Jürgen H. Ruhr

Personen - Schutz


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sich dort schon eine rote Stelle. „Das geht dann gar nicht! Sie können ja nicht einfach einen Walter anmelden und dann mit einem Jonathan ankommen.“ - „Aber Lärpers. Beide sind doch Lärpers“, begehrte Mutter auf, „ohne meinen Sohn fahre ich nicht.“ - „Dann müssen sie halt beide hier bleiben“, beharrte der Dicke.

      Jetzt wurde es mir zu viel. „Moment, Herr ...“, mischte ich mich ein. Obwohl im gleichen Augenblick überlegte ich: Sollte ich nicht mitfahren dürfen, dann wäre mir schon geholfen. Doch dann verwarf ich den Gedanken; Mutter würde in diesem Fall ja auch nicht mitfahren können ...

      „Demmbaum, Alois. Ich bin hier der deutschsprachige Reiseleiter.“

      Das hatte ich mir fast schon gedacht. „Herr Demmbaum. Ich verlange, dass wir die Sache auf der Stelle mit dem Reiseveranstalter klären. Wir haben viel Geld für diese Reise bezahlt und bestimmt legt der Veranstalter wenig Wert darauf, dass sich meine Anwälte um den Fall kümmern.“

      Das war natürlich ein wenig dick aufgetragen - hatte ich doch noch nicht einmal einen Anwalt. Aber meine Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht.

      „Wir sind spät dran, Herr Lärpers. Ich will dann mal eine Ausnahme machen. Aber nur, weil sie es sind.“ Abrupt drehte er sich um, klatschte in die Hände und wandte sich an die wartende Gruppe. „Meine Damen und Herren. Ruhe bitte. Darf ich um ihre Aufmerksamkeit bitten?“ Endlich wurde es ruhig.

      Interessiert schauten ihn die Leute an.

      „Nachdem die Familie Lärpers endlich doch noch eingetroffen ist, kann es jetzt losgehen!“ Er drehte sich ein wenig zu uns: „Herr und Frau Lärpers, wären sie so freundlich und hätten sie die Güte sich zur Gruppe zu gesellen? Sie halten den ganzen Laden auf!“ Grinsend drehte er sich wieder zur Gruppe. „Erst zu spät kommen und dann den Betrieb auch noch aufhalten! Nun, ich begrüße sie zu unserer Städte - Bildungsreise. Sieben Städte in vierzehn Tagen, da...“

      „Sechs Städte“, unterbrach ich ihn. - „Wie bitte?“ - „Sechs Städte.“ Und ich begann die Städte aufzuzählen: „Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Dresden, Berlin, Hamburg. Das sind sechs Städte.“

      „Sie haben Düsseldorf vergessen.“ - „Nein, habe ich nicht.“ - „Düsseldorf.“

      Demmbaum war jetzt rot angelaufen und stampfte mit einem Fuß auf den Boden. „Düsseldorf zuletzt.“ - „Düsseldorf zuerst und Düsseldorf zuletzt“, erläuterte ich freundlich, „damit bleibt es aber eine Stadt. Oder gibt es noch ein anderes Düsseldorf?“

      Ein Murren wurde in der Gruppe laut. Für mich klang es wie ‚recht hat er‘. Allerdings war nicht auszumachen, wer nun Recht haben sollte. Mutter rammte mir ihren Ellbogen in die Seite. „Gib Ruhe, Junge, und lass den Mann seine Arbeit machen.“

      Demmbaum bekam das natürlich mit und ging nun grinsend über meinen Einwand hinweg. „Heute besichtigen wir die berühmte Düsseldorfer Altstadt. Wenn sie mir bitte folgen wollen.“

      Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Insgesamt handelte es sich um vielleicht dreißig Personen. Alle zwischen sechzig und achtzig Jahren schätzte ich. Mehrere der Älteren mühten sich mit einem Rollator ab. Sie konnten dem Reiseleiter kaum folgen. So erklang auch alle paar Minuten ein unfreundliches: ‚Bitte aufschließen. Nicht trödeln da hinten!‘

      Vor einem flachen Gebäude blieben wir schließlich stehen. Die Gruppe sammelte sich, wobei es allerdings etwas dauerte, bis auch der letzte mit seinem Rollator eingetrudelt war.

      „Herrschaften nicht so langsam! Wir verlieren viel Zeit, wenn sie nicht bei der Gruppe bleiben. Schließlich müssen wir noch zum Bus.“ Demmbaum sah auf seine Uhr. „Schade, jetzt muss ich mich kurz fassen. Also: Wir stehen hier vor dem berühmten Düsseldorfer Kommödchen. Das Kommödchen wurde Neunzehnhundertsiebenundsechzig gegründet un...“

      Demmbaum wurde unterbrochen. Ein erschöpft wirkender Mittsiebziger, auf seinem Rollator sitzend wedelte mit dem Arm: „Tschuldigung, Herr Reiseleiter. Aber das Kommödchen wurde Neunzehnhundertsiebenundvierzig gegründet und ist Neunzehnhundertsiebenundsechzig lediglich hier in diese Räume gezogen!“

      Demmbaum wurde wieder rot und zischte: „Besserwisser!“ Dann wandte er sich abrupt um. „Wir müssen jetzt weiter. Der Bus wartet!“

      Die Gruppe stolperte und rollte hinter ihm her.

