Jürgen H. Ruhr

Personen - Schutz


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Glück traf er niemanden. Außer die Person, die er schützen sollte. Seine ‚ProP‘ erlitt einen Armdurchschuss. Als der ‚Body - Guard‘ merkte, was er da angerichtet hatte, ist er schnurstracks abgehauen. Allerdings dauerte es nicht lange, bis die Polizei ihn festnahm. Wir hatten über die Geschichte geschmunzelt. Welch ein Trottel! Wie kann man denn in solch einer harmlosen Situation durchdrehen?

      Aber jetzt, unter dieser Anspannung, sah ich die Geschichte mit anderen Augen. Ja, es zerrte an den Nerven, ständig mit einem Angriff rechnen zu müssen. Jede Person in der näheren Umgebung war verdächtig. Das peitschte den Adrenalinspiegel mächtig hoch. Dass Chrissi ähnlich dachte, konnte ich erkennen.

      „Zimmer dreihundertunddreißig.“ Der Portier zeigte zum Fahrstuhl. „Im dritten Stock. Wenn sie aus dem Aufzug kommen, links. Herr Abdar erwartet sie schon.“

      Also zurück zum Aufzug. Eine der beiden Kabinen stand offen da. Dritter Stock. ‚Maximal 5 Personen‘ - ‚Aufzug im Brandfall nicht benutzen‘. Ich sah mich um. Die üblichen Warnhinweise. ‚Notruf nur im Notfall benutzen‘ - ‚Eltern haften für ihre Kinder‘. Ich musste grinsen. Man sollte einfach einmal ein Schild: ‚Kinder haften für ihre Eltern‘ anbringen. Nur aus Jux. Das wäre ein Brüller.

      Abrupt hielt der Fahrstuhl. Chrissi ging in den Gang hinaus. Dann winkte sie uns. In diesem Moment wollte sich die Fahrstuhltüre schließen, was ich aber so gerade eben noch verhindern konnte. Dafür wurde mein Bein kurz schmerzhaft zwischen Türe und Rahmen eingeklemmt. Leise fluchend und humpelnd stolperte ich hinter Chrissi und Mijnheer Wenderlen her.

      Das Zimmer ließ sich nicht schwer finden. Wenderlen klopfte verhalten an. Während Chrissi ihre Blicke immer wieder durch den Flur schweifen ließ, rieb ich mir das schmerzende Schienbein.

      „Ah, meine Gäste. Inschallah! Inschallah! Kommen sie herein, kommen sie herein.“

      Ibn sal Abdar sah genau so aus, wie man sich einen Araber vorstellt. Er trug ein langes, weißes Gewand, das mich stark an ein Nachthemd erinnerte. Auf dem Kopf saß eine Art Turban, ebenfalls in Weiß. Der Mann mochte vielleicht dreißig oder vierzig Jahre alt sein, das ließ sich schwer bestimmen. Das herausragendste Merkmal allerdings war die Geiernase, die sein Gesicht dominierte. Wort- und Gestenreich komplimentierte er uns in sein Zimmer.

      „Und wer von ihnen ist Mijnheer Wenderlen? Ich hatte ehrlich gesagt nicht mit so vielen Personen gerechnet.“

      Wenderlen schob sich vor. „Ich bin Aaron Wenderlen. Ich freue mich ...“

      Abdar unterbrach Wenderlen. „Wunderbar, wunderbar. Und wer sind die anderen beiden dort?“ - „Bodyguards, verehrter Ibn sal Abdar. Immerhin habe ich die gewünschten Diamanten im Wert von bald anderthalb Millionen Euro bei mir.“

      „Wunderbar, wunderbar, lieber Herr Wenderlen. Dann zeigen sie doch mal her die Steinchen!“

      Chrissi und ich sahen uns fragend an. Verliefen so die Verhandlungen im Millionen - Euro Bereich? Aber Wenderlen schien sich an dem Verhalten des Käufers nicht zu stören. Vielleicht hatten die Leute mit dem entsprechenden Geld immer irgendwelche Marotten. Ich zuckte mit den Achseln. Wir würden schon aufpassen, dass nichts schief ging.

      Wenderlen schritt nun zu dem großen Tisch, der mitten im Zimmer stand. Als einfaches Hotelzimmer ließ sich dies hier allerdings nicht bezeichnen. Links führten zwei Türen zu weiteren Räume. Ich vermutete, dass eine zum Schlafzimmer und eine zum Bad gehörte. Wenderlen löste inzwischen die Handschellen und stellte die Zahlenkombination der Schlösser ein. Ibn sal Abdar schaute diskret zur Seite.

      „Ah, wunderschön.“

      Chrissi und ich mussten automatisch auf den geöffneten Koffer schauen. Dicht an dicht lagen dort die schönsten Diamanten auf einem schwarzen Samttuch.

