Miriam Gier

Der Geranienmörder


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im Pullover mit Bluse und langer Hose in Zeitlupe so um die Geranien herumgeschlichen ist, ist mir ja schon nicht geheuer. Normal ist das nicht.“

      Beide bestellten das Steak und genossen das kalte Bier, das nach der anstrengenden Fahrt noch besser schmeckte als sonst. Als sie beim dritten Bier angelangt waren, hatte ihrer beider Phantasie die tollsten Geschichten um die alte Dame auf dem Balkon zutage gebracht.

      Sie steigerten sich in die absurdesten Krimifantasien.

      Sie malten sich aus, wie die Frau wahnsinnig wird und ihren Ehemann tötet. Sie sponnen gemeinsam die Geschichte, wie ihr Lieblingskommissar Krassnitzer mit seiner Kollegin auf der Fahrt zu einem Dienstjubiläum einen platten Reifen hat.

      Wie die beiden in St. Jakob umherirren und eine Unterkunft suchen, weil die Werkstatt geschlossen ist.

      Wie Kommissar Krassnitzer dann den Mordfall aufklären muss, weil der hiesige Polizist von einer Kuh zu Tode getrampelt wurde.

      Die Geschichten wurden immer verrückter, inspiriert von unzähligen Krimis und beflügelt vom leckeren naturtrüben Bier.

      Sie einigten sich dann schließlich darauf, dass die Frau krank war und ihr Mann ihr zuliebe nach St. Jakob gefahren war, weil sie Geranienliebhaberin war.

      Es war schon dunkel, als sie sich schließlich auf den Heimweg machten. Satt und zufrieden bummelten sie zurück zu Ihrer Unterkunft durch den leergefegten Ort. Nur eine kleine Laterne säumte das letzte Stück des Weges vorbei an dem Brunnen die leichte Steigung hinauf.

      Das Schloss der Haustüre bereitete Ella ein wenig Probleme, möglicherweise waren aber auch das gute Essen und der Alkohol verantwortlich dafür, dass Tom helfen musste, den Schlüssel umzudrehen. Sie würden gut schlafen, um sich früh morgens auf zu machen zum Großen Leppleskofel auf 2.811 Höhenmetern.

      Ella würde morgen das Frühstück auf dem Balkon vorbereiten. Sie liebte es, draußen zu frühstücken. Endlich hatten sie Gelegenheit dazu, denn seitdem ihre Terrasse zu Hause endlich fertig war, hatte sich kein einziger Sommertag gezeigt und so konnten sie zu Hause leider nur hinaus schauen, statt draußen zu frühstücken.

      Entspannt und glücklich an Tom geschmiegt, schlief erst Ella tief unter ihrer Decke vergraben ein während Tom noch durch die Sender zappte.

      Eine Weile schaute er noch zu, wie Stefan Raab den Kandidaten besiegte, der erschöpft und geknickt zwei Millionen Euro an sich vorbeiziehen sah, während auf Stefan Raab ein Konfettiregen niederprasselte und er den Koffer mit dem Geld breit grinsend an sich drückte.

      Er schaute sich noch die Spätnachrichten an und das Ende von „Spiel mir das Lied vom Tod“.

      Eine halbe Stunde später lief nur noch der Fernseher und auch Tom schnarchte seinen gerechten Schlaf.

      So war in ihrem Apartment nun auch die Ruhe eingekehrt, die schon seit Stunden über den anderen Zimmern lag.

      Das Rauschen des Baches unter einem klaren Sternenhimmel war zu dieser nächtlichen Zeit als lautes Donnern und einzige Geräuschkulisse zu vernehmen, wäre einer von Ihnen wach gewesen.

      Sonntag, 12. August 2012

      Durch den dumpfen Schlag ihrer eigenen Hand gegen das Kopfteil des Bettes wurde Ella am nächsten Morgen unsanft wach.

      Es war schon hell im Zimmer. Sie hatten am Abend zuvor vergessen, die Vorhänge vorzuziehen, weil es schon dunkel war, als sie in ihr Apartment zurückgekommen waren.

      Ella drehte sich unter der Decke zu Tom, der in ihre Richtung schaute und wohl schon länger wach war.

      „Guten Morgen!“ Er lächelte sie an.

      „Guten Morgen.“ Ella beugte sich vor und küsste ihn.

      „Frühstück!“ Orderte sie und lachte.

      Tom stieg aus dem Bett. „Ich koche schon mal Kaffee.“

      Ella räkelte sich noch genüsslich unter ihrer Bettdecke, ehe sie aufstand.

