Miriam Gier

Der Geranienmörder


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durch die Luft wirbelte.

      „Früher, da hätte es so was nicht gegeben! Früher!“ Eberhardt war immer noch außer sich. „Denen gehört der Arsch versohlt, dass sie drei Tage nicht mehr sitzen können. Wenn ich einen von denen erwische, schlag ich zu.“ Wütend wand er sich heraus aus Frau Leitners Berührung und ging zügig wieder ins Haus.

      „Eberhardt…..“ Frau Leitner konnte ihn nicht beruhigen. „Lass mich wissen, wenn Ihr Hilfe braucht!“ Sie seufzte und ging zu Ihrer Holzbank rüber. Eberhardt Stuber war davongestapft ohne weiter zuzuhören. Frau Leitner hatte nichts ausrichten können. Es war nicht gut für sie, wenn ihre Gäste solche Probleme hatten. So was versaute nicht nur Freundschaften, sondern auch ihr Geschäft.

      Sie setzte sich, zündete sich eine Zigarette an und holte unter der Bank eine Flasche Schnaps mit einem Schnapsgläschen heraus.

      „Wollen sie auch einen Obstler auf den Schrecken?“

      Ella und Tom standen noch immer am Fuß der Treppe.

      „Gerne.“ Sagte Ella nun und zog Tom mit sich die Stufen hinauf zur Holzbank neben Frau Leitner. Gerade so passten sie alle drei nebeneinander auf die Holzbank, ein bisschen wie die Orgelpfeifen, dachte Tom, als er sich auf die Bank fallen ließ.

      Frau Leitner griff nochmal unter die Bank und holte zwei weitere Gläser hervor.

      „Das hier sind meine geheimen Vorräte.“ Grinste sie und goss den Obstler ein. Er roch scharf und war so selbstgebrannt und klar, wie er aussah.

      Es blieb nicht bei einem Schnaps.

      Ella zählte mittlerweile die Geranienblüten in einem der Kästen auf der Terrasse. Sie waren so hoch gewachsen, dass Ella im Sitzen nicht darüber hinweg auf den Weg schauen konnte, ohne sich zu strecken.

      „Der Tag hat so schön begonnen. Das Pfarrfest war ein großer Erfolg für die Gemeinde.“

      Frau Leitner goss nach.

      „Ist das denn jetzt schon vorbei?“ Fragte Ella. „So was dauert doch länger als einen Nachmittag.“

      „Na ja, ein paar Leute stehen jetzt noch an den Bierständen unten auf dem Kirchplatz, aber es klingt halt schon jetzt langsam aus. Die Bauersfrauen haben ihre Ware schon eingepackt und bauen jetzt noch die Stände ab.“ Frau Leitner goss sich noch ein Gläschen nach und kippte es mit einem Schluck runter.

      „Der Herr Pfarrer hat wunderschön musiziert. Die Bauersfrauen haben viel verkauft an ihren Ständen. Die Leute sind sogar von St. Veith hergekommen, aus Hopfgarten und sogar eine Familie aus dem Virgental hat einen Ausflug hierher zu uns gemacht.“

      Frau Leitner schenkte erneut nach und wieder nahm sie einen großen Schluck. Wieder war ihr Glas leer.

      Einen ordentlichen Zug hatte die Gute. Ella war es manchmal schon unangenehm, weil sie immer diejenige war, die gern mal einen Schnaps mittrank, aber neben Frau Leitner war sie diesbezüglich ein Waisenkind.

      „Wenn nur nicht immer so viel Alkohol getrunken würde bei solchen Veranstaltungen.“ Bemerkte Frau Leitner und schaute geradeaus in die Geranien.

      Ella und Tom warfen sich einen amüsierten Blick zu.

      „Wissen Sie, die jungen Leute, die vertragen das nicht. So sechszehnjährige Burschen, die vertragen doch noch nicht so viel vom Selbstgebrannten.“

      So saßen sie da und schwatzten über dies und das. Woher Ella und Tom kamen, was sie beruflich machten, als es langsam schon dämmerte.

      Frau Leitner fragte nach der Tour zum Leppleskofel und wie ihnen die Alm gefallen hatte.

      Ausführlich schilderten sie die Eindrücke, die ihnen die erste Wanderung beschert hatte und Frau Leitner hörte interessiert zu.

      Sie nahm ihre Strickweste, die in der Ecke neben ihr auf der Holzbank lag, und legte sie um ihre Schultern.

