Angelika Merkel

Vermächtnis der Sünder Trilogie


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ich wollte mich retten. Unsere Liebe wollte ich retten. Das waren meine Gedanken. Es galt nur mir allein und dir, denn ich wollte dir kein Schmerz zufügen. Belothar wollte ich einzig helfen, weil er uns oft genug den Hintern gerettet hatte.« Sie zuckte niedergeschlagen die Schultern.

       »Kastei dich nicht selbst. Letztendlich hast du nicht nur an dich gedacht. Was glaubst du was ich in Gerit erfahren musste, bevor wir uns dort trafen. Nichts als Häme und Unehrlichkeit. Trotz das sie mich in dem Schöpferhaus aufnahmen, war es nicht zu meinem Wohl. Es galt ihrem Wohl. Nein, sie dachten dabei nicht an den Hilfebedürftigen. Zu sehr waren sie mit ihrem Ansehen beschäftigt. Anderes interessierte sie nicht. Es war und bleibt dumme, gedankenlose und bösartige Ignoranz.«

       »Man kann nicht alle ändern«, murrte Celena.

       »Sie können sich alle ändern. Nicht sofort und nicht alle auf einmal. Was ich eigentlich sagen will, du ignorierst die Menschen um dich herum nicht. Einen von ihnen hast du bereits verändert. Du zeigtest mir auf, das ich nicht so sein muss wie jene die mich ausbildete. Ich musste dir nicht beweisen das ich fromm und naiv wie ein Kind bin. Und einem Springteufel gleich hast du ebenso einem anderen diese Geschenk gemacht.« Zärtlich strich Lutek seiner Liebsten eine dunkle Strähne aus dem Gesicht. »Das muss vorerst genügen«, flüsterte er ihr zu.

       Vom Wind und Schneeflocken verfolgt, tauchte Belothar nach einer Weile wieder auf. »Also dann«, verkündete er in ernsthaften Ton.

       »Oh! Eine wichtige Ankündigung seiner Majestät. Ruhe in den vorderen Reihen.« Celena bleckte grinsend die Zähne.

       »Abermals dieser schneidige Witz von euch«, knurrte der Regent und verzog säuerlich seine Miene. »Gut! Wenn ihr es so wollt, mach ich es zur Ankündigung. Nacud gehört mir! Ich werde mich ihm stellen und kämpfen. Was er auch vorhaben mag und welche Monstren er auf uns hetzt. Ich bin es, der den entscheidenden Schlag führen wird. Es ist meine Aufgabe. Und mir ist es völlig gleich, was ihr sagt. Ihr werdet euch nicht in die Gefahr begeben.«

       Celena hob ihre Braue an. »Ich habe nichts gesagt!«

       »Nein! Ihr hattet eben nichts gesagt. Damals jedoch ward ihr hocherfreut, mich als Opfer dem Erzalten vorzuwerfen. Oder irre ich mich?«

       »Das war nicht so gemeint, Belothar. Ich war ein wenig spitzzüngig, das gebe ich zu. Wahrscheinlich hat Morenas Art abgefärbt.«

       Belothar stand regelrecht sprachlos vor ihnen. Celena stand auf und fasste ihr Gegenüber scharf ins Auge. »Wenn ich euch damit damals verletzt habe, dann entschuldige ich mich dafür«, meinte sie ernst. »Ich wollte niemals, dass ihr euch für mich und alle anderen opfert. Niemand von uns wollte sterben. Ich hätte eigenhändig den Kommandanten gefesselt und geknebelt und zu der Bestie getragen, wenn Morena nicht gewesen wäre.«

       Dem Gespräch der Beiden aufmerksam lauschend, beschlich Lutek eine ungute Ahnung. Er hatte schon lange den Verdacht, das Morenas damaliges Auftauchen kein Zufall war. Hatte seine Geliebte möglicherweise die vor Sarkasmus triefende Hexe benutzt? Und plötzlich begriff er mit Schaudern eine weitere Tatsache. Er war verwandt mit dieser Hexe. Natürlich. Jeamy musste ihre Mutter sein. Sie sah Morena sehr ähnlich. Doch was war mit Morco, seinem Onkel? Morco und Jeamy waren einst zusammen, das hatte er mitbekommen. Der alte Bastard war ihr Vater und somit war Morena mit ihm verwandt.

       »Ich bin ein vollkommener Narr«, brummte er vernehmlich.

       »Liebster, das ist mein Text«, zwinkerte Celena ihm zu. Augenblicklich schwand ihr Lächeln angesichts des ernsten Gesichts Luteks.

       »Du siehst aus, als ob du einen Geist gesehen hast. Was ist?«

       »So ähnlich! Morena … sie ist … sie ist meine Cousine«, murmelte Lutek erschüttert über diese Erkenntnis.

       »Wie? Was bedeutet das?« Belothar entglitten zum wiederholten Male die Gesichtszüge.

       »Das bedeutet unter anderem, wir sind Geschwister. Sie ist eines der Kinder des Schöpfergottes. Wie du, Celena. Wie ich und wie …«

       Lutek stockte. Er wagte nicht, weiterzusprechen.

