Angelika Merkel

Vermächtnis der Sünder Trilogie


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zwergenartige Feuerrote, strampelnde und geifernde Etwas auf dem Rücken eines Pferdes.

      Kapitel 3

      »Sind sie noch am Leben?« Ihre Stimme klang eisig und entrückt gleichwohl nachhallend und unirdisch.

       »Sie sind am Leben«, bestätigte ihr der Mann.

       »So soll es sein! Sie sollen erleben, was sie erwartet.«

       Dieser Narr hinter ihr würde sie töten, wenn er könnte. Sie durfte die Leine nicht zu locker lassen. Nötigenfalls musste sie diese fester anziehen, falls er dennoch das tat, was ihm sein Ehrgeiz befahl. Sie betrachtete es als Ehrgeiz. Zumindest zog sie diesem den Wahnsinn vor. Beides machte blind und taub. Und doch … die San-Hüter waren nützlich, hielten sie den Feind in Schach. Nützliche Narren!

       Ihr hämisches Grinsen konnte der hinter ihr stehende nicht sehen.

       »Die Ordnung aber muss erhalten bleiben, sonst setzen wir alles, was wir bisher gewonnen haben, aufs Spiel«, ertönte die knurrende Stimme des Mannes.

       Und was wäre das? Beinahe hätte sie diese Frage laut ausgesprochen. Wie dem auch sei, sie war auf den nächsten Zug gespannt.

       »Gut! Wenn nichts weiter vorliegt, werde ich mich aufmachen, um sie abzufangen«, bellte ihr Bluthund nach kurzem Schweigen.

       Die Frau hörte das Klacken der schweren Stiefel, als er sich umdrehte. Erst als die Geräusche verhallt waren, drehte auch sie sich um.

       Seine Schritte hatten kaum Spuren hinterlassen, stellte sie fest. Ebenso würden seine Taten ohne Spuren sein und in den Geschichten verschwinden und vergessen. Niemand würde sich seiner erinnern.

       Nun, bis auf einige wenige. Sie lächelte angesichts dieser Tatsache.

       * * *

      Celena eilte dem liebreizenden Meuchelmörder entgegen. Hinter ihr, im Schlepptau, Lutek.

       »Was gibt es neues, Kelthran?«, wollte sie von dem Neuankömmling schon von Weitem wissen. »Ihr seht aus, als wäre eure Laune … oben auf«, fügte sie mit einem Nicken zu der zeternden Begleitung hinzu, als sie sich gegenüberstanden.

       Kelthran fügte seinem schalkhaften Antlitz ein Lächeln hinzu.

       »Ach, ich ziehe es vor, wenn ihr oben aufsäßet. Oder vielleicht ihr, Lutek. Aber ich fürchte zu meinem persönlichen Bedauern, dass dies wohl niemals der Fall sein wird. Weder das eine noch das andere oder gar beides. Natürlich nacheinander versteht sich.«

       »Kelthran«, kam es zischend von Lutek, indes Celena leise in sich hineinlachte.

       »Was denn? Es gäbe so viel zu lernen. Jeder Körper, jedes Liebesspiel ist eine völlig neue Erfahrung von Wonnen und gottgegebener Lustbarkeiten.« Er brach kurzerhand ab, da er die finstere Miene des Rotfuchses bemerkte. »Poesie«, erklärte er.

       »Poesie?«, knurrte fragend Lutek.

       Celena grinste von einem Ohr zum anderen. Ihre Gedanken waren jedoch weniger auf den Elfen gerichtet denn mehr auf die osgosainische Erscheinung neben ihr. »Die Poesie der Lust«, sprach sie. »Das hat etwas an sich … irgendwie.«

       Lutek erwiderte darauf nichts. Erst als er an ihr vorbeigehen wollte, flüsterte er ihr ins Ohr: »Mitnichten - Ein Gedenk deines Könnens. Ich werde ein Gedichtszyklus darüber verfassen, meine Liebe.«

       »Tatsächlich?« erstaunte sich der Elf, dessen spitze Ohren offensichtlich jedes der flüsternden Worte vernommen hatte.

       »Nun, das …« Lutek breitete die Arme aus und verneigte sich leicht, als wolle er eine Ankündigung unterbreiten. »Verehrter Elf … das wäre rein privater Natur.«

       »Zu dumm aber auch! Wie sollte man das schöne Werk benennen?«

       Nachdenklich stülpte Lutek die Lippen. »Oh! Wie wäre es mit "die Verse des Verlangens"?«

       »Welch ein Titel eines großartigen Werkes. Ein Buch, das man jedem Buchhändler in Arvelis regelrecht aus den Händen reißen wird«, feixte Kelthran.