      Mittlerweile waren Ella und Tom hungrig und die aufkommende Abendfrische kroch an ihnen hoch. Ganz leicht bewegte der Wind die Blätter der Bäume und es rauschte sanft. Ella sehnte sich nach einer heißen Dusche. Sie fröstelte.

      „Wollen wir los, Tom?“ Fragend schaute sie zu ihm rüber.

      „Ja, gerne. Es wird auch langsam Zeit für eine Dusche. Ich bin jetzt auch wirklich geschafft.“ Dass es der Obstler war, der ihn geschafft hatte, behielt er lieber für sich.

      Als Kind hatte er einmal heimlich in der Kellerbar seiner Eltern Schnaps probiert. Seitdem konnte er nur mit Schütteln dieses Gesöff runterschlucken.

      Sie verabschiedeten sich, wünschten ihrer Wirtin noch einen angenehmen Abend nach all der Aufregung und gingen ins Haus.

      „Die säuft aber ganz schön, die liebe Frau Leitner.“ Flüsterte Tom, als sie die Treppe hinaufgingen.

      „Ja, die ist echt trinkfest. Wisperte Ella. „Aber irgendwie hat ein Schnaps hier auch eine ganz andere Bedeutung als zu Hause. Findest Du nicht?“

      „Stimmt, der hat viel mehr Umdrehungen.“ Er lachte und gab Ella, die vor ihm ging, einen Klaps auf ihren Po.

      Leicht benommen gingen sie den Flur entlang zum Apartment. Ella schwankte ein wenig, bemühte sich aber, immer wieder die Balance zu halten.

      Es war wieder Ruhe eingekehrt in St. Jakob. Kein Muchs war zu hören.

      Der Abend klang für sie aus auf dem Balkon. Geduscht, mit vollem Bauch und warm angezogen unter einem klaren Sternenhimmel mit einem Glas Rotwein legte der Abend seine Arme um die erschöpften Wanderer.

      „Wir haben den Sonntagskrimi verpasst.“ Bemerkte Ella.

      Ihre Füße lagen eingepackt in dicken Socken auf der Balkonbrüstung. Mit hochgezogenen Schultern hielt sie mit beiden Händen ihr Weinglas und schaute in den Himmel.

      „Ich habe alle Krimis in den zwei Urlaubswochen aufgenommen. Wenn wir also hier abends den Fernseher auslassen, können wir ganz entspannt bleiben. Wir verpassen nichts!“ Antwortete Tom stolz.

      „Super!“ Ella freute sich ehrlich darüber. „Krimis sind immer noch die besten Filme, die es gibt. Ein guter Krimi braucht keine Wahnsinnseffekte oder Actionszenen.“

      „Du hattest doch heute schon einen Krimi direkt vor der Haustüre.“ Tom hielt Ella die Zigarettenpackung hin.

      Sie stellte ihr Glas ab, nahm sich eine heraus, zündete sie an und nippte gleich wieder an ihrem Wein, den sie noch ein wenig zwischen Gaumen und Zunge ließ, ehe sie ihn hinunterschluckte. Ein 2005er Barolo, ganz nach ihrem Geschmack.

      „Naja – aber so muss es ja auch nicht gleich laufen. Die Frau Stuber tut mir jetzt ehrlich unheimlich leid. Und erst mal ihr Mann. Das ist ja wirklich das allerletzte, was die drei Jungs da vorhin veranstaltet haben. Außerdem war die Frau Stuber in meiner Krimiphantasie die wahnsinnige Mörderin ihres Mannes. Das passt jetzt alles irgendwie nicht mehr zusammen.“

      Ella nahm den letzten Schluck, der noch in ihrem Glas war.

      In kürzester Zeit hatte sie ihre Meinung über Frau Stuber mehrfach geändert.

      Ihr erstes Gefühl war, dass diese Frau unheimlich und merkwürdig war, woraufhin sie mit Tom diverse Geschichten gesponnen hatte.

      Dann hatte sie ein schlechtes Gewissen bekommen, als sie erfuhr, dass Frau Stuber nicht gut beisammen war und hatte die Menschen in ihrer Umgebung bewundert für ihre aufopfernde Art, mit der sie Frau Stuber behandelten, insbesondere ihr Mann.

      Und nun heute hatte sie Wut und Mitleid verspürt, als sie mit ansehen mussten, wie Frau Stuber von diesen drei Rotzlöffeln malträtiert wurde. Dass sie überhaupt so viel über einen ihr absolut fremden Menschen nachdachte, war schon ungewöhnlich.

      So saßen sie noch eine ganze Weile da und genossen den Abend unter einem prachtvollen Sternenhimmel.

      Irgendwann waren fast