Eike Ruckenbrod

Franzi und die Ponys - Band III


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Aber da er sehr ängstlich und unsicher war, konnte nicht einmal Olli ihn reiten.

      Nur Franzi war es gelungen, sein Vertrauen zu erlangen. Ja, sie hatte es geschafft, den wilden Hengst zu zähmen. Er wurde in diesem Sommer so zutraulich, dass er am Zirkustag die Hauptattraktion war. Die zwei waren so ein gutes Team, das es den Anschein hatte, Svartur könnte Franzis Gedanken lesen. Umso enttäuschter war sie jetzt. Er schien sie nicht einmal mehr zu kennen.

      Franzi lag auf ihrem Bett und starrte zu der schrägen Decke. Sie nahm die Löcher, die dunklen Stellen und die Risse darin nicht wahr.

      Nach einer Weile riss sie lautes Klopfen aus ihren tiefen Gedanken. Olli steckte den Kopf zum Türspalt hinein. „Es wäre mir eine Ehre, wenn gnädiges Fräulein mit mir zu Abend speisen würde.“ Aus seinen Augen sprühte der Schelm. Franzi lächelte leicht. „Ja, gern, sonst hab‘ ich ja nicht mehr viel Auswahl an Tischgenossen.“

      „Ab morgen ist die schöne Ruhe vorbei. Denk nur an Wiebke, die wird uns wieder besonders erfreuen.“ Wiebke war die Nichte von Frau Knoll, der strengen Hofbesitzerin. Mit Wiebke hatte Franzi immer Reibereien, bis zu dem Vorfall in den Sommerferien, als Svartur an einen Zirkus verkauft und gequält wurde, danach veränderte sich ihr Verhalten Franzi gegenüber und sie wurde richtig nett.

      „Das ist doch schön. Mit der wird‘s schon nicht langweilig. Außerdem bist du ungerecht. Wiebke mag dich sehr.“ Sie lächelte verschmitzt. Olli rollte mit den Augen. Franzi sprach weiter: „Vielleicht darf ich mit den fortgeschrittenen Mädchen ausreiten. - Ganz alleine möchte ich mit Svartur noch nicht in den Wald.“

      „So wie ich die Knoll kenne, dürft ihr bestimmt – natürlich nur, wenn du nicht wieder irgendwelche Abenteuer heraufbeschwörst!“

      Franzi ging lieber nicht auf das Thema ein. „Wiebke würde sich bestimmt mehr freuen, wenn du sie begleiten würdest.“ Das rothaarige, sommersprossige Mädchen schwärmte schon lange für den gut aussehenden Jungen. Olli zog kritisch die Augenbrauen zusammen. „Wir könnten abends zusammen reiten, wenn ich fertig bin.“

      „Mal sehen, wie sich Svartur entwickelt.“

      Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinab und machten sich auf den Weg in den Speisesaal.

      „Es ist so still, wie in einer Geisterstadt.“ Franzi ahmte das Geräusch einer Eule nach.

      „Für mich ist das nichts Ungewöhnliches. Ich genieße die Ruhe besonders nach den Ferien. Nur du fehlst mir natürlich“, fügte er noch schnell hinzu und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.

      „Wo ist denn Frau Knoll?“, wechselte Franzi das Thema.

      „Die isst mit Kuni in ihrer Wohnung.“

      Kunibert, genannt Kuni, war Frau Knolls kleiner Yorkshire-Terrier, der immer nervend kläffte, wenn jemand kam oder ging; wenn es laut war; wenn eine Katze in der Nähe war; wenn das Telefon klingelte oder jemand an der Haustür klopfte; wenn die Ponys rauften oder er besonders aufgeregt war. Also: eigentlich immer.

      Olli hielt Franzi die Tür auf. Durch die großen Fenster fiel das Sonnenlicht in den kleinen Saal und erwärmte in breiten Streifen die muffige, nach Bohnerwachs riechende Luft.

      Nachdem alle Fenster gekippt waren, deckte Franzi den Tisch, während Olli, in der angrenzenden Küche, Brot aufschnitt, und Wurst und Käse aus dem Kühlschrank holte.

      „Erzählst du mir jetzt, was vorhin los war?“ Olli setzte sich zu Franzi an den Tisch.

      Während sie Brote bestrichen, berichtete sie von dem Unfall auf der Weide.

      „Ich find‘ das nicht so schlimm. Er ist doch nur erschrocken, das ist ganz normal. Das heißt doch nicht, dass er dich nicht mag, oder nicht mehr kennt.“ Nachdenklich schwieg Franzi.

      „Du bist mal wieder zu ungeduldig, meine Süße.“ Mit einem Anflug von Zärtlichkeit blickte Olli in ihre faszinierenden Augen. Je nachdem wie das Licht hineinfiel, schienen sie eher braun, als grün.

