, und schien uralt zu sein. Die Räder waren schräg und laufen unrund. Dadurch wurde die Ladung ziemlich durchgeschüttelt. Dann sah Layla den Mann und bleibt überrascht stehen. Der Mann war ungefähr 40 – 50 Jahre alt und wirkte sehr ungepflegt. Seine hellbraune Hose, die so schien, als sei sie in einem Stück aus einem Tuch geschnitten und mit groben Stichen an der Seite zusammengenäht worden, war voller Flecken und hatte riesige Löcher. Auch das schmutziggraue Hemd, das irgendwann einmal weiß gewesen sein musste, stand vor Dreck. Außerdem hatte der Mann eine dunkelgraue, grob gewebte Weste aus einem groben Leder an und hatte einen braunen, unförmigen Filzhut auf dem Kopf. An den Füssen hatte der Mann unförmige Holzschuhe. Als der Mann Layla sah, blieb ihm der Mund vor Staunen offen stehen. Dann sagte er in einen eigentümlichen Dialekt, den Layla kaum verstand:

      „Holla, junge Maid, wohin des Weges?

      Was war den das für eine Aussprache? Es klang zwar wie Deutsch und Layla konnte den Sinn auch verstehen, aber die Aussprache war so deutlich unterschiedlich, dass ihr dies sehr schwer fiel. Layla verstand gar nichts mehr. Wo war sie gelandet? Wo wurde solch ein Dialekt gesprochen? Wo gab es solch arme Leute, die noch mit Pferden ihre Waren transportierten? Es kam Layla kurz der Gedanke, dass sie vielleicht sogar einen Zeitsprung gemacht haben könnte. Deshalb fragte sie den Mann erst einmal:

      „Guter Mann, können Sie mir vielleicht sagen, wo ich eigentlich bin?“

      Der Mann sah sie genau so überrascht an, wie Layla ihn angesehen hatte. Er hatte offensichtlich die gleiche Schwierigkeiten Layla zu verstehen. Er sah Layla mit zweifelndem Blick an, dann sagte er:

      „Wie ich sehe, sind Sie etwas verwirrt. Ihre Kleidung ist wohl eher für den Winter geeignet und das Mitten im Juni. Sind Sie etwa krank? Benötigen Sie Hilfe?“

      „Das ist nett, Danke, aber ich bin nicht krank. Ich habe mich, sagen wir mal so, etwas verirrt. Ich möchte nur wissen, wo ich bin!“

      „Sie befinden sich im Wald des Königs in der Nähe von Griendvolt.“

      König? Griendvolt? Da stimmte ja überhaupt nichts mehr überein! Layla kannte sich nicht gut in der Schweizer Geschichte aus, aber sie glaubte sich zu erinnern, das Grindelwald irgendwann im 12 Jahrhundert als Grindelwald gegründet wurde und dass es mit Sicherheit dort niemals einen König gegeben hatte. Gab es einen anderen Ort mit einem solch ähnlichen Namen, der einen König gehabt hatte? Layla meinte dies verneinen zu können. Aber wo war sie dann? Die Kleidung des Mannes ließ auf das Mittelalter schließen. War sie wirklich in der Zeit zurückgereist, so wie sie es aus einigen Hollywood Filmen kannte. Layla hatte gar keine Ahnung. Es kam ihr wieder kurz der Gedanke, sie könnte träumen, aber da sie immer noch die Schmerzen in ihrem kompletten Körper spürte, war sie einhundertprozentig