       »Erzähl! Wie was?« hakte Celena nach, ihr forschenden Blick auf den noch immer am Boden sitzenden Osgosaianer gerichtet.

       Doch Lutek schwieg sich aus. Vor seinen inneren Auge verdeutlichte sich ein Bild. Es war größer, als jeder von ihnen sich vorstellen konnte. Er fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht. Er hatte eine Ahnung, eine Befürchtung. Nein, das was er gesehen hatte, konnte nicht sein. Und wenn, war es dazu zu früh, etwas zu sagen. Es war einzig ein Gefühl, nicht mehr.

       Er legte die Hand auf seine Brust und spürte, dass er lebte. Sein Herz pochte. Dennoch versank er in völliger Stille. Er fühlte sich plötzlich so hilflos.

       * * *

      Ein heilloses Durcheinander herrschte am nächsten Morgen Die Zeit aufzubrechen war gekommen. Verwundete waren genesen und Schwerverletzte hatten sich dank Deirdre und den Hütermagiern soweit erholt, das sie unbeschadet reisen konnten. Dieser anbrechende neue Tag versprach nicht viel wärmer zu werden als die Tage und Nächte zuvor. Die verbliebenen Hüter legten mit Hilfe von Kelthran und Thorgrim die provisorischen Zeltgestänge um, packten die Stoffplanen ein und suchten ihre Ausrüstungen zusammen.

       Lutek versuchte die beißende Kälte zu ignorieren, während er Feuerwind sattelte. Celena ließ sich von Sebyll, die sich offensichtlich von dem schweren Schlag erholt hatte, in ihre Rüstung helfen. Deirdre, plötzlich neben Lutek auftauchend, kontrollierte die Satteltaschen. Wie aus dem Nichts heraus hielt sie eine abgetrennte Klaue vor sich und inspizierte diese. Es war der krallenbewehrte Fuß eines Derkoys, den sie schlussendlich in einen Beutel packte und an eine der Taschen festzurrte. Zufrieden mit sich selbst, lächelte sie.

       »Es ist nicht viel, doch wird es genügen müssen«, brummelte sie in sich hinein.

       »Für was soll es genügen?«, fragte sie Lutek, der ihr naserümpfend und entgeistert in ihrem Tun zugeschaut hatte.

       »Die Klaue! Nachdem sich das Tierchen jammernd ohne seine Gliedmaße zu seinem Meister begeben hatte, hatte ich mich dem Ding angenommen. Soweit mir möglich war, habe ich daraus Blut entnommen. Ihr wisst ja, Hüter spüren das krankhafte Gift des Bösen. Wir brauchen mit Sicherheit einen Beweis.«

       »Und damit können wir sie überzeugen?« Der junge Osgosaianer deutete auf den Beutel. Deirdre stieß einen beinahe resigniertes Seufzer aus. »Nun, ein lebendes Exemplar wäre sicherlich überzeugender.«

       Lutek stellte sich bildlich vor, wie sie einen in Ketten gelegten Derkoy hinter sich herschleiften. Zur Beruhigung warfen sie der Bestie regelmäßig frisch gebackenes Gebäck und ab und an Fleischhappen zu. Er schüttelte bei der Vorstellung sein fuchsrotes Haar.

       »Keine gute Lösung. Könnten wir diese Drachenwesen nicht zu der Festung locken?«

       Deirdre schloss für einen Moment ihre Lider. Sie suchte nach den richtigen Worten. »Wenn wir etwas versuchen wollen, erfordert es einen Preis. Es ist weder ein lebendes Opfer aus Fleisch und Blut noch der Tod. Es ist der Preis des Herzens. Schürt den Zorn, die Liebe oder den Glauben.«

       »In unseren Fall frage ich mich, wie das gehen soll?«

       »Es besteht stets ein Risiko, das sich das gewünschte Ergebnis umkehrt. In eurem Fall sage ich: Offenbart euch! Wobei es dadurch für euch, für Hadaiman und gar ganz Panera zur Gefahr wird.«

       Ein grimmiges Lächeln umspielte ihre Lippen während sich Sorge in ihren Augen zeigte. »Kurz gesagt solltet ihr euch offenbaren, seid ihr nirgends mehr sicher. Ihr müsstet aus Panera fortgehen.«

       Luteks Augen verschmälerten sich. Wohin sollten sie gehen?

       Panera war die Welt. Alles andere dahinter war wildes unbekanntes Land und nicht erreichbar. Niemand wagte sich über den Rand Paneras hinaus. Legenden erzählten von einem Hundertarmigen Ungetüm, das kein anderes Wesen über den Rand hinweg durchließ. Die, die es versuchten, kehrten nie wieder zurück. Die Wasser endeten in Sturmdurchwütenden Chaos, in denen es von gigantischen Monstren wimmelte. Reptilienhafte Titanen, die selbst die Götter fürchteten. Das berichteten zumindest die Sagen aus alter Zeit.

       Seine