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Eike Ruckenbrod
Franzi und die Ponys - Band III
Das Geheimnis am alten Waldhaus
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Inhaltsverzeichnis
Eine herbe Enttäuschung
Franzi raste den sanft abfallenden Grashang hinunter. Ihre Sprünge wurden immer länger. Sie strauchelte, fing sich wieder und spurtete zielbewusst weiter. Kurz vor dem Tor zur Weide hielt sie so abrupt an, dass sie noch ein Stückchen auf dem feuchten Gras weiter rutschte. Ihr Herz raste. Geräuschvoll zog sie die Luft zwischen ihre leicht geöffneten Lippen. Ungeduldig ließ sie den Blick über die abgegraste Weide streifen. Weit entfernt sah sie kleine helle und dunkle Punkte. Sie hob ihre Hand wie ein Schild vor die Stirn, da die Herbstsonne schon recht tief stand und ihr grell blendend die Sicht nahm.
„Da müsste er dabei sein“, murmelte sie, öffnete das Tor, schloss es wieder und eilte auf die Punkte zu.
Ich muss langsam machen. Ich will sie ja nicht erschrecken. Ihr Herz raste noch immer. Jetzt war sie schon so nah, dass sie die Ponys erkannte. Eine kleine Herde Islandponys, an deren dichte Mähnen der kühle Wind riss. Friedlich standen sie im braungrünen Gras und zupften sich die letzten Halme. Ein kräftiger Wallach hob den Kopf und sah sie aufmerksam an. Franzi ging auf ihn zu.
„Hallo, Rafi, na wo ist denn Svartur?“ Zärtlich streichelte sie sein zottiges Fell, während sie sich umsah. Enttäuscht stellte sie fest, dass Svartur nicht bei der Herde stand. Franzi schlenderte an den Ponys vorbei, nicht ohne jedes mit Namen zu begrüßen, und suchte noch weiter unten bei den Vogelbeerbüschen und Obstbäumen. Ihre Miene erhellte sich, denn unter einem der Apfelbäume standen Svartur und die Stute Blika. Er versuchte gerade, einen Apfel vom Ast zu pflücken. Viele hingen nicht mehr, die meisten lagen zertrampelt und von den Wespen und Ameisen angenagt im Gras.
Franzi beobachtete ihn schmunzelnd, wie er seinen wohlgeformten Hals weit nach oben reckte. Der Apfel hing ihm direkt vor den Nüstern, aber es gelang ihm nicht in den großen, rotgelben Apfel zu beißen. Immer wieder rutschte dieser weg.
„Na, mein Süßer, klappt es nicht?“, fragte sie mit leiser Stimme und ging langsam auf den schönen Rappen zu. Svartur hielt inne und blickte zu dem Mädchen. Unsicher wich er ein paar Schritte zurück. Franzi war erstaunt. Kennt er mich denn nicht mehr?
„Svartur, ich bin‘s doch. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Wieder versuchte sie, ihm näher zu kommen. Dieses Mal blieb das Pony stehen und schaute sie mit großen Augen an. Regungslos verharrte Franzi und betrachtete ihn aufmerksam. Sein Fell ist schon dichter und länger als im Sommer. Die Nächte sind sicher schon ganz schön kalt hier oben.
Seine lange Mähne tanzte wild im Wind. Blika suchte den Boden ab und biss krachend in einen Apfel. Kauend wandte sie sich ab. Svartur blickte ihr nach, sog ihren Geruch ein, klappte die Oberlippe hoch und flähmte. Es sah aus, als würde er lachen. So behielt er Blikas süßen Duft besonders lange in seinen Nüstern.
„Komm mal her“, lockte Franzi schmeichelnd und streckte dem Wallach ihre Hand entgegen. Keine Karotte, kein Brot, nicht mal ein Krümel, also uninteressant. Svartur sah sehnsüchtig in Richtung der Herde.
Franzis Hand berührte fast seine Nüstern, als plötzlich ein lauter Knall, der vom angrenzenden Wald zu ihnen drang, die sanfte Stille zerriss. Erschrocken sprang der Wallach auf Franzi zu und rempelte sie mit voller Wucht an. Sie stürzte ins Gras. Bockend raste er davon. Die ganze Herde galoppierte panisch den Hang hinauf. Franzi rappelte sich auf.
Was war denn das? Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sie sich die Seite und starrte erbost zum Waldrand. Aber außer einer Schar schwarzer Vögel, die kreischend Sicherheit in der Weite des Himmels suchte, konnte sie nichts Verdächtiges erkennen. Langsam humpelte sie die Wiese hinauf.
Franzi war enttäuscht, sehr enttäuscht. Ich hatte mich so auf Svartur, meinen Svartur, gefreut. Und jetzt erkennt er mich anscheinend nicht mal mehr. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Sie hatte sich alles so schön ausgemalt: Svartur galoppierte freudig wiehernd auf sie zu und sie konnte gleich mit ihm weiter arbeiten. So wie in den Sommerferien als sie hier, das zweite Jahr als Praktikantin, arbeitete. Da war er noch ein Hengst gewesen. Svartur durfte noch ein paar Stuten decken, bevor ihn der Tierarzt, Dr. Schwörer, kastrierte. Jetzt war er ein Wallach und es sprach nichts mehr dagegen, dass Franzi ihr außergewöhnliches Geburtstagsgeschenk mit nach Hause nahm.
Mit hängenden Schultern betrat sie den Stall. Ein heller Sonnenstrahl fiel auf den Stallboden. Kleine Heuteilchen mit Staub vermischt wirbelten darin planlos umher. Eine duftende Woge, nach Heu, Stroh und Pferden schlug ihr entgegen. Olli, der süße Auszubildende, richtete das Heu für den Abend. Er hob seinen dunklen Lockenkopf, als Franzi eintrat. „Was ziehst du denn für ein Gesicht? Freust du dich nicht, dass du endlich bei deinem Svartur bist?“ und bei mir, fügte er noch gedanklich hinzu.
Franzi schluckte den Kloß im Hals hinunter. „Doch, sehr“, antwortete sie in einem Ton, der genau das Gegenteil vermuten ließ. Olli kam zu ihr, legte freundschaftlich seinen Arm um ihre Schultern und schaute fragend in ihre grünen Augen.
„Erzähl‘ mir doch mal, wie die Grasflecken auf deine Jeans gekommen sind! Bist du gestürzt?“
Franzi atmete die schwere Stallluft tief ein. „Ja, mich hat‘s voll hingehaun. Unten auf der Weide.“
„Wolltest wohl gleich eine Runde auf Svartur reiten, so ohne alles“, flachste Olli.
Franzi konnte nicht lachen, nicht einmal ein dünnes Lächeln ging über ihre Lippen. Olli kniff sie in ihre geprellte Seite.
„Aua, bist du verrückt.“ Schroff wandte sie sich aus seinen Armen.
„Jetzt sag‘ mir sofort, was los ist! Du bist doch sonst nicht so zimperlich.“
„Ach, nichts.“ Franzi winkte ab und eilte in ihre Kammer.
Ab morgen arbeitete sie, für eine Woche, hier auf dem Ponyhof „Triptrab“.