Angelika Merkel

Vermächtnis der Sünder Trilogie


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rollenden Akzent. »Rute entpacken, die Beine auseinander und …«

       »Lasst gut sein, Thorgrim. Es ist nicht jeder ein ungehobelter Holzklotz wie ihr.«

       In den Augen Kelthrans glomm ein Hauch von Verliebtheit, erkannte Celena mit einem Blick zurück zu dem Elfen.

       * * *

      Die knarzende Stimme seines Bruders echote noch immer in seinen Ohren. »Das Gift des Bösen ist ein Todesurteil.« Diese Worte hatte ihm Terzios an den Kopf geschmissen. Wie recht dieser damit hatte. Selbst wenn er, Morco, sich die Frage gestellt hatte, wie nützlich es möglicherweise sein könnte. Dann aber hatte er abgelehnt, als er erfuhr, was es bedeutete. Sie waren verdammt dazu auf den Tod zu warten, der ihr Leben deutlich verkürzte. Dieser Schrecken war kaum zu ertragen. Unvorstellbar für jeden anderen.

       Es war unvorstellbar. Hatte er deshalb das Recht Folter zu genehmigen oder zu dulden?

       Er dachte an die erbarmungswürdigen Seelen, die im unterirdischen Teil seines Landhauses verweilten. Sie gingen nicht auf sein persönliches Konto. Denn wenn er jemanden tötete, so hatte er nie wirklich gequält.

       Trotzdem plagte ihn die Schuld. Sich dessen bewusst, wandte sich der San-Hüter dem einzigartigen Objekt zu, welches ihm gestattete die Sterne zu erforschen. Es erlaubte einen kleinen, flüchtigen Blick in das Universum zu werfen.

       Es war Folter für Geist und Körper. Es griff in der Tat das Recht auf Leben an. Es konnte weder gegeben noch entzogen werden. Und doch nahmen sie, die sie sich San-Hüter nannten, einfach das Recht dazu.

       Morco schüttelte sein Haupt. Wollten sie wirklich denen folgen, die sie als grausame Herrscher ansahen? Wollten sie wirklich wie jene werden, die mordeten, brandschatzten und sogar vergewaltigten? Sie, die San-Hüter, waren nicht besser. Sie waren schlimmer.

       Nachdenklich legte Morco sich einen Zeigefinger auf die Lippen.

       Wollten sie tatsächlich so sein?

       Manche Taten, manche Schritte mochten unverzichtbar sein zum Wohle aller. Das sagte der Orden. Doch war es tatsächlich so? Gab es tatsächlich stets nur einen Weg? Ein Ziel? Eine Wahl?

       Es trat einst jemand in seinem Leben. Sie hatte wahrlich jeden geschulmeistert, der ihr über den Weg gelaufen war. Wilna, die alte Magierin. Sie war bereits alt, zumindest in den Augen eines jungen Mannes, wie er es damals war. Seine Einheit, wie es der Zufall wollte, wurde nach Hadaiman beordert. In den kleinen Hafenstädten Küstenbruchs liefen sie sich über den Weg. Wie jedem, hatte auch sie ihm versucht klar zu machen, dass er sicherlich die Wahl gehabt hatte. Entweder wollte er ein San-Hüter werden oder er drehte dem Ganzen den Rücken zu.

       Nein, er hatte diese Wahl nicht gehabt. Denn obschon keine unvermittelbare Bedrohung der Anderen vorhanden war, hatten sich einige von ihnen für Raubzüge zusammengetan. Einer der Hüterkommandanten fand es nötig, seine Einheit aufzustocken. Mit jenem Recht der Einberufung hatte er ihn rekrutiert.

       Welch ein Hohn die Worte der weisen Alten waren. Ihre gut gemeinte Absicht der Ratschläge und gütigen Worte waren unbedacht gesprochen. Sie kannte die Realität nicht. Gerne hätte er sie wieder getroffen und ihr alles erzählt.

       Morco fragte sich unwillkürlich in seine Gedanken hinein, ob diese alte, mütterlich wirkende Magierin noch lebte.

       »Wenn wir weiterhin zulassen, dass dieses Recht der Einberufung missbraucht wird. Wenn wir Gesetze annehmen und sie ohne zu hinterfragen benutzen, weil wir zu fett und zu faul wurden, nach einem anderen, besseren Weg zu suchen. Dann greifen wir letztendlich jedes einzelne Individuum dort draußen an. Gleich, was sie getan hatten, was sie waren oder ob sie Familie hatten. Haben wir das Recht ihnen ihr Leben zu nehmen, nur weil wir selbst Opfer wurden?«

       Worte aus dem Mund Terzios. Und sein Bruder hatte recht, wie so oft.

       Seitdem sich er, Morco, von all dem losgesagt hatte, fragte er sich immer öfter, ob seine Schritte die richtigen waren. Im Gegensatz zu vielen seiner Ordensbrüder folgte er nicht blind seinem aufgebürdeten Schicksal.

