Jürgen H. Ruhr

Personen - Schutz


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war. Nur noch die Königsallee und dann ab nach Hause. Wenn das kein Grund zum Jubeln war. Mutter allerdings vertrat da eine andere Meinung. „Schade, ist die schöne Fahrt schon zu Ende. Jonathan, was hältst du davon, wenn wir jetzt die nächste Reise buchen? Das hat doch alles gut geklappt und ...“

      Ich unterbrach meine Mutter: „Geht leider nicht. Ich muss doch arbeiten. Vielleicht solltest du die Fahrt mit Vater durchführen. Es ist eine Schande, dass er nicht dabei war. So viele Sehenswürdigkeiten, soviel Bildung. Das hätte ihm doch bestimmt auch gut getan!“

      Mutter sah mich an. „Da hast du Recht, Junge. Du bist ja schon richtig groß und vernünftig geworden, dass du zu solchen Erkenntnissen gelangst. Gleich morgen muss ich mit Vati reden.“

      III.

      Ich schüttelte die Gedanken ab. Nein, bloß keinen Urlaub. Davon hatte ich wahrlich genug im Moment.

      Sam erhob sich. „Okay, wir fangen am Siebten mit der Ausbildung an. Ich muss noch einige Dinge erledigen, bevor ich mich euch uneingeschränkt widmen kann. Bis dahin habt ihr auf jeden Fall Gelegenheit, euch erst einmal zu akklimatisieren. Macht ein paar Tage frei.“

      Chrissi und ich nickten. Wir wüssten uns auch so zu beschäftigen. Irgendetwas gab es immer zu tun.

      Am nächsten Morgen stand ich mit einer Tüte Brötchen in der Einfahrt meiner Eltern. Wir hatten uns jetzt eine ganze Weile nicht gesehen und ich freute mich schon auf die überraschten Gesichter. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich auch nicht zu früh da war. Mein Vater liebte es nicht, so zeitig gestört zu werden.

      Nach dem fünften Klingeln gab ich es auf. Entweder waren beide plötzlich an Taubheit erkrankt oder es befand sich niemand zu Hause. Ich tippte auf die zweite Möglichkeit. Also doch zum Studio. Irgendein dankbarer Abnehmer für die Brötchen würde sich schon finden.

      „Ah, der junge Lärpers.“

      Vor mir stand der Nachbar, Herr Taubern. Bei Taubern handelte es sich um den speziellen Rennspielfreund, mit dem mein Vater immer Rennen auf seiner Carrerabahn fuhr. Ich hielt den Mann für leicht dement, was mein Vater aber immer bestritt.

      „Herr Taubern. Wie geht es ihnen?“ - „Wieso?“ - „Nur so, ich will doch nur höflich sein.“

      Taubern schien nachzudenken. „Wie geht es dir, Jonathan?“

      Jetzt stach mich der Hafer: „Wieso?“

      „Geht‘s dir nicht gut? Soll ich einen Krankenwagen rufen?“ Schon kramte der Nachbar nach seinem Handy. „Wo hab ich nur mein Telefon?“

      „Mir geht es gut, danke Herr Taubern.“ - „Aha. Nun. Und warum rufen sie mich an?“ - „Ich habe sie nicht angerufen. Wir stehen hier und reden miteinander.“

      „Stimmt. Sie bringen mich aber auch ganz durcheinander. Also, junger Mann, was wollen sie von mir?“

      Die Sache gestaltete sich zunehmend schwierig. „Ich wollte meine Eltern besuchen. Aber die scheinen nicht da zu sein.“

      „Das stimmt. Die sind in Urlaub.“

      Ich musste grinsen. Hatte meine Mutter es also letztlich doch geschafft. Sie und ihre Städtereisen.

      „Die sind in Portugal. Bei irgend so einem Pöting. Was immer das sein mag. Bestimmt ein portugiesisches Festival. Bah, so ein ausländischer Kram.“

      Albert Pöting Senior war der Vater meines ehemaligen Schulkollegen Albert Pöting Junior. Und Albert Junior saß bei der Polizei Mönchengladbach als Kriminalkommissar. Noch letztes Jahr überstand der mit viel Glück einen Anschlag einer chinesischen Gang. Aber das ging Hermann Taubern nichts an. Ich nickte nur. „Ich muss weiter, Herr Taubern. Danke für die Information.“

      Schon steckte der Schlüssel im Türschloss meines Wagens. Bloß weg hier!

      Plötzlich wurde mir die Tüte mit den Brötchen entrissen. Taubern lief zur Straße. „Nichts ist umsonst, Jüngelchen.“ Dann war er verschwunden. Toll, wie der alte Mann noch so schnell rennen konnte.