      Nach ungefähr zehn Minuten erreichten wir den Bus, der vorschriftswidrig auf einer Abbiegespur parkte. Zwei Polizisten überprüften gerade die Papiere des Fahrers.

      „Herrschaften! Alle schnell in den Bus. Die Koffer bitte zuvor hier einladen.“ Demmbaum hatte es plötzlich sehr eilig. Noch fehlten allerdings die letzten Rollatorfahrer.

      Mutter suchte sich einen Platz vorne, was mir sehr gelegen kam, da ich so dem Gespräch der Polizisten mit dem Fahrer lauschen konnte. Auch Demmbaum mischte sich jetzt in die Debatte.

      „Wie ich schon sagte: sie können hier nicht parken. Auf jeden Fall erhalten sie eine Strafanzeige wegen Verkehrsbehinderung!“

      Der Fahrer, ein kleiner, magerer, nervöser Mann zündete sich eine Zigarette an seiner gerade aufgerauchten an. „Herr Polizist. Drücken sie doch ein Auge zu. Es geht hier schließlich um alte und behinderte Leutchen. Wo sollte ich auch sonst parken? Und in wenigen Minuten sind wir ja auch schon wieder weg.“ - „Sie stehen jetzt aber schon seit mindestens einer Stunde hier. Und das geht nicht. Und machen sie endlich die Zigarette aus.“

      Der Fahrer zog gierig an seinem Glimmstengel. Demmbaum, wieder mit hochrotem Kopf mischte sich jetzt ein: „Dies ist eine Privatreise. Da kann der Fahrer machen was er will!“

      Einer der Polizisten machte ein grimmiges Gesicht und bemerkte böse: „Aber nicht parken, wo er will!“

      Jetzt fing Demmbaum auch noch an zu schreien: „Sehen sie die Leute? Die alten und Gehbehinderten? Sollen diese armen Leute hunderte von Kilometern laufen? Sie, sie ...“ Demmbaum rang nach Worten. „Polizistennörgler!“

      Die beiden Polizisten grinsten sich an. „Na, dann hätte ich gerne ihren Personalausweis. Das bringt ihnen auf jeden Fall eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung ein.“

      Demmbaum wurde noch eine Spur röter. Wenn das überhaupt ging. „Nein. Meinen Ausweis bekommen sie nicht!“ - „Dann muss ich sie bitten mit auf die Wache zu kommen.“

      Jetzt meldete sich der Fahrer zu Wort, nachdem er einen Hustenanfall überwunden hatte: „Wir können fahren. Die Leute sind alle da.“

      „Also, was ist mit ihrem Personalausweis?“ - „Kriegen sie nicht. Und jetzt lassen sie uns fahren!“ - „Ja, der Bus kann fahren. Aber ohne sie. Kommen sie bitte mit auf die Wache.“

      Demmbaum schüttelte den Kopf. „Sie können mich mal, sie Arschloch!“

      Der so titulierte Beamte zögerte nicht lange. Blitzschnell legte er Demmbaum Handschellen an und führte ihn aus dem Bus. „Und sie verschwinden jetzt hier“, rief er im Hinausgehen dem Fahrer zu. „Wegen der Anzeige hören sie noch von uns!“

      Mutter lehnte sich gemütlich zurück. Soweit es die unbequemen Sitze zuließen. Bei diesem ‚luxuriösen‘ Reisebus musste es sich um einen umgebauten Linienbus aus den achtziger Jahren handeln.

      „Jetzt geht die große Reise endlich los“, seufzte sie und schloss die Augen. Doch Sekunden später wurde sie schon wieder aus ihrer Ruhe gerissen.

      „Alle mal herhören“, quäkte es überlaut durch die Lautsprecheranlage. Der Busfahrer hielt ein Mikrofon in der Hand und versuchte nun das Fahren, sein Rauchen und die Ansprache zu koordinieren. Was folgte, war zunächst ein längerer Hustenanfall, fein über Lautsprecher verstärkt. Ich hoffte nur, dass das gut gehen würde ...

      „Also, bitte Ruhe da hinten! Ich begrüße sie zu unserer Städtereise. Mein Name ist Heinrich Imgär und ich bin ihr Busfahrer. Da unser Reiseleiter, der Herr Demmbaum, leider ausgefallen ist, werde ich bis zu seiner Rückkehr ihr Ansprechpartner sein. Wir sind jetzt auf dem Weg in das schöne Köln, wo ein feines Hotel schon