       »Beim Schöpfer!« Lutek, zwischen Abscheu und Anflug von lustgetränkter Neugier, wandte sich ab. »Oder "die göttlichen Hymnen der …"«, murmelte er gedankenverloren. »Wie hieß nur jene Dichterin? Wenn ich mich bloß an ihren Namen erinnern könnte. Verdammt, ich lasse nach. Ich werde alt.«

       Kopfschüttelnd und lächelnd blickte Celena dem einstigen osgosainischen Spion hinterher. Sie war nicht älter als fünfundzwanzig Sommer, doch mochte sie für manch einen älter wirken. Auch Lutek wirkte älter als er war, aber alt? Erneut schüttelte sie ihr Haupt, diesmal jedoch um sich von den vorhergehenden Gedanken freizumachen. Sie wollte sich endlich den Neuigkeiten widmen, die Kelthran mitgebracht hatte.

       Dessen abwesende Miene und tiefsinniges Grinsen in seinem Gesicht erinnerte Celena an einen Kater, dem die Katze nicht aus dem Sinn ging.

       »Wenn ihr fertiggegrinst habt, könntet ihr eure Gedanken dann auf das Wesentliche richten?«

       »Was?« Er schaute sie dümmlich an.

       »Euer Auftrag! Nun, was hat Tacio gesagt?«

       »Ach das! Er lässt ausrichten, dass er einverstanden sei. Möchte euch jedoch zuvor treffen und das so schnell wie möglich. Er sprach von irgendeiner Befragung?«

       »Gut! Je eher um so besser.«

       »Das kann niemals gut sein«, mahnte Kelthran. Die feinen Züge des Elfs wurden ernst. »Er hat seinen eigenen Namen unter der flüsternden Bruderschaft. Einen gefürchteten Namen, den selbst die jüngsten in der Gilde nicht auszusprechen wagen.«

       »Werde ich endlich von diesem Teufelsvieh heruntergeholt?«, zeterte es von dem Pferd herab, welches erschrocken zu tänzeln anfing. »Beim letzten Furz meines Onkels. Schlimm genug das ich den ganzen Spaß verpasst habe.«

       »Oh! Ho!«, zischte Kelthran. »Und ich war der Meinung, diesem Zwerg gefällt es da oben, so ruhig er eben war.«

       Nicht ohne die Nase dabei zu rümpfen, half Kelthran Thorgrim aus dem Sattel. »Und Thorgrim«, brummte der Elf. »Dass alles war mit Sicherheit kein Spaß. Fragt die Bewohner des Dorfes.« Kelthran blickte zu Celena. »Wobei, es gibt weitaus elegantere Arten, dem Schöpfer gegenüber zutreten. Das hier war ungehobelt, stillos und ohne jede Freude am Töten.«

       »Welch ein Glück, dass ihr euren guten Geschmack für das Töten nicht eingebüßt habt, Kelthran«, meinte Celena zynisch.

       Den zynischen Unterton überhörend, strahlte der Elf sie an. Denn obschon er das Leben liebte, stand er dem Tod mit gewissem Gleichmut gegenüber. »Würdet ihr solch einen Tod dem eines angenehmeren vorziehen?«

       »Im Vertrauen?«

       Die Spitzohren des Elfs wurden sogleich noch spitzer. Erwartungsvoll schaute er sie an.

       »Ich ziehe es vor, im Bett zu sterben.«

       »Ein wenig langweilig. Findet ihr nicht?« Mit Bedauern verzog Kelthran seine elfischen Züge zu einer Maske von Frustration.

       »Oh! Wo denkt ihr hin. Nicht schlafend! Wenn, durch … seine Hand.«

       Die Augen Kelthrans weiteten sich. In ihnen blitzte romantisches Entzücken, beigemengt mit beinahe krankhafter Lust.

       »Entzückend! Auf dem Gipfel der Lust, den Tod durch die Hand des Geliebten. Welch anmutiger Gedanke. Womöglich mit dankbarer Beihilfe und gegenseitiger Bezeugung von Wonne.«

       »Allerdings, einzig die Sauerei danach, vermiest mir den Gedanken«, wähnte Celena mit spitzem Unterton in ihrer Stimme.

       Bestätigend nickte Kelthran. »In der Tat, eine unschöne Angelegenheit, wenn sich der Todgeweihte in seinem letzten Akt des Lebens entleert.«

       »Genau! Und aus diesem Grund ist am Tod nichts Schönes zu finden.« Mit diesen Worten entfernte sich Celena. Kelthran, sowie auch der zerknautscht dreinblickende Zwerg sahen ihr irritiert nach.

       »Eine Frau mit Widersprüchen«, meinte der zurückbleibende Elf.