      Ibn sal Abdar klemmte sich eine Lupe in das rechte Auge und begann die Steine zu begutachten. Von Zeit zu Zeit ließ er ein ‚Wunderbar, einfach wunderbar‘ vernehmen. Endlich schien er mit seiner Begutachtung zum Ende zu kommen.

      „Wahrlich großartige Stücke“, meinte er zu Wenderlen. „Ich kaufe, ich kaufe.“

      Aaron Wenderlen schloss zufrieden den Koffer. „Dann sind wir uns einig? Einskommavierfünf Millionen Euro?“ - „Aber ja, wunderschön. Ganz wie wir es besprochen haben.“

      Wenderlen rieb sich die Hände. Ganz offensichtlich machte er ein sehr gutes Geschäft. Vor allem, wenn man bedachte, dass zuvor die Rede von einem Wert von einskommazwei Millionen gewesen war. Aber solche Gedanken standen mir wohl nicht zu ...

      „Gut, dann bekommen sie den Koffer noch gratis dazu. Können wir nun zur Überweisung schreiten? Sie haben doch einen Laptop hier?“

      „Aber sicher, Mijnheer Wenderlen. Ganz wie besprochen. Ich zahle das Geld per Sofortüberweisung und sie übergeben mir die Klunkerchen. Ach, es ist so wunderbar.“

      Ibn sal Abdar klatschte vor Freude wie ein kleines Kind in die Hände. Diese Araber. Ich schüttelte verwundert den Kopf. Kaufte für Millionen Diamanten und konnte sich wie ein kleines Kind darüber freuen!

      Etwas polterte in einem der Räume laut auf den Boden. Erstaunt sahen wir uns um und in diesem Moment öffnete sich eine der beiden Türen. Wie ich flüchtig erkannte, musste es sich um die Schlafzimmertüre handeln. Eine wunderhübsche, nackte Frau trat in den Raum. Lange schwarze Haare fielen auf ihre Schultern. Allerdings waren es weniger die Haare, als mehr die eindeutig natürlich belassenen Brüste, die ich mir anschaute. Die Haut der Schönheit schien makellos und ein gepflegtes Dreieck aus schwarzen Haaren verbarg dezent ihre Scham.

      Die Frau kreischte auf und versuchte ihre Brüste mit den Armen zu bedecken.

      Ibn sal Abdar sah die Frau lächelnd an und sprach in leicht tadelndem Ton: „Mira, meine Herzblume. Zieh dir etwas an - wir haben Gäste.“

      Der magische Augenblick war vorbei, die Tür fiel hinter der Schönheit wieder zu. Ich musste leicht grinsen, als mir Wenderlens enttäuschter Blick auffiel. Er starrte noch eine ganze Weile in Richtung der geschlossenen Türe. So, als warte er auf einen erneuten Auftritt der Nackten. Dann endlich fing er sich.

      „Nun, kommen wir zur Überweisung, Herr Ibn sal Abdar.“ Wenderlen legte eine Hand auf den Koffer. „Dann gehört das hier ihnen.“

      Abdar nickte und zog einen Laptop hervor. Es schien sich um ein älteres Modell zu handeln, denn das Gerät war ziemlich dick und schwer. Er stellte den Computer neben den Koffer auf den Tisch.

      Plötzlich schrillte eine Alarmsirene. Feueralarm. Verdammt, irgendetwas musste ja noch passieren! Chrissi und ich verständigten uns mit einem kurzen Blick. Jetzt galt es, besondere Obacht walten zu lassen! Auch Aaron Wenderlen reagierte und befestigte den Koffer wieder mit den Handschellen an seinem Handgelenk.

      „Wir müssen über die Treppe runter“, rief ich, „keine Panik. Ich gehe voran, sie Herr Wenderlen und sie Herr Abdar folgen mir. Christine macht den Schluss.“

      Ibn sal Abdar schrie in Panik auf. „Ich kann nicht. Mein Täubchen, mein Herz, mein Alles ist noch in dem Zimmer. Ich hole sie. Wir können doch Mira nicht zurücklassen!“

      Schon war er in dem Zimmer verschwunden.

      „Wir müssen hier raus“, drängte Christine.

      Ich klopfte gegen die Türe. „Wir müssen runter“, schrie ich. Die Tür öffnete sich einen Spalt und sal Abdar trat vor mich. Jetzt klang seine Stimme weinerlich.

      „Mira ist noch nicht fertig. Zwei Sekunden noch.“ Dann schien ihm etwas einzufallen. „Oder besser: Gehen sie doch schon vor. Schließlich finden wir die Treppe auch alleine. Das war doch direkt neben dem Fahrstuhl, oder?“

      Ich nickte. „Aber beeilen sie sich.“

      Die Sirenen gellten weiter und von der Straße mischte sich das Geheul der Feuerwehrwagen darunter.

      Chrissi und ich waren noch unschlüssig, ob wir nicht doch auf Abdar und seine Gefährtin warten sollten. Allerdings nahm Wenderlen uns die Entscheidung ab, indem er voller Panik aus