      Die Brötchen waren verloren; ich würde jetzt bestimmt nicht hinter Taubern herrennen. Sollte er doch damit glücklich werden. Also zum Sportstudio. Vielleicht würde ich ja auf dem Weg dorthin ein kleines Frühstück zu mir nehmen können.

      Jennifer stand hinter der Empfangstheke und begrüßte mich. „Morgen Jonathan. Solche Sehnsucht nach uns? Ich dachte, Sam hat euch noch ein paar Tage frei gegeben.“

      „Tja, stimmt. Eigentlich wollte ich ja meine Eltern besuchen, aber die sind in Urlaub. Also, was soll ich machen? Ich muss sowieso meine Schießkünste noch ein wenig aufpolieren.“

      „Ihr seid doch alle gleich. Christine ist auch schon da. Na dann viel Spaß.“

      Chrissi konnte es also auch nicht lassen! Meine ehemalige Sekretärin war dem Kampfsport mit Haut und Haaren verfallen. Nun, zumindest hatte ich für heute einen Trainingspartner.

      Pünktlich um acht Uhr am Montagmorgen betrat Sam mit einem Stapel Unterlagen und Kopien die Bibliothek. Christine und ich hatten es uns schon bequem gemacht und wir fieberten den Dingen entgegen, die da kommen würden. Jennifer versorgte uns mit frischem Kaffee.

      „Morgen ihr beiden. Ich hoffe, ihr seid bereit für einen anstrengenden Monat. Wir werden zwar auf den Grundlagen eures Lehrganges aufbauen können, trotzdem bleibt aber noch genügend Lernstoff. Bis zu eurem Job Anfang Mai werdet ihr aber einigermaßen fit sein. Außerdem gibt es auch einen Praxisteil. Da aber noch nicht feststeht, was das genau sein wird, kann ich jetzt noch nichts darüber verraten.“

      Sam reichte uns den Stapel Unterlagen hin. „Das sind eure Arbeitsunterlagen für die nächste Zeit. Natürlich läuft das übliche Trainingsprogramm weiter. Das bedeutet: Schießübungen, sowie Kraft- und Kampftraining. Außerdem werden wir jeden Morgen vor dem Frühstück einen kleinen Waldlauf absolvieren, um eure Ausdauer zu trainieren.“

      „Und wann fangen wir an?“, wollte Chrissi wissen.

      „So um sechs Uhr morgens. Aber ich habe dir noch einen Vorschlag zu machen: Wie du weißt, wohnt Jonathan zurzeit ja bei mir. Um unseren kleinen Lehrgang und das Training flexibler zu gestalten, könntest du ebenfalls zu mir ziehen. Für diesen einen Monat.“

      Christine nickte. Wir kannten Sams Haus, da wir vergangenes Jahr schon einmal ein paar Tage bei ihm übernachtet hatten. Damals befand sich auch Monika bei uns, Platz war ja genügend vorhanden.

      „Gute Idee“, meinte sie jetzt auch, „das würde uns auch vermutlich einige Fahrerei sparen.“

      Sam grinste. „Richtig. So dachte ich mir das. Wir fahren dann morgens gemeinsam zum Lauftraining und anschließend hier ins Studio, wo wir duschen und die Theorie durchgehen können. Oder wir schließen an das Laufen direkt Kampftraining an.“

      Ich nickte. Das machte Sinn.

      „Sam, werde ich Gelegenheit haben, mich auf die nächste Prüfung in Taekwondo vorzubereiten?“ Chrissi sah Sam fragend an.

      „Auf jeden Fall. Auch du, Jonathan. Wenn du möchtest. Wir können den Unterricht total flexibel gestalten und konzentrieren uns im Kampftraining halt auf euren Prüfungsstoff. Vielleicht schafft Jonathan es ja auch, mit dir gleichzuziehen und ebenfalls seinen ersten Dan zu erhalten. Also lasst uns beginnen.“

      Der Tag verging mit trockener Theorie zum Thema Personenschutz. Vieles davon kannten wir schon aus unserem Lehrgang. Nach dem Mittag wurde es ein wenig interessanter, da Sam auf die verschiedenen Eigenarten zu schützender Personen zu sprechen kam.

      „Die Betreuung eines Stars ähnelt dem Lauf über rohe Eier!“

      Den Satz musste ich mir merken.

      Am frühen Nachmittag hängte Sam noch eine Stunde Kampftraining an. Auch hier bezog er sich auf den aktiven Schutz eines Stars oder Sternchen. Insbesondere der Aspekt der Unberechenbarkeit stellte uns immer wieder vor besondere