       Alle, die San-Hüter waren selbst Gehängte. Todgeweihte die langsam ihr Leben an einem Strick aushauchten. Und das Schlimme daran, diese zum Tode verurteilten waren ebenfalls zu Henkern geworden. Es war ersichtlich, das sich etwas ändern musste.

       Morco berichtigte sich gedanklich. Alles musste sich ändern.

       Eine Wendung konnte sich nicht über Nacht einstellen. Es bedurfte ein darauf gerichteter Gedanke. Eine Idee, die in einen Kopf geimpft werden musste, welcher in der Lage war, andere damit zu infizieren. Nacud hatte, ohne es zu ahnen, damals die Saat des Sturmes dazu gesetzt.

       Das Spiel hatte begonnen.

       Der Kommandant, gerettet aus den Klauen des Todes, musste bald einsehen, dass seine einstige Wahl zur Vernichtung der San-Hüter führen sollte. Der Orden würde vergehen. Sie würden von einem unbeugsamen Sturm aus der Geschichte getilgt. Dieser Sturm hieß Celena, Tochter aus dem Adelshaus der Tousards.

       Morco seufzte laut auf.

       Wie dem auch sei. Es war nötig Adelus zu töten und das Heilmittel zu stehlen. Ebenso war Nacud ein notwendiges Übel. Alles dafür, sie anzulocken. Es mochte falsch sein. Unumgänglich? Nein, edelmütig konnte er deshalb nicht sein, zumal er es nicht lernte. Die San-Hüter, die ihn in ihre Reihen einberufen hatten, waren allzu gute Lehrmeister in ihrem bestehenden Zustand. Zu gut in dem Sinne, dass er ihren Gesetzen folgte. Jedoch nicht gut genug, um jenen widerspenstigen Gedanken aus seinem Geiste zu verbannen. Ein Gedanke, den Terzios in Worte fasste: Das Recht auf Leben ist eine klare Linie zwischen Richtig und Falsch.

       Morco musterte nachdenklich das Heilmittel, welches wohlverwahrt in dem Gefäß auf dem Tisch vor ihm stand. Die Zeit war gekommen.

       * * *

      »Es waren dereinst vier Geschwister«, begann Lutek eine seiner Geschichten, indes er sanft durch die Haare seiner Geliebten strich.

       Sie saßen an einem der Lagerfeuer zusammen. Celena hatte sich an ihren Liebsten geschmiegt, während Belothar ihnen gegenüber hockte.

       »Sie lebten in einem weit entfernten Land«, fuhr Lutek fort. »Es war ihnen von ihrem Ziehvater aufgetragen worden, sich um Land und Leute zu kümmern, bis er wiederkam. Einem jeden der Geschwisterkinder ward eine Waffe gegeben. Es waren heilige Artefakte, von göttlicher Hand selbst erschaffen - ein Stab, ein Bogen und zwei Schwerter. Eine Klinge, dessen Träger die eine Tochter wurde, war aus Stein. Die andere Klinge, eine der Söhne übergeben, war aus Wasser. Die zweite Tochter den Stab bekam und dem vierten Kind der Bogen genügen musste. Daraufhin ging der Ziehvater in die Lande hinaus und wurde nie mehr gesehen. Die Geschwister wurden die Erben und Hüter der mächtigen Festung und sie dienten allein dem Wohl des Volkes. Dieses war jedoch in sich zerrissen, denn sie mussten zwei Seiten ihrer Vorfahren gehorchen. Zum einen bedrohte der Schatten und das Chaos das Volk. Zum anderen bevormundete das Wesen des Lichts und der Ordnung diejenigen. Und doch ehrte und fürchtete das Volk beide Seiten gleichermaßen. Eines Tages standen die Vier Kinder einer großen Entscheidung gegenüber.«

       Die erzählende Stimme Luteks klang beruhigend. Celena kuschelte sich näher an ihn heran. Noch lieber wäre es ihr gewesen, ihren Kopf auf seinen Schoß zu legen. Doch in diesem Moment genügte es ihr von ihm, den sie liebte , umarmt und liebkost zu werden.

       »Die Schatten hatten sich erhoben« hörte sie Lutek weitersprechen. »Sie beanspruchten all die Ländereien und suchten es mit ihrem Einfluss zu infizieren. Mit der Asche, die aus Kampf und Krieg hervorging, versprachen sie eine neue und bessere Welt. Und die Wesen des Lichts verhielten sich nicht anders. Sie wollten mit aller Macht die Ordnung der Dinge erhalten und alle sollten sich ihrem Willen beugen. Es war genug. Die Geschwister entschlossen sich daher, ihr Land, ihr Volk und selbst ihr eigenes Leben zu riskieren. So wandten sie sich gegen den Schatten und gegen das Lichtwesen. Sie wollten weder dem einen noch dem anderen dienen.«

       Luteks Stimme wurde plötzlich zu einem leisen Flüstern. Dennoch war es derart eindringlich, das sowohl Belothar als auch Celena wie gebannt den weiteren Worten lauschten.

       »Sie hatten beschlossen, sich für keine der Seiten zu entscheiden. Sie wollten die Tradition