      Zerzaust machten sich beide daran, das Frühstück vorzubereiten. Ella deckte draußen. Es war zwar noch ein bisschen kühl, aber man konnte durchaus schon draußen sitzen. Es war 7:30 Uhr und je früher sie starteten zum Großen Leppleskofel, desto besser. Genau genommen hätten sie eigentlich um diese Zeit schon auf dem Weg sein müssen. Je früher sie oben waren, desto leichter der Weg, weil es morgens noch nicht so heiß war. Ab Mittag würde es beschwerlich werden.

      Die Aufbackbrötchen qualmten im Strohkörbchen und der Kaffee duftete herrlich.

      Es sollte ein sonniger Tag werden. Natürlich war bei hohen Temperaturen ein Aufstieg noch anstrengender, aber Ella dachte daran, dass sie so auch ein bisschen braun werden würde bei der körperlichen Anstrengung. Sie würde das schon schaffen. Schließlich waren diese Mühen im Hinblick auf ihre Fettpölsterchen eigentlich sowieso genau das richtige.

      Vom Balkon aus sah man linker Hand ihr Tagesziel. Der Große Leppleskofel lag in der Morgensonne. Davor gelegen der Kleine Leppleskofel. Die Luft war klar. Jeder Baum im Berg war messerscharf zu erkennen. Ella schaute hinauf.

      Sie genossen beide den Kaffee auf dem Balkon und ließen still ihre Blicke schweifen, während sie frühstückten.

      Tom schaute zu den anderen Balkonabschnitten hinüber an Ella vorbei. Leise zu Ella vorgebeugt wisperte er „Die alte Frau ist wieder auf dem Balkon.“

      Ella saß mit dem Rücken zu ihr auf dem Balkon. „Was macht sie?“ Fragte sie leise.

      „Sie zupft wieder an den Geranien herum. Scheint die Blumenkästen von Unkraut zu befreien.“

      Ella lachte leise „Wenn sie so weiterzupft, sind in ein paar Tagen die Blumenkästen leer. Das scheint wohl ihr Hobby zu sein.“

      Um kurz nach acht machten sich Ella und Tom schließlich auf. Vor dem Haus saß ihre Vermieterin auf der Holzbank und trank eine Tasse Kaffee. „Guten Morgen zusammen.“

      „Guten Morgen Frau Leitner!“ grüßten beide.

      „Wo soll’s denn heute hingehen?“ Fragte sie interessiert.

      Tom erzählte, dass sie auf den Großen Leppleskofel wollten und dann über die Brugger Alm mit kurzer Rast wieder hinunter.

      „Das ist schön! Grüßen Sie auf der Alm von mir! Ich bin auch sehr gerne dort. Ab zwölf Uhr mittags wird dort dieses Jahr in den Sommermonaten Zither gespielt. Die haben dort einen sehr guten Musikanten, der über die Mittagszeit die Gäste unterhält, der Moosbacher-Alois.“

      „Na, das klingt ja vielversprechend.“ Ella versuchte, erfreut zu schauen und ihre Skepsis zu verbergen. Auf solch eine musikalische Unterhaltung konnte sie eigentlich auch ganz gut verzichten. Zithermusik war nicht die Begleitmusik, die sie sich ausgesucht hätte für ihre Mittagspause, auch nicht in den Bergen.

      „Die Familie Stuber auf ihrer Etage die waren letzte Woche sogar mit dem Taxi dort oben, weil sie neugierig waren und es hat ihnen sehr gut gefallen! Die Stubers, die kommen aus München. Die Frau Stuber kann ja nicht mehr so gut laufen, aber das wollten sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. Die haben wohl lange mit dem Moosbacher gesprochen, der war dann daraufhin letzten Freitagnachmittag sogar hier im Haus und hat nur extra für die Frau Stuber auf dem Balkon gespielt. Ist extra hierhergekommen, nur für den Eberhardt und die Maria.“

      Frau Leitner war offensichtlich in Plauderstimmung und sehr beeindruckt, dass der Zitherspieler extra für ihre Gäste ins Dorf kam, um für sie zu spielen.

      „Ach, und der Herr Pfarrer, fällt mir ein, der war ja am Freitag auch kurz da und hat eine Einladung abgegeben zum Pfarrfest, das ist ja auch schon heute!“ stellte sie fest. „Wie die Zeit vergeht!“ Sie holte die Einladung aus ihrer Schürzentasche und reichte sie Ella.

      „Falls Sie Interesse haben, es gibt Käse und allerlei von den Bauern und