      Entrückt versank er in diesem braungrünen Ozean. Verzweifelt versuchte er sich an der Oberfläche zu halten, aber er sog ihn mit einer mächtigen Kraft in die unendliche Tiefe. Ein wohliges, warmes Kribbeln durchlief seinen Körper.

      „Und du hast wie immer recht. Ich werde morgen Nachmittag anfangen mit ihm zu arbeiten, wenn ich mit den Mädchen fertig bin“, erzählte Franzi. Olli reagierte nicht und starrte sie nur vollkommen entrückt an.

      „Olli?“, fragte Franzi unsicher und blickte ihm forschend ins Gesicht. Er zuckte zusammen. Der Zauber zersplitterte, wie eine Windschutzscheibe in tausend kleine Scherben, und fiel von ihm ab.

      „Äh, was?“

      Franzi wiederholte den Satz noch einmal.

      „Sehr gut. So kenn‘ ich dich“, nuschelte er.

      Franzi lächelte. Letztes Jahr hatten sie sich ineinander verliebt und sie mochte Olli immer noch sehr gerne. Er war ihr bester Freund, auf ihn konnte sie sich hundertprozentig verlassen. Er hatte ihr schon einige Male aus der Patsche geholfen. Aber offensichtlich hegte er noch tiefere Gefühle für sie, als sie für ihn.

      Am nächsten Morgen stand Franzi mit Olli auf, um ihm beim Füttern der fünfundzwanzig temperamentvollen Islandponys zu helfen. Franzi sog genüsslich den würzigen Stallduft tief in ihre Lungen. „Ich liebe diesen Duft. - Heute ist so schönes Wetter, schade, dass ich mit Svartur noch nicht ausreiten kann.“

      Sie fing an, jedem Pony einen Futtersack mit einer kleinen Portion Hafer umzuhängen.

      „Weißt du was? Du kannst ja Rafi nehmen und wir reiten heute Abend nach dem Essen zusammen aus. Bis dahin kannst du dich mit Svartur anfreunden und ich erledige meine Arbeit“, schlug Olli vor.

      Nach einer Weile sammelten sie die Futtersäcke wieder ein und ließen die Ponys auf die Weide.

      „Klingt gut. Vielleicht klappt es ja auch schon mit meinem Schönen“, knüpfte sie an das Gespräch an.

      „Mach‘ langsam, Franzi“, warnte Olli. „Svartur hat sich zwar verändert, seit er kein Hengst mehr ist, er ist umgänglicher geworden, aber manchmal kommen die Hormone doch noch zum Vorschein. Das wird auch eine Weile noch so bleiben.“

      „Ja, ja, Papa Olli“, neckte sie, steckte ihm ein Büschel Heu hinten in sein Sweatshirt und rannte flugs aus dem Stall.

      „Hey, du Biest. Na warte, ich krieg‘ dich.“

      Sie lief auf die Weide. Während Olli hinter ihr her hetzte, versuchte er das juckende Heu aus seinem Pulli zu ziehen. Franzi konnte vor lauter Lachen nicht schnell genug rennen und Olli kam immer näher.

      Sie spurtete zu Rafi, krallte sich in seiner Mähne fest und schwang sich auf seinen Rücken. Der kräftige Rappe hörte erstaunt auf zu grasen. Franzi trieb ihn energisch an und warf lachend ihren Kopf in den Nacken. Rafi sauste davon. Olli blieb einen Moment verdutzt stehen, blickte sich um und schnappte Pokki, der am nahesten stand. Gekonnt schwang er sich auf den Rücken des braven Schecken und galoppierte Rafi hinterher.

      Franzi drehte sich um und sah ihn aufholen.

      Mist, Pokki ist gar nicht so lahm, wie ich dachte. Ich muss mir was anderes überlegen.

      Sie galoppierte den Hang hinunter, fast bis zum Zaun, zischte durch die Zähne, entspannte sich und Rafi wurde langsamer.

      Dann ritt sie eine Volte und galoppierte direkt auf Olli zu.

      „Bist du verrückt?“, schrie dieser, da er Pokki nicht lenken konnte. Franzi lachte und ritt haarscharf an den beiden vorbei. Sie rief nach Pokki. Der Wallach drehte schnell auf seiner Hinterhand - Olli flog in hohem Bogen ins Gras - und folgte seinem Herdenchef.

      Kaum hatte Pokki seinen Reiter los, holte er Rafi ein. „Hey, Pokki, wo hast du denn Olli gelassen“, rief Franzi dem Schecken atemlos zu, drehte sich um und hielt Ausschau, aber sie konnte ihn nicht entdecken. Wieder zischte sie beruhigend durch die Zähne und entspannte sich. Der Rappe verstand und wurde langsamer.